Wie dem auch sei, kehrte sie plötzlich zu mir zurück, als ich den Kopf noch nicht wieder hingelegt hatte.
Auf frischer Tat ertappt! Ich sog ruckartig die Luft ein und verfluchte mich selbst, bevor ich die Stirn wieder niederdrückte. Aber es war zu spät: Meine falsche Haltung war aufgeflogen, und mein nassforsches Verhalten augenfällig. Neugierde, so sagt man, geziemt sich nicht für eine Kajira. Dennoch fragte ich mich, wer auf dieser weiten Welt wohl mit mehr Schwung und Ernst nach Wissen strebt und neuen Erfahrungen freudiger entgegensieht als wir. Dies liegt in der Natur der Frau an sich und ist umso normaler für uns, die weiblichsten aller Frauen. Später werden Sie mehr davon erfahren, denn es wirft noch mehr Licht auf die goreanische Gesellschaft.
Natürlich betrafen mich solche Frauen hier nicht. Sie gehörten definitiv in einen eigenen Nimbus, während ich mich auf solche festlegte, die meiner Halsreifweite entsprachen. Mit ebendiesen würde ich wetteifern.
Seltsam, was aus mir geworden war, dachte ich.
Was hätten Sandra, Jean, Priscilla und Sally gedacht, wenn ich in ihrem Beisein so angezogen vor einem Mann gelegen hätte, um Aufgaben zu verrichten? Nun, in meiner Lage hätten sie sich genauso beeilt, den Anforderungen zu entsprechen.
Man musste schließlich immer die Ketten und Peitschen im Hinterkopf behalten.
Angenommen aber, sie ertappten mich so in der sicheren alten Welt, festsitzend in jener tristen Umgebung hinter sprichwörtlichen Mauern – würden sie erschrecken und einen Schock erleiden, sich entrüsten oder grämen? Was, wenn sie bemerkten, wie willig, eifrig und freudig ich all dies machte? Nun, irgendwie mussten sie wohl ein wenig anders reagieren, und sei es auch erst nach kurzer Verzögerung. Nämlich nicht konsterniert oder traurig, sondern, wenn sie ehrlich waren und zunächst einigermaßen beklommen, mit einem verständigen Schaudern, dann unsagbar aufgeregt wegen ihrer Einsicht. Ich konnte mir vorstellen, dass sie meine Freizügigkeit beneideten, das Natürliche, Schöne und die Richtigkeit all dessen. War ihnen all dies wirklich so fremd? So schwer zu verstehen ist es doch gar nicht. Hatten sie sich nicht selbst oftmals an einem solchen Ort gewähnt, wenn auch nur in ihrer Fantasie? Ich sah sie deutlich vor mir, jede Einzelne mit Halsfessel, wie sie sich gegenseitig verstohlene Blicke zuwarfen und dann frohgemut unter sich schauten, ohne sich wieder zu trauen, einander in die Augen zu sehen.
Sie müssen verstehen: Wir haben in unserer Position eben keine andere Wahl. Dass wir uns auf Botengängen und beim Wäschewaschen an einem Fluss oder öffentlichen Becken begegneten, war ebenfalls vorstellbar; würden wir dann nicht über jene diskutieren, die absolute Ansprüche an uns stellten? Tief im Herzen würden mich meine Freunde, so sie Bescheid wüssten, durchaus beneiden wegen meiner Freiheit und Fähigkeiten auf diesem Planeten. Es war nicht weniger als naturgemäß, dass wir solchen Männern gehörten! Kein Wunder, dass sie uns trennten … unsere Gruppe wurde damals aufgelöst, woraufhin keine mehr mit den übrigen zu tun hatte. Für jede stand ein individuelles Schicksal, eine andere Bestimmung in Aussicht. Jede musste sich nun hoffnungsfroh auf einen Mann einlassen, und zwar nicht ein und denselben. Was hatten sie schon gemein, außer dass wir ihnen gehörten und uns zur Gänze in ihrer Gewalt befanden?
Sei es drum: Meine Freundinnen waren nicht hier.
Eigenartig, wie ich mich gewandelt hatte …
Innerlich wusste ich aber, dass ich im Grunde schon immer so gewesen war.
Es wurde dunkel und außerdem kalt, weshalb ich froh um die Decke in meiner Zelle war.
Ich vermisste meine Bekannten. Ich wünschte mir, sie wüssten um meine Freiheit und mein Glück, obwohl ich auch hier natürlich nicht vor Schrecken und Gefahren gefeit war. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich mich des großen Vogels im Flug entsann, in dessen Sattel jener unbekannte Krieger mit Helm gesessen hatte. So ein Mann war bestimmt nicht leicht zufriedenzustellen und verfügte noch dazu gewiss über Peitschen. Die Fülle und Schönheit des Lebens begeisterte mich, und ich fühlte mich hier menschlicher, selbst hinter den Gittern in dieser entlegenen Bergzelle, als ich es jemals auf meinem Heimatplaneten getan hatte.
Ich war übermütig, aufgeregt und quicklebendig!
Ferner fühlte ich mich trotz des Brandzeichens, der Tunika und dieses Verlieses mit seinen Gitterstäben weniger eingeschränkt denn je.
Die anderen Frauen, die hier gefangen sein mussten, wussten bestimmt mehr als ich, nicht nur über diese Welt und ihre Sitten, sondern auch über die Kunst, Männer zu befriedigen. Ich kam gerade erst aus dem Pferch, und die Ausbildung, der Lernprozess geht nie zu Ende, wie man uns zu verstehen gegeben hatte. Zur Perfektion gelangen wir also nie, und die Männer unterscheiden sich erheblich voneinander!
Ich fürchtete die anderen Frauen nicht, denn ich war mir sicher, mithalten zu können.
Im Pferch war ich sehr beliebt gewesen.
Sollten meine Schwestern ruhig neidisch auf mich sein! Während der Lehre hatte ich wahrlich einen Eindruck vom Futterneid erhalten, aber es war mir egal. Wurde ich eben verachtet! Hatten sie mich nicht unterstützt, durften sie auch keine Hilfe von mir erwarten. Behielten sie ihre Geheimnisse für sich, legte auch ich keine offen, es sei denn, wir feilschten und verhandelten darüber. Man sieht, solche Überlegungen sollten Frauen wie wir durchaus anstellen. Mitunter sorgen wir deshalb für Heiterkeit unter den Männern. Was sind sie doch für Tiere!
Auf dieser Welt kam ich nicht umhin, mich unheilbar, unaussprechlich und tiefgehend feminin zu fühlen. Auf Erden war ich mir meines Geschlechts sowie dessen Wichtigkeit, Wunder und Zierde nie so bewusst gewesen. Es war besonders, rühmlich und zart, anders als das maskuline. Zum ersten Mal in meinem Leben, und erst auf diesem Planeten, freute ich mich, eine Frau zu sein. Vergessen nun, dass das grundlegende Faktum meiner Existenz absurder- und fälschlicherweise als irrelevant verdrängt worden war; aufgehoben, der kulturell geprägte Wahnsinn, unechte Identitäten vorzutäuschen. Hier zelebrierte ich mein Anderssein im Vergleich zum Mann und akzeptierte erstmals voller Ausgelassenheit, was ich war.
Ich hielt mich an den Stäben fest.
Oh, die anderen Frauen sollten nur kommen. Ich sagte ihnen den Kampf an – um Sympathien, um Aufmerksamkeit und Geschenke wie die ruppige Liebkosung einer Männerhand oder einen Happen zu essen, den man uns zuwerfen mochte, wenn wir neben einer Tafel angekettet waren wie manchmal während der Ausbildung, als die Wachen geschlemmt hatten. Ich nehme es mit jeder auf! Ich war beliebt! Ich fürchtete niemanden! Dann dachte ich wieder an Sandra, Jean, Priscilla und Sally. Sie waren hübsch, sie würden Geld einbringen, wenn man sie versteigern würde. Was würde passieren, wenn wir uns im selben Haus wiedertrafen? Ich malte es mir aus, wie ich es schon einmal getan hatte.
Wir wären allesamt Sklavinnen. In einer solchen Lage, in Seidengewändern mit Eisenhalsreif und dergleichen würden wir uns schnell anfeinden, selbst wir, die einst miteinander befreundet gewesen waren. Zuvor hatte es ja keinen Mann gegeben, der Zwietracht säen, oder Keile zwischen uns treiben konnte, doch hier war dies der Fall, und der betreffende Mann gehörte wohl der Sorte an, die typisch für Gor war! Dann würden zwischen uns die Fetzen fliegen! Jede von uns würde sich darum bemühen, sein Liebling zu werden. Wir würden um seine Aufmerksamkeit heischen, Berührungen einfordern und uns an den Fuß seines Bettes ketten lassen! Wie eifersüchtig und wütend wir aufeinander werden mussten! Ja, bald hassten wir uns vielleicht sogar! Beklommen und wachsam mochten wir auf Knien warten, bis man einer von uns für die Nacht einen Ring anlegte und sie in die Quartiere des Rechtsinhabers schickte. Daraufhin konnten wir uns nur zornig auf unseren Matten unter den Decken wälzen und auf eine benachbarte Bettstatt schauen, die leer war.
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