Im Lager meines Fängers waren die Regeln allerdings einfacher. Der Schiedsrichter hob seine Peitsche hoch und rief ein Wort, das »Beute« bedeutet, wie man mir später sagte. Es gilt als Zeichen dafür, dass der Kampf beginnt und das Mädchen von nun an bereit ist, gefangen zu werden.
Im gleichen Augenblick, in dem er das Startsignal gab, holte er mit der Rute aus und versetzte Eta einen kurzen, aber wuchtigen Schlag ins Kreuz, weshalb sie aufschrie und sowohl dadurch als auch durch ihre klirrenden Glöckchen ihre Position preisgab, bevor sie sich in Bewegung setzte. Die Männer strebten nach dem Geräusch, und Eta blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Sie beugte sich nach vorne, weil ihre Arme am Rücken verschränkt waren. Ob die schlanke, biegsame Waffe zur Züchtigung im Verlauf des Spiels häufig benutzt wird, hängt vor allem davon ab, wie geschickt sich das Mädchen anstellt. Es muss sich den Regeln gemäß mindestens einmal alle fünf Ihn bewegen, was etwas weniger als fünf Sekunden entspricht. Tut sie dies nicht, vielleicht weil sie sich ziert oder verzählt hat, zeigt der Schiedsrichter den Wettkämpfern rasch und exakt mit der Rute, wo sie sich aufhält. Kurz bevor die fünf Ihn für Eta verstrichen waren, preschte sie mit bimmelnden Glöckchen zu einer anderen Stelle. Der Schiedsrichter ermahnte die Männer im strengen Tonfall; die männlichen Teilnehmer dürfen ihre Identität nicht offenlegen. Dies könnte nämlich das Verhalten des Mädchens beeinflussen, etwa weil es von einem bestimmten Mann gefasst werden möchte, und sich auf unlautere Weise auf den Ausgang der Partie auswirken. Müßig zu erwähnen, dass sich die junge Frau als exzellente Beute erweisen muss. Andernfalls, wenn sie in ihrer Leistung enttäuscht, weil sie sich zu schnell fangen lässt, fesselt man ihr die Hände über dem Kopf und peitscht sie aus. Dies zu tun wird natürlich selten notwendig. Sklavinnen brüsten sich mit ihrer Wendigkeit beim Ausweichen während des Fangspiels; sie bemühen sich mit jeder Faser ihres zierlichen Körpers, gewieftes Jagdgut zu sein, das sich nicht ohne Weiteres fangen lässt; voller Begeisterung versuchen sie, ihren Gegnern zu entwischen, und nehmen doch verzückt zur Kenntnis, dass sich ihre Erfassung und Fesselung, da sie Glöckchen tragen, nicht vermeiden lässt.
Eta beherrschte das Spiel gut, die Mannschaft allerdings auch. Daraus schlussfolgerte ich, dass sie schon oft so gejagt worden war, und zwar eben von genau diesen Männern im Lager.
Zweimal musste der Schiedsrichter der Schönheit mit seiner Rute Beine machen.
Irgendwann schien sie endlich nicht mehr zu wissen, wohin sie sich wenden sollte. Die Männer um sie herum schwiegen. Sie rannte blindlings los – und direkt in die Arme des jungen blonden Riesen. Mit einem wonnigen Schrei packte er sie und warf sie ins Gras, wo er sie festhielt. Sie war gefangen.
Der Schiedsrichter rief ein anderes Wort, das man mir später als »gefasst« übersetzte, und klopfte dem Fänger auf die Schulter. Die übrigen Männer traten zurück. Dann musste ich mit ansehen, wie Eta, gefesselt und verschleiert mit den Glöckchen am Leib, direkt vor mir auf der Wiese benutzt wurde.
Als der junge Mann fertig mit ihr war, stand er auf, löste den Knoten unter seinem Kinn und entledigte sich der Haube. Die anderen hoben ihre Becher für ihn, jubelten und schlugen ihm auf den Rücken. Er strahlte; er hatte gewonnen. Nachdem er auf seinen Platz zurückgekehrt war, wechselte Geld seinen Besitzer. Eta lag seitlich im Gras.
Sie wirkte ganz klein dort mit dem Tuch über dem Kopf, ihren Fesseln und den Glöckchen. Niemand außer mir schenkte ihr Beachtung. Meine arme Schwester, sie tat mir fürchterlich leid ... und gleichzeitig beneidete ich sie dafür, dass sie Vergnügen schenken durfte.
Binnen weniger Augenblicke erschien der Schiedsrichter wieder und zog sie an den Armen hoch. Sie blieb schwankend und zitternd stehen, sodass die Schellen klingelten. Erneut rief er das Wort, das sich als »Beute« übersetzen lässt, und trieb sie abermals mit der Peitsche an. Die Männer fingen aufs Neue an, sie zu suchen. Nun ging es um den zweiten Platz. In dieser Runde lief sie weniger eifrig, schlug sich aber vielleicht auch im Hinblick darauf, dass nur noch vier Mann teilnahmen, insgesamt sehr beachtlich. Es dauerte zwei, drei Minuten, bis sie gefasst wurde und zu meiner Bestürzung noch einmal die Schmach der Gefangenen über sich ergehen lassen musste. Freudig und erbarmungslos verfuhr ihr zweiter Fänger mit ihr, wobei seine Kühnheit und schlichte körperliche Inbesitznahme der Leistung des ersten kaum in etwas nachstand. Sie tat mir sehr leid, und doch war ich insgeheim unglaublich neidisch auf sie. Ich schaute weiter zu, bis man auch den dritten und vierten Platz bestimmt hatte. Nachdem der fünfte Mann seine Haube abgenommen hatte, wurde er zur Zielscheibe für nicht wenig gut gemeinten Spott und musste sich herumschubsen lassen. Er war leer ausgegangen und kam deshalb nicht in den Genuss der mit Glöckchen bestückten Grazie.
Der Schiedsrichter nahm Eta das Tuch vom Kopf, und sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar und atmete tief die nächtliche frische Luft ein. Sie hatte ein rotes Gesicht bekommen, ihre Züge waren entspannt, denn sie strahlte vor Wonne. Eigenartigerweise wirkte sie aber auch schüchtern. Sie hockte im Gras und nahm die Riemen mit den Glöckchen ab. Als sie an ihrem rechten Fußgelenk nestelte, schaute sie zu mir herüber. Verärgert erwiderte ich ihren Blick.
Da lächelte sie leicht. Nachdem sie die letzten Glöckchen entfernt hatte, brach sie jedoch in lautes Gelächter aus, kam zu mir und küsste mich.
Ich konnte sie gar nicht ansehen.
Dann ging sie wieder, um den braunen Fetzen aufzuheben, den ihr der Schiedsrichter vor Beginn des Spiels entrissen hatte. Sie dachte nicht daran, ihn wieder anzuziehen, sondern hielt ihn nur locker in der Hand, während sie zu meinem Fänger ging. Sie legte sich vor ihn und ihr Blick, als sie mich ansah, war jener einer Frau, die genau weiß, wie hübsch und über alle Maßen begehrenswert sie ist, dass sie der Gnade der Männer unterliegt und ausgiebig für deren Gelüste herhalten muss, weil sie es so wünschen.
Ich war böse auf sie und missgönnte es ihr, denn sie hatte mir zu verstehen gegeben, ich sei ein naives Ding.
Nun war es dunkel.
Der etwa vier Fuß über dem Boden umgeknickte Baum im Lager, dessen weißer Stamm sich schräg nach unten neigte, befand sich ganz in der Nähe.
Ich sah, dass Etas Braten mittlerweile gar war. Zwei Männer hatten das aufgespießte heiße Fleisch heruntergenommen und zum Schneiden ins Gras gelegt. Ich freute mich auf die bevorstehende Mahlzeit, achtete aber weiter auf die Pfanne. Die Kohlen glommen im Dunkeln.
Zwei Männer kamen zu mir und blieben vor mir stehen. Erschrocken schaute ich auf. Sie zogen mich an den Armen hoch und führten mich zu dem umgestürzten Baum. Dort legten sie mich mit dem Kopf nach unten rücklings auf den weißen Stamm. Ich starrte sie mit großen Augen an. Nachdem sie mir die Hände vor dem Körper gefesselt hatten, zogen sie sie über meinen Kopf. Sie wurden auf der Höhe meines Genicks am Stamm festgemacht, wo ich sie nicht mehr sah. Dann streckte man mich aus und zog meine Beine jeweils an die Seiten des Baums. Ich wehrte mich, während mir das Blut zu Kopf stieg und meine Beine in die Höhe ragten. »Stopp!«, schrie ich.
Man legte mir Stricke um den Hals, den Bauch und beide Beine, dort jeweils über dem Knie und am Knöchel. Sie wurden fest verschnürt. »Stopp!«, bettelte ich. »Bitte hört auf!« Ich konnte mich fast nicht mehr bewegen. So war ich vollkommen wehrlos. »Was habt ihr vor?«, wimmerte ich. »Oh nein! Nein!«
Mein Häscher war zur Kohlenpfanne gegangen und hatte das weißglühende Eisen mit einem Lederhandschuh herausgezogen. Ich spürte die Hitze selbst aus der Entfernung von mehreren Fuß.
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