Dann waren die Frauen auf der Plattform, weitere Fackeln und die Männer vorbeigezogen. Die zweite Plattform war ebenso wertvoll mit Truhen und Kisten beladen, gleichsam bunt und verstärkt durch Messing und Ketten. Auf manchen lagen edle Tücher, die im Flammenschein glänzten. Ich hielt den Auflauf für eine Hochzeitsprozession, deshalb vermutete ich, dass man auf dieser zweiten Plattform teure Geschenke und vielleicht die Mitgift der Braut oder kostbare Zugaben trug, die sie mit in die Ehe brachte, entweder für ihren Gatten oder dessen Eltern.
Der Wagen, der kurz vor der Nachhut fuhr und der von trottenden, Rindern ähnelnden Tieren gezogen wurde, enthielt die Vorräte dieser Leute, wie ich vermutete. Ihr Weg war demnach wohl sehr weit. Die Braut und ihre Jungfern – zumindest hielt ich sie dafür – reisten sicherlich noch lange weiter.
Dann verschwanden die Männer mit ihren Fackeln zwischen den Bäumen in der Ferne.
Sie waren verschwunden!
Der Fremde nahm mir die Hand vom Mund und ließ mich los. Sein Messer stach mir nicht mehr in den Hals. Mir wurden die Knie weich, sodass ich fast hinfiel. Nachdem er die Waffe eingesteckt hatte, drehte er mich an den Armen um, damit ich ihn anschaute. Dabei drückte er auch mein Kinn hoch, doch ich begegnete seinem Blick nur kurz, bevor ich den Kopf wieder neigte. Er wusste, dass ich hatte schreien wollen, um unsere Position zu offenbaren, aber es war mir nicht gelungen.
Ich zitterte vor Schrecken, da ich befürchtete, er werde mich jetzt töten. Also fiel ich vor ihm auf die Knie, senkte den Kopf und – obwohl ich ein Mädchen von der Erde war – hielt seine Stiefelsandale zärtlich fest, um ihm voller Beklommenheit den Fuß zu küssen.
Richtig, ich drückte ihm die Lippen auf, als sei ich bloß eine hübsche, nackte, schuldbewusste, scheue Sklavin!
Wie normal, wie stimmig und notwendig erschien mir dieser Akt furchtsamer, selbstloser Hörigkeit unter solchen Umständen!
Ich hätte gern gewusst, ob überhaupt irgendeiner Frau von der Erde in der Gewalt eines solchen Mannes und in einer solchen Welt etwas anderes eingefallen wäre.
Er drehte mich wieder um und trat aus dem Wald, woraufhin ich mich beeilte, ihm zu folgen.
Er hatte mich nicht erschlagen; er hatte mich nicht an einen Baum gebunden, damit ich von einem Sleen gefressen wurde; ja, nicht einmal halb tot hatte er mich gepeitscht.
Ich lief ihm weiter hinterher.
Meine Gedanken rasten. Wie schnell und naturgemäß ich vor ihm niedergefallen war, verwirrte und beschämte mich, obwohl ich auf einer anderen Ebene wusste, ohne es mir gern einzugestehen, dass ich es auf unbegreifliche, nicht zu ergründende Weise als ganz wunderbar empfunden hatte.
Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass es solche Männer gibt.
Dann jedoch dachte ich mir: Jetzt weißt du, wie du mit solchen Männern umgehen musst. Du brauchst bloß seiner Eitelkeit zu schmeicheln, dich mit Gesten gefällig zu zeigen. Ich hielt mich für gerissen, ihn hingegen für einen Narren, weil er sich nach Strich und Faden von einem Mädchen bezirzen ließ. Seinerzeit begriff ich weder wie außerordentlich milde er mich behandelte noch dass der Geduld eines solchen Mannes Grenzen gesetzt sind. Darüber aufgeklärt werden sollte ich allerdings innerhalb kürzester Zeit.
Ich war ein ignorantes, närrisches Kind. Beides – Unwissen und Torheit – gestattete man einem Mädchen, wie ich es war, auf Gor nicht lange, wie ich bald erfahren sollte.
Voller Zorn schürte ich das Feuer in der Pfanne, indem ich den Kohlen Luft zufächelte. Funken stoben aus den Flammen, die von Eisenbändern begrenzt wurden, und versengten meine Haut.
Eta stolzierte an mir vorbei. Ich hasste sie. Ihr Haar war dunkel, ihre Schönheit unbeschreiblich. Die Mähne reichte ihr bis zur Taille. Ihr hatte man Kleider gegeben, mir nicht. Ich neidete ihr den bloßen Fetzen aus braunem Tuch ohne Ärmel, so kurz er auch war und obwohl er so weit an ihren Hüften gerafft war, dass er sie nur unzureichend bedeckte. Zwei Haken hielten ihn fest, die man aber schnell zerbrechen oder abreißen konnte.
Auf einer Seite saß ein Mann, der einem starken alkoholischen Gebräu namens Paga zusprach. Anderswo lagen übereinander mehrere Speere, und Schilde standen überall an den Felswänden ringsum, in deren Schutz wir uns befanden. Es handelte sich um ein bewaldetes Tal, wie es viele in dieser Gegend gab. Ein schmaler Bach, nicht der einzige in der Umgebung, plätscherte durch das Lager. Ausgehend von unserer Position wurden ungefähr zwei Drittel des Areals von den hochragenden Seiten der Schlucht eingegrenzt. Das übrige Drittel hielt ein geschnittener Wall aus dichten Dornbüschen unter Verschluss, rund acht Fuß hoch und zehn tief, sodass uns kein Tier nahekommen konnte. Im Lager selbst und an den Rändern standen mehrere Bäume, einige davon recht hoch. Folglich konnte man aus der Luft kaum etwas von uns sehen – vom Boden ebenso wenig, außer man stolperte zufällig über uns, wenn man den Weg durch diese enge Schlucht wählte statt verschiedener anderer in der Nähe. Mein Fänger und ich waren nach einem etwa viertägigen Marsch hier eingetroffen. Währenddessen hatte er nicht mit mir gesprochen, und ich war ihm in jener Haltung beziehungsweise dem Abstand gefolgt, den er mir auferlegt hatte. Ich war sehr erleichtert darüber, dass er sich mir nicht eingehend widmen und mich als Weib in Gebrauch nehmen wollte. Zugleich aber war ich auch schmollend und von Tag zu Tag wütender hinterhergelaufen. Gefiel ich ihm denn nicht? Ich wusste durchaus um mein Glück, denn wenngleich ich mich vollständig in seiner Gewalt befand, so hatte er seinen Vorteil nicht genutzt und seine Gelegenheiten nicht ausgeschöpft. Das freute mich sehr ... und verdross mich gleichzeitig! Allmählich hatte ich begonnen, ihn zu verachten. Er wollte mir nichts zu essen geben, außer ich kniete vor ihm und ließ mich füttern; auf ähnliche Weise bekam ich zu trinken, außer dass er mir manchmal, wenn wir an ein Gewässer kamen, befohlen hatte, mich bäuchlings auf die Kiesel zu legen. Dann trank ich für gewöhnlich, ohne die Hände zu benutzen, während er mein Haar festhielt. Hielt er mich nicht in seiner Gewalt – so sehr, dass ich vielleicht sogar gewissermaßen auf eine Weise, über die ich kaum weiter spekulieren wollte, »sein« war? Fand er mich körperlich nicht anziehend? Warum hatte er mich nicht dazu gezwungen, ihm wie eine Frau zu dienen? Ich unterlag ihm auf das Strengste, doch wenn ich mich offensichtlich nach seiner Berührung verzehrte, wandte er sich ab; nicht einmal mit Blicken bedachte er mich dann. Ich hasste ihn! Ich hasste ihn so sehr! Die letzten beiden Tage unseres Marsches hatten wir vorwiegend bei Tageslicht zurückgelegt, wobei mir wieder erlaubt worden war, seinen Schild zu tragen. Folglich, so räsonierte ich, lag das Gebiet hinter uns, in dem man ihm unverhohlen feindlich gesinnt war. Dass dieses Lager geschützt und auf diese Weise aufgeschlagen worden war, fasste ich als gewöhnliches Verfahren unter Männern wie ihm und denjenigen auf, die ihnen dienten. Leute von seinem Schlag errichteten selten offene Lager, selbst wenn sie in kleinen Gruppen und in ihrem eigenen Land reisten.
Wieso hatte er mich nicht benutzt? Ich hasste ihn!
Ich fachte die Kohlen in der Pfanne mit einem steifen Stück Leder an. Ein Schürhaken ragte aus dem Feuer.
Eta ging wieder an mir vorbei, dieses Mal mit einer Fleischkeule auf der Schulter und Fett davon in ihrem Haar. Sie war ein Energiebündel, barfuß und braun gebrannt. In dem knappen Lumpen, den sie trug, machte sie eine vortreffliche Figur. Ihr Schmuck beschränkte sich einzig auf einen robusten Halsreif aus Stahl, der eng, aber nicht unansehnlich war und eigentlich recht passgenau anlag. Dieses sinnliche, feurig dreinschauende Mädchen hatte lange Beine und gehörte gewiss zu jenen Frauen, von denen Männer auf Erden vor lauter Angst nicht einmal zu träumen wagten. Nichtsdestotrotz schien es ihr zu gefallen, den Mächtigen auf Gor zu Füßen zu liegen, die ohne Bedenken entsprechend mit ihr verfuhren und ihr sehr viel, wenn nicht sogar alles abtrotzen konnten.
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