1 ...8 9 10 12 13 14 ...38 Kurz darauf hob er mich hoch, setzte mich hin und hielt mir die linke Hand an den Rücken, um mich zu stützen, damit er mir den Trinkzapfen des Schlauchs in den Mund stecken konnte. Ich saugte gierig daran, und er versorgte mich hinreichend mit Wasser. Danach legte ich mich wieder auf die Seite, doch er nahm mich so leicht in seine Arme, dass ich erschrak, und trug mich zu einem Baum. Als er meinen rechten Knöchel an den Stamm band, überwältigte mich die Erschöpfung trotz meiner Fesseln, und ich schlief wieder ein.
Mir kam es so vor, als ob ich in meinem eigenen Bett läge. Ich streckte mich in der wohligen Wärme aus, aber dann wachte ich ruckartig auf. Ich lag auf einem wunderlichen Planeten im Dickicht. Es war warm, denn die Sonne stand hoch am Himmel und fiel zwischen den Ästen der Bäume ein. Ich schaute auf meine Handgelenke. Sie waren nicht mehr gefesselt, aber rundum gezeichnet von den tiefen Schnitten der Lederriemen, die sie jüngst umschlossen hatten. Ich rieb daran und sah mich um. Mein rechter Knöchel war mit einem kurzen Stück aus schwarzem Leder an einem kleinen Baum mit weißer Rinde festgebunden. Auf Knien stemmte ich mich mit den Händen hoch, bis mein Rücken den Baum berührte. Ich war noch nackt, lehnte mich gegen den Stamm und zog die Beine an, um das Kinn auf meine Knie zu stützen, die ich mit beiden Händen umfasste. So beobachtete ich den Mann, der wenige Fuß vor mir im Schneidersitz hockte. Er trug gerade eine dünne Schicht Öl auf die Klinge seines Schwertes auf.
Er reagierte nicht auf meinen Blick, wohl, weil er sich zur Gänze in seine Arbeit vertiefte. Obwohl er bemerkt haben musste, dass ich wach und aktiv geworden war, schaute er mich nicht an. Das ärgerte mich. Ich war es nicht gewohnt, mit Nichtbeachtung gestraft zu werden, insbesondere von Männern. Sie zeigten sich mir gegenüber von jeher sehr gewogen und schlugen mir kaum einen Wunsch ab.
Ich begriff noch nicht, dass es auf dieser Welt uns oblag, ihnen zu gefallen und gehorsam auszuführen, was auch immer sie vorsahen.
Ich beobachtete ihn weiter. Er war nicht unattraktiv. Ich überlegte, ob es möglich sei, eine tiefsinnige Beziehung zu ihm aufzubauen, aber dazu musste er natürlich erst lernen, mich als Frau zu achten.
Als er mit Öl und Schwert fertig war, wischte er die Klinge mit einem Tuch ab, sodass nur ein gleichmäßig dünner Film darauf zurückblieb. Den Stoff verstaute er zusammen mit dem Öl, das er in einem Fläschchen dabei hatte, in seiner Tasche. Die Hände wischte er sich im Gras und an seiner Tunika ab. Dann steckte er das Schwert zurück in die Scheide.
Endlich schaute er zu mir auf.
Ich lächelte ihn an, denn ich wollte Freundschaft mit ihm schließen. Er klopfte sich auf den rechten Fußknochen, zeigte darauf und ermutigte mich zum Näherkommen.
Ich neigte mich nach vorne, um das dunkle Leder zu lösen, mit dem er mich an den weißen Baum gebunden hatte. Erst wollte ich den Knoten an meinem Knöchel öffnen, doch ein lautes Wort und eine Geste seinerseits gaben mir zu verstehen, dass ich zunächst die Schlinge um den Stamm des Bäumchens lösen musste. Zweifellos hielt er mich für dämlich. Wusste nicht jedes Mädchen, dass es die Fesseln an seinem eigenen Leib zuallerletzt entfernen durfte? Ich stammte aber doch von der Erde und verstand nichts von solcherlei Dingen. Ich tat mich schwer mit meinen zierlichen, schwachen Fingern und den Knoten. Weil ich befürchtete, es dauere zu lange, strengte ich mich umso mehr an und geriet ins Schwitzen, aber er bewies Geduld. Ihm war klar, dass eine wie ich die Knoten, die er geschlagen hatte, nicht einfach so öffnen konnte.
Zuletzt ging ich zu ihm und reichte ihm das biegsame Leder mit der linken Hand. Er verstaute es ebenfalls in der Tasche und bedeutete mir, rechts vor ihm Position zu beziehen. Dort kniete ich nieder und lächelte ihn erneut an. Er sprach mit scharfen, harten Worten, woraufhin ich mich umgehend so verhielt, wie ich es am Vortag gelernt hatte, was mir ja auch klar und unzweifelhaft nahegelegt worden war: auf den Fersen hockend, das Kreuz durchgedrückt und die Hände auf den Oberschenkeln, Kopf hoch und Beine weit auseinander. Daraufhin wirkte er zufrieden.
Wie sollte ich ihm näherkommen, solange ich auf diese Art vor ihm kniete? Wie konnte ich ihn dazu bringen, mich als Mensch zu respektieren, wenn ich in dieser Haltung Begierden weckte? Was konnte ich tun, indem ich so vor ihm kniete – so hübsch und klein, so bloß und verletzbar, so auf mich selbst zurückgeworfen und ganz sein – damit er mich als gleichberechtigt akzeptierte?
Ich beugte mich nach vorne und nahm ihm mit den Zähnen ein Stück Fleisch aus der Hand. Er ließ nicht zu, dass ich es mit meinen Händen anfasste.
Wie würdelos ich mich fühlte ... In seiner Welt wurde mir sogar verboten, selbstständig zu essen! Als ich etwas Fleisch verzehrt hatte, gab er mir wieder Wasser aus dem Schlauch zu trinken. Er musste lernen, dass wir uns auf Augenhöhe befanden und dass ich eine Person wie er war. Ich fasste den Entschluss, es ihm zu beizubringen. Also gab ich die Haltung, die er mir auferlegt hatte, einfach auf, setzte mich mit angezogenen Knien vor ihm ins Gras und strahlte ihn an.
»Ich weiß, dass Sie meine Sprache genauso wenig verstehen wie ich Ihre, aber dennoch ahnen Sie vielleicht anhand meiner Stimme oder durch ihren Tonfall etwas von meinen Gefühlen. Gestern haben Sie mir das Leben gerettet. Sie haben mich vor einer großen Gefahr bewahrt, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«
Ich glaubte, mir würde der Kopf vom Hals gerissen, so schnell und heftig traf mich sein Schlag! Er versetzte ihn mir mit der flachen Hand auf die linke Wange, sodass man es bestimmt in einem Umkreis von hundertfünfzig Yards klatschen hörte. Schmerzlich getroffen rollte und krabbelte ich über zwanzig Fuß weit fort; ich übergab mich ins Gras. Ich konnte nichts mehr sehen … nur noch Schwärze, dann schienen sich grelle, samtige, tiefrote Lichter und Sterne aufzutun, zusammenzuziehen und wieder aufzublähen, bevor sie in meinem Kopf explodierten; ich schüttelte ihn erneut und erbrach mich wieder auf den Boden. Dann sackte ich seitwärts auf den Bauch.
Ich vernahm ein Wort, anscheinend einen Befehl. Ich erkannte es, weil ich es bereits zuvor gehört hatte. Deshalb nahm ich rasch jene Haltung an, die aufzugeben ich gewagt hatte, und kniete wieder, jetzt allerdings in einer Agonie des Schreckens, vor diesem seltsamen, mächtigen Mann, der breitbeinig mit verschränkten Armen vor mir stand.
Blut floss aus meinem Mund; ich hatte sogar etwas davon heruntergeschluckt. Allmählich sah ich wieder klar. Ich konnte kaum fassen, wie heftig mein Herz klopfte. Er hatte mir eine Ohrfeige verpasst! Wie unter Schock kniete ich da. Zu jener Zeit ahnte ich noch nicht, wie gering die Strafe in Anbetracht der Schwere meines Vergehens ausgefallen war. Ich hatte sowohl ohne seine Erlaubnis gesprochen als auch meine Haltung aufgegeben. Einfach gesagt handelte es sich um die Verärgerung eines freien Mannes.
Hätte ich den Planeten gekannt, auf dem ich kniete, wäre ich heilfroh gewesen, nicht ausgepeitscht worden zu sein! Wie mir später klar wurde, ließ man mir anfangs manches durchgehen, mit dem ich nicht so glimpflich davongekommen wäre, hätte ich die Welt, in welcher ich mich wiedergefunden hatte, besser verstanden. Später würde man nicht mehr so nachsichtig mit mir sein.
Ich kniete nun wieder vor dem Mann. Er ragte breitbeinig mit verschränkten Armen vor mir auf und schaute auf mich herab. In diesem Moment rannen all meine Illusionen gemeinsam mit dem Blut aus meinem Mund dahin. Ich betrog mich nicht mehr selbst, indem ich mir sagte, dass ich ihm gegenüber gleichberechtigt sei. Dass diese Annahme eine Farce war, wurde nun offensichtlich. Die Erbärmlichkeit dieser Vorspieglung verblasste angesichts der schlichten, unanfechtbaren biologischen Wirklichkeit, die er mir eindrücklich vermittelt hatte und im Licht der kompromisslosen männlichen Überlegenheit, die er mir, einer Frau, zu zeigen geneigt war. Wie schön, so dachte ich, mussten Frauen den Männern Vorkommen, wenn sie ihnen zu Füßen lagen. Ich stellte mir die ängstliche Frage, ob wir genau dorthin oder zumindest vor die Füße solcher Männer gehörten, und ob es der Ordnung der Natur entsprach. Das Prinzip von Dominanz und Unterwerfung, ein Gesetz des Tierreichs und universell unter Primaten, fiel mir ein. Nie zuvor war mir die Bedeutung dieser zwei Worte so deutlich und umfassend bewusst gewesen. Ich schaute zu ihm auf. Ich fürchtete mich. Meine Welt hatte, wie ich wusste, entschieden, die Biologie zu leugnen und zu untergraben. Diese Welt hier augenscheinlich nicht. Ich kniete entsetzt vor ihm und fühlte mich ausgeliefert.
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