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Nach § 831wird unabhängig von einem bestehenden (vertraglichen) Schuldverhältnis für die unerlaubte Schadenszufügung durch einen Verrichtungsgehilfen deliktischgehaftet[2]. Allerdings tritt diese Haftung lediglich dann ein, wenn der Geschäftsherr die ihm obliegende Pflicht zur sorgfältigen Auswahl bzw. Überwachung des Gehilfen sowie zur Ausstattung mit Vorrichtungen und Gerätschaften verletzt hat.
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Daneben gibt es auch hinsichtlich der Verjährungteilweise Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Die Verjährung berechtigt den Schuldner, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1). Die regelmäßige Frist für den Eintritt der Verjährung beträgt 3 Jahre (§ 195). Bei vertraglichen Ansprüchen ist der Beginn der Verjährungsfrist teilweise speziell (von § 199 abweichend) geregelt[3].
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Auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfristkann es Unterschiede geben. Nach § 199 Abs. 1 beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners vorliegt. In § 199 Abs. 2–5 sind abweichende Regelungen getroffen, wobei es hier nichtdarauf ankommt, ob es um einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch geht, sondern um den Anspruchsinhalt (Schadensersatz) sowie die Rechtsgutverletzung.
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Einige vertragliche Schuldverhältnisse gehen mit einer Haftungsmilderung, d.h. einer geringeren Haftung als sie in § 276 Abs. 1 S. 1 vorgesehen ist, einher. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um einen unentgeltlich Handelnden[4]. Auch bei Verzug des Gläubigers haftet der Schuldner gemildert, d.h. nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 300 Abs. 1). Das Deliktsrecht nimmt dagegen keine Rücksicht darauf, ob entgeltlich oder unentgeltlich gehandelt wurde. Fraglich ist aber, ob sich die (vertragliche) Haftungsmilderung auch auf einen Anspruch aus einer anderen Anspruchsgrundlage erstrecken kann[5].
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Ein Unterschied besteht auch hinsichtlich der Beweislast. Für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung sieht § 280 Abs. 1 S. 2 eine Beweislastumkehr vor[6]. Der Gläubiger, der grundsätzlich die für ihn günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, hat damit lediglich Beweis über die Pflichtverletzung, den Schaden sowie die Kausalität zu erbringen. Hinsichtlich des Verschuldens hat wiederum der Schuldner zu beweisen, dass die Pflichtverletzung nicht von ihm zu vertreten ist. Dagegen kennt das Deliktsrecht keine Verschuldensvermutung, sondern der Geschädigte muss das Verschulden des Schädigers (Schuldner) nachweisen. Lediglich im Einzelfall, nämlich in den §§ 831–838 sowie in § 18 StVG wird von einem vermuteten Verschulden ausgegangen, d.h. der Schädiger muss sich entlasten. Zudem sieht die Rechtsprechung bei der deliktischen Produkthaftung bzw. Produzentenhaftung teilweise eine Umkehr der Beweislast vor[7].
II. Wechselwirkungen zwischen den Ansprüchen
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Grundsätzlich besteht nach h.M. Anspruchskonkurrenz, d.h. es können mehrere Ansprüche nebeneinander bestehen (z.B. solche aus Vertrag neben solchen aus § 823 Abs. 1)[8]. Jeder von ihnen folgt seinen eigenen Regeln, was die Voraussetzungen, die Rechtsfolgen, die Verjährung, den Anspruchsumfang, die Beweislast, die Gehilfenhaftung usw. anbelangt. Die konkurrierenden Ansprüche sind also grundsätzlich unabhängig voneinander zu prüfen.
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Anerkannt ist jedoch, dass in bestimmten Fällen diese Unabhängigkeit nicht besteht, d.h. eine Eigenschaft eines Anspruchsauf einen anderen Anspruch fortwirkenkann. Das wird bejaht, wenn der Normzweck der Ansprüche einer unterschiedlichen Behandlung entgegensteht. Wenn es also der Zweck der ein Schuldnerprivileg enthaltenden Norm erfordert, wird dieses Privileg auf einen konkurrierenden Anspruch erstreckt. Wechselwirkungen kann es v.a. bei vertraglichen und deliktischen Ansprüchen sowie bei Ansprüchen aus GoA und Delikt geben. Diese Fortwirkung kann insbesondere bei Haftungsmilderungen, bei der Verjährung sowie bei einer Freizeichnung eine Rolle spielen.
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Für bestimmte Fälle sieht das Gesetz eine Haftungsmilderungfür die Vertragshaftung vor, indem nur für Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder eigenübliche Sorgfalt gehaftet wird. Nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wird z.B. nach § 521 (Haftung des Schenkers) gehaftet[9]. Eine Haftung nur für diejenige Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten angewendet zu werden pflegt, findet sich etwa beim unentgeltlichen Verwahrer (§ 690), beim Gesellschafter (§ 708) und beim Ehegatten (§ 1359) usw. Dann kann nicht für dieselbe Handlung nach Deliktsrecht eine strengere Haftung eintreten, sondern die Privilegierung wirkt auch hier[10].
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Das soll Fall 1verdeutlichen: S fährt mit seinem Pkw und übersieht dabei fahrlässig den vorfahrtberechtigten Autofahrer A. Bei dem Zusammenstoß wird A verletzt und bleibt bewusstlos im Auto liegen. S begeht Fahrerflucht. Als der Dritte D an die Unfallstelle kommt, kümmert er sich um A. Dabei behandelt er den A leicht fahrlässig falsch, sodass sich dessen Verletzung verschlimmert. A verlangt von D Ersatz des daraus entstandenen zusätzlichen Schadens. Zu Recht?
1. A könnte als Geschäftsherr gegen D einen Ersatzanspruch aus GoA (§§ 677, 280 Abs. 1)haben[11]. Allerdings haftet D nach dem Haftungsprivileg des § 680(Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr)[12] nicht für leichte Fahrlässigkeit, weil sein uneigennütziges Handeln eine dem A drohende dringende Gefahr abwenden sollte. Da D weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat, haftet er nicht aus GoA[13].
2. A könnte gegen D einen Anspruch aus § 823 Abs. 1wegen Körperverletzung haben. D hat den Körper des A (zusätzlich) verletzt. Das Ganze geschah kausal und rechtswidrig. Da der deliktsrechtliche Anspruch grundsätzlich unabhängig vom Anspruch aus GoA zu prüfen ist und eine dem § 680 entsprechende Einschränkungder Haftung im Deliktsrecht nicht existiert, müsste D dem A aufgrund leicht fahrlässigen Verhaltens aus § 823 Abs. 1 haften. Nach Sinn und Zweck des § 680 ist diese Norm jedoch ausnahmsweise auch auf den deliktsrechtlichen Anspruch anzuwenden. Denn § 680 soll zur Hilfeleistung bei dringenden Gefahren ermutigen, indem das Haftungsrisiko des Geschäftsführers gemindert, dieser also privilegiert wird. Der Zweck dieser Norm wird konterkariert, wenn der Helfende zwar nicht aus GoA, aber aus einem konkurrierenden Deliktsanspruch haften soll. Daher ist das Haftungsprivileg des § 680 als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf den konkurrierenden Deliktsanspruchzu übertragen, d.h. § 680 wird analog angewendet[14].
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Eine Erstreckung auf andere Ansprüche kann auch bei einer kurzen vertraglichen Verjährungsfristin Betracht kommen. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verjährungsregelung den Zweck hat, im Interesse einer schnellen Vertragsabwicklung für abschließende Klarheit zu sorgen, z.B. bei § 548 Abs. 1 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Vermieters), § 581 Abs. 2 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Verpächters), § 606 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Verleihers), § 1057 (Verjährung des Ersatzanspruchs des Eigentümers beim Nießbrauch).
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Das zeigt Fall 2: Mieter M hat in der Mietwohnung unsachgemäß Linoleum auf einem Holzfußboden verlegt. Der Eigentümer und Vermieter V bemerkt erst sieben Monate nach dem Auszug des M, dass der Holzfußboden unter dem Linoleum verfault ist. Welche Ansprüche hat V gegen M?
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