»Also doch ein Unfall.«, Ann-Kathrin staunte.
»Wir müssen noch die toxikologischen Befunde abwarten«, bremste Dr. Wolbert sie. »Es könnte sein, dass er durch ein Beruhigungsmittel sediert wurde.«
»Wann wissen wir das genau?«, fragte Schnur ungeduldig.
»Wenn ich meinen endgültigen Bericht fertigstelle«, antwortete Wolbert genauso ungehalten.
»Und wann bekomme ich den?«
»Mit den Ergebnissen der Toxikologie und weiteren mikroskopischen Untersuchungen, die ich jetzt gleich an den Proben vornehmen werde, kann ich dir morgen früh den Bericht zuschicken.«
*
Die Tür ging auf und ein Mann mit Cowboy-Stiefeln, Lederjacke, langen grauen Haaren und einem Schnauzer, der zu beiden Seiten den Mund einrahmte, betrat Schnurs Büro am frühen Morgen.
Verwundert schaute der Kriminalbeamte auf den Kalender, um sich zu vergewissern, dass heute nicht der 11.11. war – der Beginn der närrischen Zeit. Aber nein. Es war Donnerstag, der 7. Oktober. Was hatte diese Maskerade also zu bedeuten?
»Hello«, begrüßte ihn der Mann auch noch in einem grässlichen Akzent, der amerikanisch klingen sollte. »How are you?«
»Wer sind Sie?«, fragte Schnur unhöflich.
»My name ist Robert Ollig«, stellte sich der Mann vor.
»Ich habe viele Jahre bei der Crime Scene Investigation in Greenville gearbeitet. Und jetzt bin ich der neue Leiter der Spurensicherung der Kriminalpolizei in Saarbrücken.«
Schnur stieß die angehaltene Luft aus und reichte dem Mann die Hand.
»Wenn der Prophet nicht zum Berg geht, kommt eben der Berg zum Prophet«, sprach der Mann weiter und lachte.
»Sie haben die deutsche Sprache also nicht verlernt«, meinte Schnur dazu nur, ohne in das Lachen seines Gegenübers einzustimmen.
»So what! My German is perfect.«
»Gut zu wissen. Also, was führt den Berg zum Propheten?«
»My analysis.«
»Auf Deutsch bitte!«
Schnur gab sich Mühe, nicht die Nerven zu verlieren. Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass dieser Cowboy ab sofort die Arbeit übernehmen sollte, die dreißig Jahre lang Theo Barthels gemacht hatte. Diese Vorstellung kam ihm fast unwirklich vor.
»All right!« Der Mann fuhr sich über seinen viel zu langen Schnauzer und sprach weiter: »Hier habe ich den Bericht über die Einbruchsspuren im Haus der Eheleute Dempler. Der Einbrecher hatte Handschuhe getragen. Jedoch konnte ich das Werkzeug anhand der Spuren an der Tür identifizieren. Es gehört zum sogenannten Gezähe, das ist eine Rohrpumpenzange, wie ein Bergmann sie benutzt.«
Schnur spürte, wie sein Adrenalinpegel anstieg. Das klang tatsächlich nach einem Zusammenhang. Nun blieb zu hoffen, dass sie auch unter Tage einen entscheidenden Hinweis gefunden hatten. Doch was er in dieser Sache zu hören bekam, gefiel ihm gar nicht.
»Wir durften nicht mehr hinunterfahren. Das Bergamt will sich selbst um die Spuren an der Schachttür kümmern.«
Schnur stöhnte. Fast achtundvierzig Stunden waren seit Peter Demplers Tod vergangen und sie wussten immer noch nicht, ob ein Unfall oder ein Verbrechen vorlag.
»Good bye!«, rief der große, dürre Mann noch beim Hinausgehen und warf die Tür schwungvoll hinter sich zu.
Schnur wollte gerade die Kollegen in sein Büro rufen, als das Telefon auf seinem Tisch klingelte. Es war der Gerichtsmediziner. Ihn hatte er vergessen, was er wohl dem sonderbaren Auftritt des Teamleiters der Spurensicherung zu verdanken hatte.
»Hast du noch etwas herausfinden können?«, fragte er ohne große Hoffnung.
»Allerdings. Das habe ich. Aber nicht bei der toxikologischen Untersuchung. Dort war alles normal. Peter Dempler wurde nicht durch ein Beruhigungsmittel außer Gefecht gesetzt.«
»Sondern?«
»Ich habe mir die Nackenpartie des Mannes noch mal unter dem Mikroskop genau angesehen und dort etwas festgestellt«, begann Dr. Wolbert. »Peter Dempler hat vor seinem Ableben einen heftigen Schlag ins Genick bekommen.«
»Was bewirkt so ein Schlag ins Genick genau?«
»Damit kann man einen Menschen bewusstlos schlagen, wenn nicht sogar tot. Aber in unserem Fall hat der Mann noch gelebt, also hatte ihn der Schlag nicht getötet, sondern nur betäubt.«
»Ganz sicher?«
»Ich konnte an noch übriggebliebenen Haut- und Knochenresten eindeutige Einblutungen erkennen, die auf den Beginn eines Hämatoms hindeuten. Und wie du selbst weißt, bilden sich Hämatome nur bei Lebenden, weil dabei Blut aus den verletzten Blutgefäßen austritt und sich im Körpergewebe unter der Haut ansammelt. Dafür sind Vitalfunktionen notwendig.«
»Könnte das Hämatom nicht auch schon viel früher bei einer Schlägerei entstanden sein?«
»Nein. Dafür war der Austritt des Blutes noch nicht weit genug vorangeschritten. Dieses Hämatom war gerade dabei, sich zu bilden – also noch ganz frisch.«
Schnur bedankte sich und beendete das Gespräch. Das war mehr als er sich erhofft hatte. Er wollte gerade die Kollegen zur Besprechung rufen, als die Tür aufging und Anton Grewe seine Nase hereinstreckte.
»Konnte Buffalo Bill uns weiterhelfen?«, fragte er.
Im Hintergrund hörte Schnur ein leises Kichern. Also rief er: »Kommt alle rein und lungert nicht vor meiner Bürotür herum. Ich nehme an, mit Buffalo Bill ist unser neuer Spusi-Chef gemeint.«
Lachend kamen Andrea und Erik hinter der Tür hervor und setzten sich dem Dienststellenleiter in dessen Büro gegenüber, damit die Besprechung beginnen konnte.
»Also«, begann Schnur. »Endlich wissen wir ganz sicher, dass wir es mit einem Mord zu tun haben.«
Er wiederholte, was ihm der Pathologe am Telefon gesagt hatte. Auch das Ergebnis der Spurensicherung über den Einbruch erwähnte er.
Anschließend stellte Erik die Frage, die alle beschäftigte: »Und wie gehen wir jetzt vor?«
»Wir greifen zu Plan B«, erklärte Schnur.
»Gab es überhaupt einen Plan A?«, fragte Erik.
»Plan A wäre die klassische Ermittlungsarbeit gewesen«, antwortete der Vorgesetzte. »Doch da wir wissen, dass wir nicht mehr unter Tage ermitteln dürfen, müssen wir sie austricksen.«
»Und wie willst du das machen?«
»Ich habe mich mit der Personalabteilung der Grube in Verbindung gesetzt und dort erfahren, dass sie in der Partie von Remmark einen Nachfolger für den verstorbenen Peter Dempler suchen. Also werden wir Anton Grewe als verdeckten Ermittler runter schicken.«
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