Fingern aus einer Skianzugtasche zu fingern, und tatsächlich nach einigen Tasten auch fündig zu werden, mir unverzüglich sogar Vorwürfe machte, diesen wärmenden Alkoholschluck vergessen haben zu können, der mir sicherlich sofort nach Genuss neue Lebenskräfte einhauchen würde und mir möglicherweise sogar eine Weiterfahrt in das lebensrettende Tal gestatten sollte, auf jeden Fall einen Aufschub verursachte, welches ich jetzt voller Freude tatsächlich ertastete, aus der Brusttasche vorsichtig hervorzauberte, um es im nächsten Augenblick durch die Starre der Finger aus der Hand entgleiten zu lassen und vor mir in den Schnee fiel, jedoch dort nicht unsichtbar wurde, sondern metallisch glänzend seine Anwesenheit zeigte, ich mich hastig und gierig auf dieses Fläschchen stürzte, es ergriff und dann mit den klammen Fingern den Klappverschluss zu lösen, um bereits im nächsten Augenblick den gesamten Inhalt in einem Zug hinunterstürzte, jedoch sich die erhoffte Wirkung genau in das Gegenteil verkehrte, indem die Wirkung des Alkohols mit einer unerbittlichen Wucht zuschlug und mich betäubte, anstatt die erhofften Leibeskräfte zu bringen, meine Beine nun auf Schlag nachgaben und sich meine bislang aufrecht erhaltene Steifheit sich langsam in einen sich stetig verkleinernden spitzen Winkel veränderte, bis die Ober- und Unterschenkel aufeinander lagen und mein Hintern im Schnee zum Sitzen geriet, wobei in meiner taumelnden Verwirrung mein Blick zu Himmel gerichtet, sich dieser augenblicklich öffnete, Sterne in voller Pracht zu Vorschein gerieten, einzeln und in Gruppen mir zublinzelnden und in meine nicht einmal mehr halboffenen Augen schmerzhaft drängten, während mein Kopf und Herz so heftig schlugen, so als wollten sie sich aus dem Körper stürzen, um allein in dieser weißen Wildnis augenblicklich ihr Dasein zu begründen, doch plötzlich wie auch unerwartet bemerkte ich, dass dieses angebliche Sternblinzeln vereinzelte Sonnenstrahlen waren, und die wie kleine Lanzen auf mich einstachen, und gleichzeitig auch der dichte Horizont sich meterweise von ihm wegbewegte, ja, vereinzelt in einiger Entfernung grüner Bewuchs zum Vorschein gelangte, Löcher im dichten Schneehimmel aufrissen, durch die das kräftige Blau zu mir herunterdrang, gleichzeitig die Sonnenlanzen mit solcher Vehemenz in ein Gleißen übergingen, sodass ich meine Augen fest verschließen musste, nach meiner Brille tastete, die ich zuvor in der Brusttasche verstaut hatte, um der Blindheit zu entgehen, mich mit wiedergewonnenen Kräften langsam vom Boden abstützte, dabei die Skistöcke einerseits einsetzte wie andererseits die Holzwand der Hütte als Stütze benutze, bis ich wieder mit durchgedrückten Knien, noch schwankend aber dennoch in den aufrechten Stand gekommen war, wobei ich jetzt den komplett aufgerissenen und zugleich lebensrettenden blauen Himmel gewahr wurde, der mir die nahen wie auch fernen Bergzüge in ihrem glitzernden Farbenspiel wie auch gleichzeitig eine Richtung, talabwärts zur Rettung aufzeigte, sodass ich mit einer noch schwachen Bewegung die Skier in diese vorgegebene Richtung lenken konnte, und diese vorsichtig langsam talabwärts gleiten ließ, wobei mir stetig die Sonne auf den Rücken schien und in mir eine wohlige Wärme erzeugte, und tatsächlich befand ich mich noch sehr entkräftet nach etlichen Minuten auf der Landstraße wieder, die mir zu meiner Rechten das mir bekannte Gasthaus zeigte, in welches ich mich unverzüglich begab und unter großem Erstaunen vom Wirt gefragt wurde, ob ich eben aus dem Berg käme, ich kaum hörbar mit „Ja“ antwortete, und danach vor Erschöpfung hinstürzte, und nach gefühlten zwei Tagen Schlaf in einem Bett des Gasthofes aufwachte und dem Erfrieren noch einmal Entkommen war …………………………….
Mittlerweile war der sportliche etwa dreißigjährige Mann „Hänschen“ an mir vorbeigelaufen und auf den Ausgang zu dem Taxistand zugestrebt. Wie zum Abschied trafen sich ein weiteres Mal einige zufällige Blicke, um anschließend in der Vergessenheit zu versickern. Gute Fahrt, mein unbekannter Freund!
*
Eine Stimme mit einem etwas zu dunklen Timbre meldet sich am Handy.
»Ja, bitte!«
Hastig drücke ich als Anrufer die Trenntaste. Zum Schutz habe ich zuvor mein Handy auf „unbekannt“ geschaltet. Dann lasse ich ein paar Minuten verstreichen und drücke danach auf die Taste Wahlwiederholung. Wieder meldet sich am anderen Ende dieselbe Stimme.
»Ja, bitte!«
Unverzüglich trenne ich die Verbindung ein zweites Mal. Beim dritten Versuch, diesmal mit allem Mut, spreche ich, nachdem sich die Stimme wieder mit „Ja, bitte!“ gemeldet hat, hastig ins Telefon:
»Morgen, 13.00 Uhr auf dem Platz!«, und sofort und ohne eine Antwort abzuwarten, lege ich auf.
Als ich auf meinen Platz zugehe, sehe ich bereits dort die junge Dame. Völlig in Schwarz gekleidet sitzt sie dort. Ihre kurz geschnittenen, dunklen Haare lassen den schlanken, weißen Hals wie Schwanenhaft erscheinen, ebenso dünn wie biegsam. Auf dem Kopf trägt sie ein Hütchen, welches offensichtlich mit Klammern im Haar befestigt ist und nach vorn hin in einen netzartigen Gesichtsschleier endet. Von der Seite her kann ich nunmehr ihre erhöhten Wangenknochen, die etwas ins Rötliche angehaucht scheinen, und ihre kirschrot geschminkten Lippen, die augenblicklich besonders eindrucksvoll in dieser hellen Flughafenbeleuchtung hervortreten, erfassen. Ihr leichter Mantel ist geöffnet und gibt den Blick auf einen sehr feinmaschigen, schwarzen Pullover mit einem kleinen Halsansatz, den fallenden Rock und die schwarzen Strümpfe frei. Signal leuchtend rot, farblich ähnlich ihrem Mund nachgestaltet, schmücken ihre langen Handschuhe, die bis zur Hälfte ihrer Unterarme reichen. Die Beine überschlagen sitzt sie in einer straffen Haltung wie eine Statue dort. Keine Regung geht augenblicklich von ihr aus. Stumm und still sitzt sie dort, und es ist für einen Beobachter nicht festzustellen, ob sie jemanden erwartet oder ihrem Körper nur keine Entspannung gestattet. Kurz halte ich in meiner Bewegung inne, und lasse meinen Blick an ihrer Erscheinung entlang gleiten. Aus der Entfernung schätze ich sie auf Mitte zwanzig ein, welches sich später auch in etwa bewahrheiten wird. Wie ich befinde, stellt sie eine sehr ungewöhnliche wie gleichfalls herausfordernde Persönlichkeit dar, die die übrigen Anwesenden in der Halle wie ein hell leuchtender Kristallleuchter überstrahlt, und die eher auf einem Empfang zu vermuten wäre als dort in dieser Ankunftshalle. Als ich nähertrete, wendet sich ihr Kopf mir zu und ihre Augen senden ein messerscharfes Signal aus, welches sofort schneidend auf mir lastet und ich keineswegs zu deuten vermag. So verweilen wir Auge in Auge für einen längeren Moment, bis eine Geste ihres einen Handschuhs mich zu setzen auffordert. Weiter betrachte ich sie stillschweigend, gefangen von dieser starken Persönlichkeit, währenddessen von ihrer Seite keinerlei Regung ausgeht.
»Sie sind pünktlich«, bemerkt sie ohne ein Lächeln.
»13.00 Uhr, wie verabredet. Meine Erziehung will es so«, erwidere ich.
Augenblicklich bemerke ich ihr Parfüm. Holzig, zurückhaltend nachdrücklich zugleich.
»Mein Name ist Nastasia Reiss. Aber vermutlich sagt er Ihnen nichts!«
»Nein! Ihr Name nicht und auch Sie nicht! Obgleich Ihre Erscheinung sehr ausstrahlend und dominant provokativ ist!«
»So, ist sie das?«, erwidert sie spöttisch lächelnd.
»Aber halten wir uns nicht mit Plattitüden auf. Eine Frage: Sprechen Sie russisch?«, so fährt sie fort.
»Nein! Sollte ich es?«, antworte ich ein wenig verlegen, schließlich scheint sie, mit der Frage etwas bezwecken wollen.
»Ihre Verlobte sprach sehr gut russisch. Erstaunlich für eine Deutsche?«
»Wie? Russisch? Das wusste ich nicht!«, antworte ich und wie ein Messer sticht ihre Aussage in meinen Körper hinein. Gleichzeitig sende ich einen sehr irritierenden Blick zu ihr hinüber.
Читать дальше