»Nun könne ihr nichts mehr passieren, nun besitze sie keine wertvollen Gegenstände mehr!«
»Galgenhumor!«
»Genau das habe ich Ihr darauf geantwortet und mit dem Kopf geschüttelt. Ein Rat: Hängen Sie ein Schild an Ihre Tür: Ich bin zweimal überfallen und ausgeraubt worden. Ich besitze jetzt nichts Wertvolles mehr!«
»Wenn es denn hilft! Oh, da kommen meine Kinder! Tschüs!«, und sofort springt er auf und läuft den beiden winkend und freudestrahlend entgegen.
*
Eben hat sich die Schiebetür geöffnet und hat einen Urlauberschwall durchgelassen. Darunter befinden sich auch die Kinder des Herrn aus der Nähe von Husum, dessen Namen ich nicht einmal weiß. Ist eigentlich auch unwichtig, wir werden uns vermutlich nicht noch einmal begegnen. Jetzt dreht er sich mir noch einmal zu und winkt und zeigt stolz auf seine Hochzeitler in spe oder nicht spe? Wer weiß es schon? Ich nicke ihm freundlich zu, währenddessen er seine Kinder umarmt hat und sie mit sich zum Ausgang zieht. Ich schau mir die beiden an. Vom Lande, das stimmt! Typisch langweilig angezogen, mit irgendwelchen Urlaubsmarkenshirts versehen. Billigplagiate, in denen häufig auch Strass verarbeitet ist, deren Steine unlogisch, ungeordnet vor sich hinglänzen und vermutlich auch bald abfallen werden. Dazu kommen einheitliche Shorts in blau, um eventuell aus der Unsichtbarkeit hervorzutreten oder um sich nicht zu verlieren. Ist bei Koffern auch üblich. Irgendwelche Slipper klappern an ihren Füßen. Und braun gebrannt wie die Brathähnchen sind sie beide außerdem übereinstimmend. Vermutlich zeigten beide zuvor bereits diese ungesunde Hautfarbe, oder wie ich es einmal von „fachkundiger“ Seite gehört habe, dass es angeraten sei, sich vor dem Sonnenurlaub im Studio aus Schutzgründen vorbräunen zu lassen. Aha! Sie ist von kräftiger Statur, nicht schwabbelig, eher speckig, jedenfalls weisen ihre Oberarme einen beträchtlichen Umfang aus, was ich von meiner Position gut erkennen kann. Zusätzlich steht sie auf unerschütterlichen Beinen, die sie, wie ich vermute, für ihre Arbeit dringend benötigt. Ihr Mann besitzt ebenso eine kräftige Figur, denn er schiebt bereits in seinen jungen Jahren eine sogenannte Bierkugel vor sich her. Nicht so beträchtlich im Umfang aber bereits groß genug, dass das T-Shirt in der Lendenregion nicht mehr abschließt und bereits an die Dehngrenze gestoßen ist. Dazu kommen obsolete Frisuren: Die Haare sind passend blondiert und mit einer Krause versehen, die mich ein wenig an die achtziger Jahre erinnern lassen. Lässig hochgeschoben tragen beide ihre Sonnenbrillen in das Haar gesteckt. Ein passendes Paar, wie ich meine, welches nach ländlich geprägter Meinung gesund wirkt. Typ: Wirtsleute!
Ich lasse meine Augen auf ihnen verweilen, um einen Blick von ihnen zu erhaschen, was mir leider nicht gelingt, zu beschäftigt sind die beiden. Ich hätte gern mehr erfahren und etwas aus ihren Augen herausgelesen. Auf der anderen Seite habe ich bereits sehr viel aus ihren örtlichen Zuständen von ihrem Vater erfahren. Wahrscheinlich wäre auch nicht sehr viel mehr dazugekommen. Wie auch? Manchmal schäme ich mich, wenn ich in ein solch vorurteilsvolles Denken verfalle. In diesem Falle nicht. Ich befinde die beiden für uninteressant, die mir nichts Wissenswertes zu berichten hätten, ansonsten hätte mir ihr stolzer Vater ganz sicherlich davon erzählt, so redselig, wie er noch vor kurzen neben mir gesessen hat.
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Etwas lustlos geworden streife ich erst einmal durch die lange Ankunftshalle. Ich betrachte hier und da einige Auslagen, betrete das Zeitungsgeschäft, blättere ebenso lustfrei in einigen Boulevardzeitungen herum, wobei ich sofort auf die bloßen Busen und Hintern von einigen sogenannten Sternchen stoße, die zur Wahl des Monats zur Abstimmung für die Leserschaft bereitgestellt sind. Darüber hinaus kommentieren die bunten Blätter fast einhellig ihre Meinung zu den üblichen Trennungen von Prominenten, zeigen es bildhaft an, indem sie einen Trennungsschnitt durch ein veraltetes, gemeinsames Bild mittels Photoshop eher schlecht verändert haben, die offensichtlich so wichtig sind, dass sie sich gut vermarkten lassen, obgleich ich, was natürlich nichts zu bedeuten hat, die meisten Namen der Promis nicht einmal kenne, beziehungsweise nun zum ersten Male von diesen lese! Wie gesagt: Ich bin kein Maßstab für sogenannte wichtige Personen. Ich denke mir dabei: Wenn diese Geschichten auf der ersten Seite zu sehen sind, also irgendwie bewegend sein müssen, jedenfalls aus der Perspektive der Redaktionen und nicht aus der Sicht der Leserschaft, dann entsteht bei mir sogleich die Frage und auch Sorge: Was ist wirklich wichtig? Wichtig sind ( für mich!) Familie, Freunde, Gesundheit, friedliches Zusammenleben, Perspektiven für die Zukunft, geregeltes und vernünftiges Einkommen. Weitere Wichtigkeiten: Vernunftgesteuerte Politik(er), leider ist das eine illusionäre Wunschvorstellung, wir Bürger werden schon lange nicht mehr gefragt, so abgehoben sind Gewählten mittlerweile. Zusätzlich beruhige ich mich in der Regel damit, dass mein Geist offensichtlich andere Prioritäten setzt oder mit dem zunehmenden Alter von Ü-30 bereits an Unschärfe zunimmt. Wie sagte unser erfahrender Professor immer zu uns jungen Studenten: Älter werden zeigt sich darin, dass jemand das Interesse verliert. Na ja, daran findet sich bestimmt etwas Wahres, er musste es in seinem Alter bereits durch seine Kinder erfahren haben. Egal, und weiter.
Am Ende der Halle stoße ich zur U-Bahn-Station vor. Diese besteht aus zwei Gleisen und ist recht übersichtlich gestaltet. In ihr dominieren auch wieder die großen Informationstafeln zu Ankunft und Abflug. Zusätzlich sind Pfeile angebracht, um die Fluggäste in die richtige Richtung zum Terminal 1 oder 2 zu leiten. Selbstverständlich sind die Informationen in zwei Sprachen ausgeführt: Deutsch und Englisch. Warum eigentlich Englisch? Es gibt andere Sprachen, die viel „mehr“ gesprochen werden! Chinesisch, Hindi beispielsweise. Selbst über die Bedeutung des Englischen lässt sich ein Für und Wider anführen. Was die sogenannte alte Welt angeht, ist die Einschätzung mit wichtig sicherlich zutreffend. Doch gilt es auch für die stark aufstrebenden Länder? Insofern relativiert sich mein zuvor benutztes Wort „selbstverständlich“ wieder. Haben sie Tafeln mit chinesischen Schriftzeichen in Hamburg gesehen? Ich nicht! Wie gesagt: politische Entscheidungen!
Bevor ein Passagier die Gleise erreicht, befindet er sich in einer kleinen Vorhalle. Dort sind zwei Automaten für den Verkauf von Fahrscheinen in die Wand eingesetzt. Auch heute, wie eigentlich immer, stauen sich die Passagiere in einer Schlange davor. Wer kann auch solche Apparate bedienen? Ich jedenfalls habe damit so meine Probleme wie viele andere offensichtlich auch. Zwar hat der HVV ( Hamburger Verkehrsverbund) elektronisch mit Software in den letzten Jahren aufgerüstet, zufriedenstellend ist das Ergebnis dennoch nicht, wie ich augenblicklich leicht an der unsicheren Handhabung wie auch Gestik erkennen kann. Ganz ehrlich: Wer kennt sich als Ausländer mit Tarifbereichen und Tarifen aus? Also ich bin kaum imstande, solche Entscheidungen kostengünstig zu treffen, obgleich ich Hamburger bin. Ich kaufe dann immer zu teuer ein, um sicherzugehen, wie ich später bei einer Kontrolle erfahre. Und dass dort eine Person zur Hilfe abgestellt ist, habe ich noch nie gesehen und nie davon gehört. Irgendwie und wann kommen dann noch Alle zu Fahrkarten und laufen anschließend zu der bereitstehenden U-Bahn, die Richtung Hauptbahnhof fährt. So oder so fahren sämtliche Bahnen über den Hauptbahnhof, was vermutlich auch treffend den Namen erklärt.
Noch eine Bemerkung zu den Rolltreppen, die vom Bahnsteig zu der Flughalle führen. Ich habe mich lange Zeit gewundert, warum vor den Fahrtreppen Pfosten angebracht sind? Häufig genug habe ich mich auch darüber geärgert, weil ich wieder einmal mit meinem Rollkoffer dagegen gestoßen und hängen geblieben bin, wenn ich sozusagen nicht richtig gezielt habe. Die Erklärung: Für die Gepäcktransportwagen, die im Flughafen bereitstehen und auch gern genutzt werden, bedeuten diese Pfosten eine Sperre! Seltsame Logik! Deutsche Logik! Erklären sie das einem Rollstuhlfahrer oder einer Mutter mit Kinderwagen, die verzweifelt nach Hilfe um sich blicken, wenn der Bahnhof nicht behindertengerecht ausgebaut ist! Aber im Erklären sind wir Deutschen hervorragend aufgestellt.
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