Ravensburg , Ende 1967
Ob es mir gelingen wird, in meinem 85 . Lebensjahr mit abnehmenden Sinnen und Gedächtnis noch einmal ein Stück Vergangenheit lebendig zu machen? Im ersten Teil meines Lebenslaufs wollte ich berichten , was Gott in mei n em und meiner Familie Leben getan hat . Nur seine Gnade zu bezeugen und Euch nicht vorzuenthalten bewegt mich zu dem Versuch zu erzählen, wie es weiterging .
Lange war uns der Aufenthalt meines zweiten Sohnes Friedemann bei Kriegsbeginn unbekannt, bis die Nachricht kam: Westwall, nicht Polen . Noch einmal geschenktes Leben .
Mein ältester Sohn Johannes wurde erst im Januar 1940 nach Hamburg e ingezogen . Er war durch kurze Übungen schon Feldwebel geworden und nun Offiziersanwärter . Kurz z uvor war Fri e demann als Unteroffizier vom Westwall nach Hamburg verset z t worden . Das war für die so innig verbundenen Brüder noch einmal kostbare Gemeins c haft. Ein gleichgesinnte r kleine r Freundeskreis bildete sich um sie . Beide Brüder hatten es vorgezogen, si c h nicht von ihren Kameraden zu unterscheiden, als gewöhnliche Soldaten in den Krieg zu zieh e n und sich nicht als Feldgeistliche zu bewerben . Mein Ältester besuchte uns zu Ostern 1940 und hörte zu seiner Freude eine Osterpredigt von Magister Frey, dessen Werke er besaß und verehrte. Bei einem Gesprä c h über den Krieg sagte Johannes zu mir: Mutter, ich komme wieder, denn Gott hat mi c h ja zum Prediger berufen! Unwillkürlich antwortete i c h: Johannes, wir sehen ja hier nur den Anfang! Später erfuhr ich , dass ihm dieses Wort nachgegangen sei und er si c h auf die Möglichkeit des Soldatentodes vorbereitet habe . Einmal noch hielt er bei einem befreundeten Pfarrer eine nach dessen Urteil gesegnete Predigt . Dann kam er nach Aachen und schrieb mir von dort noch einen Abschiedsgruß, welcher schloss: I n tiefem Frieden, Dein Johannes . Es kam noch eine Nachricht, die Feuertaufe meldete, und dann, bei der ersten direkten Feindbegegnung erhielt e r den tödlichen Schuss als Z u gführ e r b e im Stu r m auf e in e n Bahn ü b e rgang am 2 4. M ai 19 4 0 i n F ran kre i c h . Bald e r f uhr ic h Näh e r e s üb e r den Abs c hluss sein e s L e bens . A us dr e i vers c hi e d e n e n Kam e rad e nb e ri c ht e n ging hervor, dass e r laut b e tend schnell verschieden sei und dass ihm b e i der erst na c h Tagen stattgefund e n e n Bestattung die Bib e l in der er s tarrt e n Hand mitgeg e b e n word e n s ei. U nd dann kamen B r i e f e über Bri e fe , die von d e m S e g e n s e in e s k urz en Leb e ns und Wirk e ns Z e ugnis gab e n, so wuss t en wir: Der H e rr hatte ihn reifen lassen und ihn v o llend e t und b e rufen zum Dienst in sein e m R e i c h i n e wig e r Ger ec htigk e it , Uns c huld und S e ligk e it .
End e O k tob er 19 4 0 wurd e in Hannov er (wo E l i sab e th wi e d e r in d e r Nä h e ih re r Elt e rn wohnte ) Friedemann und Elisabeth ihr erst e s Tö c hterl e in geboren . Zweimal im Urlaub hat er si c h noch an di e sem seinem Rosenknösplein er f reuen dürf e n . Er wa r i n B e lgi e n und kam spät e r nach Rumäni e n , a b er no c h ni c ht z um F r onteinsat z . Im Sommer 1941 besu c hte uns E lisab e th mit ihr er kleinen Tochter , die zu ihr e m blind e n Urgroßvater ein ganz persönliches Verhältnis g e wann . Er fühlte , hörte und sprach mit ih r, spät er dikt ie rt e er m ir au c h B r iefe und klein e Gedichte fü r sie. Eli s ab e th s c h r i e b t ä gli c h an ihr e n M ann . Das E c ho kam unr e gelmä ß ig ( F e ldpost), ab e r wir erlebten do c h vi e l e Brief e mit . Ei ne li e bliche Zeit . Elisabeth , die im D ez ember ein z weit e s Kindl e in erwartet e , keh r t e mit ihrem Tö c ht er l e in wied e r na c h Hannov e r z urü c k . Im H er bst k a m F rie d e man n, d er lang e Z e it nu r Ge rä te z u wart e n hat te, wie d er z u s e in er T rupp e au f di e K rim, von wo aus e r froh e Briefe sc hri e b . Der Fre u ndesk r eis hatte ihn freudig begrüßt, und seine kl e ine Familie b e glückt e ihn in der F e rn e . Mit ei n e m Kam e raden - er wollte mit ihm ung es t ö r t ü b er Je su s sp rec h e n - s t ieg e r im f r e iwillig e n Einsat z a uf d ie s c h nee b e d eck t e n Höh e n d e s Jalta-Gebirges ( Patrouill e ngang , J alta, 9. November 1941) . Man fand di e b e iden am nä c hst e n Morg e n m i t Kopfschüssen tot im Sc hn ee. Ver waist di e kl e in e Famili e . - D as zweit e T öc ht er l e i n wurde a m 3. D eze mb e r g e bore n. E rs t acht Tage danach erfuhr Elisabeth, dass sie Witwe sei. Man hatte den Tod nicht ihr, sondern mir zuerst mitgeteilt wegen ihrer Hoffnung. Dadurch kam auch diesmal das Echo in großer Fülle zu uns nach Gottshut. Wieder waren es überwältigende Zeugnisse von dem Segen dieses früh vollendeten Lebens.
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