„Und du glaubst wirklich, dass du nicht wieder, so wie früher, die geregelte 50 Stunden-Woche haben wirst?“, fragte Nanni skeptisch.
„Ich denke, dass ich die Stundenbelastung im Rahmen halten kann und du wirst schon auf mich aufpassen.“
„Ich weiß ja, dass du das Angebot nur zu gerne annehmen möchtest, weil dein Jagdtrieb wieder geweckt ist und du sicher enttäuscht wärest, wenn du dir diese Chance entgehen ließest. Also meinen Segen hast du!“
Strahlend empfing er Nele, als die mit zwei Kaffeebechern in ihr Büro zurückkehrte.
„Du musst nichts sagen. So wie du strahlst, ist Nanni mit der Beratertätigkeit einverstanden.“
„Erraten! Auf gute Zusammenarbeit Frau Kollegin.“
„Na, dann kann es ja losgehen. Ich habe mein Team zu einer Lagebesprechung zusammengetrommelt. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Besprechungsraum und da möchte ich dich den Kollegen vorstellen.“
4. Kapitel – Das Auricher Team
Im Besprechungsraum saßen die anderen Mitglieder des Dezernats bereits auf ihren Plätzen und unterhielten sich über allerlei belanglose Themen, wobei das Wetter natürlich eine zentrale Rolle einnahm. Als Nele mit Robert im Schlepptau den Raum betrat, verstummten die Gespräche und erstaunte, neugierige Blicke richteten sich auf Robert.
„Moin!“, grüßte Nele in die Runde. „Bevor wir uns mit unserem aktuellen Fall befassen, möchte ich euch Robert Müller vorstellen. Robert war einer von uns bevor er, nicht ganz freiwillig, aufgrund einer Schussverletzung in den Ruhestand versetzt wurde. Er macht zurzeit Urlaub auf Norderney und war derjenige, der unser Mordopfer gefunden hat. Per Zufall (und hier konnte Nele ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken) hat er auch paar nützliche Hinweise entdeckt. Aber das wird er euch gleich selbst erläutern. Unser Kriminaldirektor hat ihm daher einen Beratervertrag angeboten, um unser kleines Team zu verstärken und seine langjährige Erfahrung zu nutzen. Ich kenne Robert noch aus seiner aktiven Zeit und freue mich auf die Zusammenarbeit. So Robert, nun möchte ich dir mein Team vorstellen. Ich fange mal mit meiner Stellvertreterin, Theda de Vries, an. Du hast ja mit ihr schon am Telefon gesprochen. Sie ist seit einigen Jahren hier in der Dienststelle und mit den regionalen Strukturen bestens vertraut. Neben ihr sitzt Dorte Franziskus, von allen nur Franzi genannt, die gute Seele des Dezernats, um nicht zu sagen unser Mädchen für alles. Und dann haben wir da unsere Männer. Ocko Wieringa kennst du ja bereits. Und last but not least Michael Dormann, unser PC-Spezialist. Das LKA hat schon mehrfach versucht ihn uns abspenstig zu machen, aber er hat sich nicht nur in unsere herbe Landschaft verliebt, sondern auch in eine Tierärztin, die er nicht verlassen will. Die Wetten, wann die beiden heiraten werden, stehen für dies Jahr auf 50 zu 1. So, das wäre unser kleines Team. Wenn erforderlich, erhalten wir natürlich noch Zuarbeit von den Kollegen der Spusi und der Gerichtsmedizin. Im Übrigen reden wir uns alle mit Vornamen an, wie es hier so üblich ist. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?“
„Nein, überhaupt nicht! Und ich freue mich auf die Zusammenarbeit und bitte euch mir auch zu sagen, wenn ihr meint, dass ich mit meinen Schlussfolgerungen daneben liege oder euch sonst wie auf den Keks gehe.“
„O.K., dann wollen wir mal.“, übernahm Nele das Kommando.
„Wir haben eine unbekannte Tote, die wir noch nicht identifizieren konnten. Die Gerichtsmedizin hat zwar noch keinen abschließenden Bericht übermittelt, aber dass es ein Mord war steht außer Zweifel. Das Messer wurde mit großer Wucht bis zum Griff in ihren Brustkorb gestoßen und traf das Herz, was zu einem schnellen Tod führte. So, wie der Stoß ausgeführt wurde, stand der Täter unmittelbar vor dem Opfer, was den Schluss zulässt, dass das Opfer seinen Mörder kannte und möglicherweise mit ihm am Hundestrand verabredet war. Auf die mögliche Tatzeit wollte sich der Doc noch nicht genau festlegen, aber er meinte, dass das Opfer zwischen 22:00 und 04:00 Uhr ermordet wurde. Nachdem Robert in der Nähe des Strandkorbs, in dem die Leiche lag, ein Streichholzheftchen des ‚Wattkieker‘ gefunden hat, hat er herausgefunden, dass die Tote dort unter dem Namen Jenny Hauptmann als Saisonkraft gejobbt hat. Wie wir mittlerweile wissen, gibt es zwar in Hamburg eine Frau ähnlichen Alters mit diesem Namen, die sich aber bester Gesundheit erfreut, wie Dorte durch einen Telefonanruf festgestellt hat. Das legt die Vermutung nahe, dass die Ermordete unter falschem Namen auf der Insel untertauchen wollte. Wenn wir herausbekommen wieso, könnten wir vielleicht das Motiv herausfinden, warum sie ermordet wurde.“
„Vielleicht sollten wir der Hamburger Kripo ein Foto der Toten zuschicken und sie bitten, die echte Jenny Hauptmann zu befragen, ob sie die Tote kennt?“, fragte Ocko.
„Gute Idee! Kümmerst du dich bitte gleich darum?“
Als Robert sich mit Einverständnis der Wirtin des ‚Wattkiekers‘ in dem Zimmer des Opfers umgesehen hat,“ fuhr Nele fort, „hat er einen Laptop und einen USB-Stick entdeckt, die dort versteckt waren. Der USB-Stick war sehr gut hinter dem Futter eines Koffers versteckt, während der Laptop nur notdürftig getarnt in einem Schrank mir recht teuren Klamotten lag. Das lässt darauf schließen, dass dieser USB-Stick eine besondere Bedeutung hat und uns vielleicht Hinweise zum Motiv des Täters liefern kann. Robert hat das Gerät und den Datenträger heute mitgebracht. Beide sind aber durch Kennwörter geschützt.“
„Wie kann man denn gut versteckte Dinge so einfach finden, wenn man sich nur mal etwas umsieht? Da ist wohl der alte Spürhund in Robert erwacht. Und dann Laptop und USB-Stick auch noch gleich mitgenommen! Ich weiß ja nicht, was unser Staatsanwalt dazu sagen wird!“, meinte Theda kritisch mit einem leicht zynischen Unterton dazwischen.
„Keine Sorge Theda, ich habe bereits mit ihm gesprochen und er hat Roberts Vorgehen gebilligt, weil sonst möglicherweise wichtige Beweismittel hätten verschwinden können. So lange wir nicht wissen, warum die angebliche Jenny Hauptmann ermordet wurde und ihr Mörder noch frei herumläuft, könnte es ja durchaus sein, dass der auch herausbekommt, wo sie untergetaucht war und dort nach Unterlagen oder ähnlichem sucht. Einen USB-Stick versteckt man ja nicht ohne Grund so gut. Michael, kannst du versuchen, an die Daten zu kommen?“
„Klar, ich mache mich gleich an die Arbeit. Endlich mal eine echte Challenge.“
„Theda, ich würde gern mit dir und Robert auf die Insel fahren, um mich dort im ‚Wattkieker‘ umzusehen und mich mit der Wirtin und dem Personal unterhalten. Hättest du was dagegen, auch dort zu übernachten? Vorausgesetzt wir bekommen eine Unterkunft.“
„Darum kümmere ich mich. Robert hat ja noch seine Ferienwohnung und für euch beiden Hübschen werde ich bestimmt was finden.“, schaltete sich Franzi ein.
Theda nickte dazu und meinte: “Besser, als hier im Büro zu sitzen, ist das allemal und auf der Insel war ich schon lange nicht mehr.“
Wir haben da ja noch die Aussage der Urlauberin, die die Leiche gefunden hat. Sie hat an dem Morgen auch noch eine schwarzgekleidete Person auf der Strandpromenade gesehen. Das passt zwar nicht unbedingt zum Tatzeitpunkt, aber wir sollten dennoch versuchen, die Person zu finden. Franzi könntest du im Inselkurier eine entsprechende Zeugensuche veranlassen?“
„Ja, mache ich gleich nach unserer Besprechung.“
„Gut. Soweit zu den Aufgaben, die als nächste zu erledigen sind. Was haben wir noch?“
Robert meldete sich noch einmal zu Wort:
“Ich denke, dass unsere Tote in ihrem wahren Leben ganz gut verdient hat. Die Klamotten, die ich in ihrem Zimmer gesehen habe, waren fast ausnahmslos von sehr renommierten, teuren Designermarken. Sie hat wohl auch studiert, wie sie der Wirtin erzählt hat, denn auch wenn man sich eine neue Identität zulegt, übernimmt man doch einige Fakten aus seinem realen Leben. Und wir sollten auf jeden Fall auch mit ihrem Kollegen Jens Overmann sprechen. Mit dem hatte sie nach Aussage der Wirtin als einzigem etwas Kontakt.“
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