Hans Joachim Gorny
Die Pandemie des Todes 2.Teil Die Kinder
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Joachim Gorny Die Pandemie des Todes 2.Teil Die Kinder Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Schlange
Verliebt
Kokken
Die Windhose
Sprechstunde
Das Kirchendach
Maul und Klauen
Ein langes Gesicht
Toms Siebziger
Die Katze
Honig
Der Wechsel
Kirche
Die Besinnung
Verschwunden
Rauch
Besucher
Jäger und Sammler
Nicht das Ende
Impressum neobooks
In einer Welt in der die Menschen nur noch spärlich vertreten sind und eine unbedeutende Rolle spielen, sorgt jeder Unbekannte bei seinem Erscheinen für viel Aufregung. Nach der weltweiten Pandemie ist so ziemlich alles was selbstverständlich und alltäglich war und alles was die Menschheit unterhalten hat, verschwunden. Radio- und Fernsehsender zum Beispiel. Oder Tageszeitungen und Illustrierte. Auch Sportveranstaltungen und Politiker. Sowie Promis und Königshäuser. Nicht vorzustellen, dass die Adligen aussterben konnten. Oder sitzen sie tatsächlich auf den Seychellen, wie Elfriede vermutet? Zukünftigen Kindern kann man das nur noch als Märchen erzählen und anhand von Fotos aus Büchern erklären. Auch was Theater, Musical und Zirkus waren. Und die Kinder werden es nicht glauben, dass die Menschen unsinnig viel Zeit vor Bildschirmen verbrachten und alle benötigten Informationen aus dem Internet ziehen konnten. Und, dass Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene nächtelang an den PCs saßen und über das Internet miteinander spielten. Für zukünftige Kinder muss sich das noch abstruser anhören, als Geschichten aus dem alten Ägypten oder Rom.
Den heutigen Menschen stehen Berge von Filmen und Büchern zur Verfügung. Wobei die Bücher länger halten werden als die DVDs. Was aber, wenn spätere Mediziner ihre Erkenntnisse zu Papier bringen wollen? Oder jemand einen neuen Roman schreiben will? Noch gibt es Laptops, Drucker und Papier. Wie lange werden die Geräte halten, wie lange wird es noch Papier geben? Eines Tages ist das letzte Gerät verschlissen, der letzte Toner vertrocknet und das letzte Blatt beschrieben. Danach zählt Erfindungsreichtum. Weil die Leute auf den Höfen immer an ihre Versorgung denken müssen, reichen ihnen zur Unterhaltung bislang Filme, Bücher und Partys.
Doch das ändert sich.
Katy hat sich einen Hund zugelegt. Es ist der lauteste Kläffer den der Erdball je erlebt hat und heißt Strom. „Der Steht immer unter Strom“, sagte Otmar, als er fragte, ob jemand den missratenen Köter haben will. Solange sich Katy mit ihm beschäftigt, bleibt der Hund friedlich und ruhig. Sobald ein Fuchs, Mensch oder auch nur ein Vogel seine Aura stört, flippt er aus. Deshalb ist er als Wachhund nicht geeignet, nachts wäre nie Ruhe.
Dieser Hund Strom kläfft eines Abends wie ein Gestörter vor dem Haus herum. Zu spät hören sie die Motorengeräusche. Einige Bewohner stürmen zum Gewehrschrank, einige an die Fenster. Vor der Haustür parkt ein riesiger roter Möbellaster. Auf der Seitenwand steht in gelber verschnörkelter Schrift:
Zirkus Zarazani
Dahinter parkt ein Wohnmobil. Aus dem Führerhaus des Lasters springt ein dünner, langer Mann. Gekleidet in sehr individuelle bunte Klamotten. Ein Afrikaner. Schwarz wie Kohle.
Tom geht hinaus. „Guten Abend. Was für eine Überraschung.“
„Bin ich hier in einer Kaserne gelandet?“ fragt der Schwarze lächelnd und zeigt in Richtung der Militärfahrzeuge.
Mit verkniffenem Gesicht meint Tom: „Das sind die Überbleibsel eines Besuches.“
„Ich bin Richard der Zirkusdirektor. Dort ist meine Assistentin Simone.“
Er zeigt zum Wohnmobil. Eine weizenblonde Frau, gewandet mit einem wehenden feenartigen Kostüm, steigt aus.
„Das hört sich interessant an“, ist Tom begeistert. „Wir sind gerade beim Abendessen. Wollt ihr euch zu uns setzen?“
„Das hört sich gut an“, freut sich der Zirkusdirektor. „Sehr gerne.“
Er winkt seine Partnerin herbei, die ebenso freundlich die Gruppe begrüßt. Hinter den Vorhängen verschwinden die Gewehre und werden wieder in den Schrank gestellt. Mette funkt Zora, Freddy und Elfriede herbei, die sonst nur noch zum warmen Mittagessen erscheinen.
„Nehmt Platz“, sagt Tom. „Wo kommt ihr gerade her?“
Der schwarze Richard, er spricht den Namen deutsch aus, und Simone, setzten sich auf die ihnen angebotenen Stühle.
„Wir kommen gerade aus Freiburg“, erzählt Richard. „Dort haben wir drei Vorstellungen gegeben. Die Leute gaben uns den Tipp, dass hier irgendwo auf einem Bauernhof Leute leben.“
„Waren die Freiburger friedlich?“ fragt Max.
Simone antwortet mit der österreichisch gefärbten hellen Stimme eines Kindes. „Wenn wir kommen, sind alle friedlich. Denn sie wollen unterhalten werden.“
„Und womit lasst ihr euch bezahlen?“ interessiert Marion.
Richard grinst. „Mit Ersatzteilen, Naturalien. Leckerem Essen. Alles andere macht ja keinen Sinn.“
„Ich hätte da eine Technische Frage“, kommt es von Tom. „Welches Diesel benutzt ihr? Unseres ist inzwischen unbrauchbar. Das alte Zeug verbrennen nur noch alte Militärfahrzeuge.“
„Wir fahren mit Benzin. Der Laster und der Caravan. Wir sind immer auf der Suche nach Benzin mit einer möglichst hohen Oktanzahl. Das hält scheinbar ewig.“
Während der Ausfragerei werden ihnen Brettchen, Besteck, Brot, Wurst und Käse zugeschoben.
„Seid ihr schon lange zusammen?“
Freimütig erzählt Simone: „Wir haben uns vor zwei Jahren in Österreich getroffen. Richard gab in Klagenfurt den Überlebenden eine Vorstellung. Damals reiste er noch mit einem VW-Bus. Ich habe ihm gezeigt was ich kann. Danach haben wir uns zusammen getan. Als Künstlerin alleine unterwegs ist einfach zu gefährlich.“
Abwechselnd erzählen Richard und Simone von ihrer zweijährigen Tournee. In die osteuropäischen Weiten hätten sie sich nicht getraut. Gerne wären sie nach Skandinavien und Großbritannien übergesetzt. Sie fanden aber kein einziges Schiff und die Brücke nach Schweden hat einen Knacks. Aber sonst hätten sie in jedem europäischen Land gespielt, behaupten sie. Immer auf der Suche nach Menschengruppen. Selbst in den ehemaligen Millionenstädten sei es schwierig, größer Menschengruppen zu finden. Es gäbe ziemlich viele Einsiedler oder allein siedelnde Pärchen. Auch gleichgeschlechtliche. Die Einsiedler wären meist uninteressiert oder sogar unzugänglich. Nicht wenige würden einen stupiden und gestörten Eindruck machen und aggressiv werden, wenn man sie anspräche. Die wollen unbehelligt auf den Tod warten.
Die Fahrerei würde immer schwieriger, weil die Straßen zuwuchsen. Meistens müsse man Schritt fahren, weil die Schlingpflanzen die Fahrbahnen überwuchern und bei schneller Fahrt sich um die Achsen wickeln. Hecken lassen oft nur noch einen Pfad offen, den die großen Säugetiere benutzen. Säugetiere, auch exotische, gäbe es überall und in jeder Größe.
„Noch vor ein paar Jahren wog die globale Menschenmasse zehnmal mehr, als die Masse der wildlebenden Säugetiere“, behauptet Richard. „Nun hat sich der Planet doch beträchtlich zu Gunsten der Wildtiere verändert.“
Zora, Freddy und Elfriede kommen herein.
„Zirkus?“ fragt Elfriede. „Gibt’s das noch?“
Als er Zora wahrnimmt, steht Richard auf. „Ja, das gibt’s noch“, sagt er zu Elfriede, schaut aber Zora an. „Morgen Nachmittag geben wir euch eine Vorstellung. Sagen wir vierzehn Uhr. Wir müssen allerdings irgendwo unsere Bühne aufbauen.“
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