1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 Anschließend wurde ein Imbiss serviert. Die Chefin tat Landis kund, dass sie der Versorgungsabteilung zugeteilt sei, was sie mit hochrotem Kopf hinnahm. Nachdem Landis Besteck, Brettchen, Brot, Wurst- und Käseplatten auf den Tischen verteilt hatte, setzte sie sich zu Anoo. „Das machen die nur, weil ich reiche Eltern habe“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Wer putzt eigentlich die Toiletten?“ flüsterte er zurück und sie wurde nochmals rot. Nachdem Landis und ihre Kollegin alles abgeräumt hatten, stellten sie Wasserkrüge und Gläser auf die Tische. Dazu ein Körbchen mit mehreren Bechern darin. In den Bechern befand sich Zucker, der entweder nach Wella, Kiwi, Erdbeere oder Kirsche schmeckte. Damit mixten sich die Weltreisenden ihre Säfte. Anoo, die Chefin und auch die Schöne, die einen niedlichen aber durchtrainierten Körper besaß, wie er auf dem Steg gesehen hatte, tranken Wasser pur.
Mira Feensal stellte einen Projektor auf einen der Tische und rollte neben der Tür zum Steg eine Leinwand herunter. Auf ihr wurden bis zehn Uhr abends weitere Informationen und danach noch Filme vergangener Expeditionen gezeigt. Danach machten sich die neuen Crewmitglieder mit den alten Hasen bekannt. Die letzten begaben sich erst um zwei Uhr morgens in ihre Kojen. Um sechs wurde Landis geweckt, sie musste mit ihrer Kollegin das Frühstück richten. Bei der Anfahrt auf Tampuro wurde es spannend, der Wind blies zwar nicht stark, aber über der Hauptstadt war der Himmel dicht. Robbe ließ langsam Gas ab, sah abwechselnd auf den Kompass und den Höhenmesser und sandte Funksignale aus, die von Antennen auf den höchsten Erhebungen beantwortet wurden. Auf einem kleinen Bildschirm leuchteten Punkte auf. An der Anordnung dieser Punkte erkannte er rein erfahrungsmäßig, wo er sich befand. Ein Punkt blinkte, das war ein Sendemast in Stadtmitte, den musste er weiträumig umfahren, damit plötzliche Böen den Wal nicht gefährdeten. Die Wolken hingen sehr tief, in der Kabine wurde nicht mehr gesprochen. Als der Wal aus der Unterseite der Wolkendecke sank, schwebten sie schon dicht über der Werft.
Die Chefin verabschiedete die frisch zusammengewürfelte Crew. „Jetzt sind die Neulinge unter euch einigermaßen im Bilde. Wisst ihr, weshalb ihr nun nach Hause dürft? Ihr sollt in eurem Heimatort am Sonntag wählen gehen, es sind Präsidialwahlen.“
Die Wahl interessierte nur wenige, wer außer Kaloo konnte schon gewählt werden. Anoo pfiff auf die Wahl und flog mit Landis zu ihren Eltern auf die Südinsel. Beim Abflug regnete es, über den Wolken schien natürlich die Sonne und als sie wieder unter die Wolkendecke kamen, leuchteten ihnen weiße Berge entgegen, die Südinsel musste den ersten Kälteeinbruch des Winters über sich ergehen lassen. Auf die Landwirtschaft der Sinadas hatte das Wetter keinen Einfluss, denn die fand in Hallen statt. Ihnen war egal ob es kälter wurde, sie heizten ihre Hallen mit Erdwärme, die es genau wie Licht immer gab. Wegen Kälte würden sie nie aufgeben müssen.
Ihre prächtige und zimmerreiche Farm stand malerisch an einem Fluss, der zu Hochwasserzeiten das halbe Tal einnahm. Wenn ab dem Frühjahr die Gletscher schmolzen, sprudelte am Haus blaues Wasser vorbei, wurden wieder neue Kiesbänke aufgespült, die im Sommer bei Niedrigwasser seltene Vögel anlockten. Weit hinter dem Wohnhaus, um die Ecke ins Tal, reihten sich die Anbaugebiete, sprich Hallen. Landis Großvater Korna hatte während der Hungerjahre eine bahnbrechende Bekanntschaft gemacht; er hatte den Pilzforscher Kless Mulko kennengelernt. Dieser hypernervöse Kless Mulko lebte nur für seine Forschung und behauptete, durch Pilzzucht die Nation retten zu können. Großvater Korna ließ es auf einen Versuch ankommen und leerte zuhause seinen Vorratskeller, wobei seine Familie an seinem Verstand zweifelte.
Auf Mulkos anraten schaffte der Alte Humus in seinen Keller und vermehrte dort zuerst den Pilz, der am einfachsten zu züchten war und der am meisten Erfolg versprach. Die erste Ernte dieser gelblichen Pilze wurde auf den lokalen Märkten als Gemüseersatz angeboten. Nachdem ihn einige Leute probiert und für schmackhaft befunden hatten, war es kein Problem die Ware loszuwerden. Der alte Korna Sinada ließ seine Gerätehalle ausräumen, dort eine Erdmischung nach Mulkos Rezept hineinkippen und züchtete fortan in großem Stil Gemüsepilze.
Gleichzeitig versuchte er es in seinem Keller mit einer anderen Pilzart, denn zu Gemüse gehört auch Fleisch. Dieses Mal gehörte Mulkos und Kornas Augenmerk einem sehr kräftigen Gewächs. „Jetzt müssen wir aber auf Sauerstoffmangel achten“, warnte der Pilzforscher. „Pilze sind keine Pflanzen, denn sie verbrauchen Sauerstoff und geben Kohlendioxid ab“. Bevor sie in den Keller gingen um das Wachstum zu beobachten, wurde gelüftet. Die Hüte dieser Pilze wurden groß wie zwei, drei Handflächen und Mulko behauptete allen Ernstes, dass sie Fleisch ersetzten konnten. Die zwei Pilzzüchter begaben sich mit einem ausgewachsenen Exemplar in die Küche der Familie Sinada. Kless Mulko brutzelte das tellergroße Teil in der Pfanne, würzte es mit Grillgewürz und servierte dem Alten das Pilzsteak. Korna Sinada konnte nicht sagen ob Fleisch oder Pilz. Er griff sich auf der Farm jede verfügbare Person und ließ sie kosten. Alle waren der Meinung, dass es auch Fleisch sein könnte und sogar gut schmecke.
Auch dieser Pilz wurde auf den Märkten ein großer Erfolg. Korna ließ zwei Hallen bauen, eine für Gemüsepilze, die andere für Fleischpilze. Dann wurden allen großen Nahrungsmittelhändlern Proben geschickt, bald darauf Lieferverträge unterschrieben. Das Beste an der Pilzzucht war die Wetter-Unabhängigkeit und das Allerbeste: Die Pilze wuchsen schneller als alles andere und ließen sich billiger produzieren als Gemüse auf dem Feld, wurden aber genauso teuer verkauft. Und die Sinadas konnten rund ums Jahr ernten. Die Hauptbeschäftigung der Farmarbeiter war auf einmal, Humus für Pilze zu produzieren. Nach und nach verschwand das Vieh von den Weiden, wurden weitere Hallen gebaut. Nebenbei wurde der Keller zu Kless Mulkos Labor, wo er an anderen Fungis weiterforschte. Damit die Nation ernährt werden konnte, verkaufte Korna Sinada großzügigerweise sein Wissen auch an andere Interessenten. Innerhalb eines Jahrzehntes wurden die Südländer zur Pilz-Esser-Nation.
Für Mulko wurde auf dem Farmland ein luxuriöses Haus mit integriertem Labor gebaut. Von seiner nächsten Forschung wurden Kornas Nachfahren noch reicher. Er entdeckte Arten, aus denen sich Vitamine und Nahrungszusätze gewinnen ließen. Inzwischen untersuchten inselweit viele Labore die Fähigkeiten der einheimischen Pilze, keiner wurde ausgelassen. Zur selben Zeit erlaubte die Regierung ausgewählten Personen die Inseln zu verlassen, um in der Welt nach geeigneten Nahrungsmitteln zu forschen und giftfreie Anbaugebiete zu suchen. Die Abenteurer suchten mit Vorliebe nach fremden Pilzen, um sie meistbietend zu verkaufen. Auch Anoo würde in Europa um das Pilze suchen nicht herumkommen.
Auf Pilze konnten die Südländer nicht mehr verzichten, diese seltsamen Lebewesen hatten zu viele Fähigkeiten. Die Myzel, also die unterirdischen Pilzgeflechte, konnten Abwässer klären und aus diesen Myzel machten die Südländer auch Verpackungen. Auf der Südinsel entstand ein riesiger Industriekomplex, der aus Pilzgeflechten ökologisch abbaubares Verpackungsmaterial herstellte. Dann fanden Wissenschaftler heraus, dass spezielle Pilzarten scheinbar tote Böden wieder fruchtbar machen können. Sie forschten an einer verseuchten asiatischen Küste und dort befreiten Pilze die Böden von Cadmium, Blei und anderen Schwermetallen, von langlebigen Chemikalien, von Chlor und Dioxinen. Diese Forschung wurde dann von der Regierung gefördert. Nicht gefördert wurde die Verarbeitung von Pilzen in der Getränkeindustrie. Vielen Getränken mit und ohne Alkohol wurde nicht nur Wella-Frucht zugesetzt, sondern auch Pilze, um sie noch gesünder zu machen. Das erweiterte auch die Geschmacks-Palette und machte die Säfte dicker und sättigender.
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