1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Und ganz wichtig: Aus bestimmten Pilzen konnte man wertvolle Medikamente gewinnen, die Herz- und Leberkrankheiten heilten und auch manche Krebsart. Landis Vater Lasko produzierte nur noch Pilze für die Pharmaindustrie, die Gemüse- und Fleischpilze überließ er schon lange Anderen. Wachsende Pilze gaben nicht wenig Wärme ab, nur bei Frost musste zusätzlich geheizt werden. Lasko Sinada schien noch gewitzter zu sein als sein Vater, er ließ die alten und inzwischen zu kleinen Hallen abreißen und größer mit zwei Etagen wieder aufbauen. Auf der unteren Etage wurden nach wie vor Pilze gezüchtet, auf der oberen aber, über den Wärme produzierenden Pilzen, Erdbeeren angebaut. Im tropischen Klima der Hallen und bei optimaler Beleuchtung gediehen sie prächtig, zu jeder Jahreszeit konnte ständig geerntet werden. Die Sinada-Erdbeeren waren die größten, süßesten und saftigsten und wurden zu einem weiteren Verkaufsschlager. Wegen seiner findigen Idee wurde Lasko von allen bewundert. Ob das der Grund war, weshalb Schako Wutakee die Sinadas nicht leiden konnte? Weil er gerne selber eine so lukrative Idee gehabt hätte?
Lasko Sinada versorgte die Nation zusätzlich mit frischen Heidelbeeren und Radieschen, die es im Winter nie zu kaufen gab. Auch Anoo fand die Idee mit der zweiten Etage genial, aber er neidete sie Lasko nicht, weil ihm Geld weitgehend egal war. Er wollte forschen und entdecken, das Geldmachen konnten andere übernehmen. Koa war mit Landis und Anoo im selben Flieger nach Süden geflogen, zu fünft saßen sie am Abendtisch. Mutter Belta machte sich über alles Sorgen, während es Vater Lasko locker sah. Hauptgespräch war natürlich der Probeflug. Landis beklagte sich darüber, dass sie zur Versorgung gesteckt und als Bedienung eingesetzt wurde. Ihr Bruder, der gerne mitgereist wäre, feixte am Tisch. Die Mutter fand es die Höhe, dass ihre Tochter die Magd spielen musste, der Vater sah wie immer das Praktische.
„Versorgung ist sehr wichtig, das ist eine Schlüsselposition in der du Macht ausüben kannst. Jeder der ein Extra will, muss sich mit dir gutstellen. Wer die Finger auf den Lebensmitteln hat, der kann tauschen, handeln, sich Vorteile verschaffen.“
„Guter Tipp, danke Papa“, sagte Landis in vollem Ernst.
So also dachten und handelten die Sinadas. Immer darauf aus, jede Position schamlos auszunutzen, deshalb konnte der Großvater diese Familie nicht leiden. Für Anoo war das ein Aha-Erlebnis, innerlich ging er automatisch auf Distanz und schraubte seine Sympathie für Landis etwas zurück. Jetzt war ihm auch klar, weshalb er gefundene Pilze nie ins Institut schicken durfte, Landis hätte sie doch tatsächlich an ihren Vater weitergeleitet. Der Familie Wutakee ging Korrektheit über alles, sie verachtete Leute die schummelten um sich Vorteile zu verschaffen. Wenn sie auf der Reise Ärger verursacht, werde ich ihr auf die Finger klopfen, nahm er sich vor.
Am Sonntagmorgen fuhren sie in der Familienkutsche zum Wahllokal. Lasko Sinada besaß den größten Personenwagen der hergestellt wurde. Landis, Koa und Anoo saßen hinten in tiefen Polstern und hatten für ihre Füße reichlich Platz. Von diesem Fahrzeug gab es erst sieben Stück. Eines davon fuhr Präsident Kaloo, der an diesem Tag mit achtzig Prozent wiedergewählt wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei achtundzwanzig Prozent.
Kapitän Unaraa vermied offenes Wasser wo es möglich war. Auf Wasser notlanden zu müssen, wäre das Ungeschickteste was ihnen passieren könnte, erklärte er nach dem Start Richtung Europa. Die Aufenthaltskabine und die Kisten würden vermutlich alle schwimmen, aber bei einem Startversuch auf der Wasseroberfläche kleben bleiben. „Bevor wir über eine große Wasserfläche fahren“, erklärte er der Mannschaft am ersten Tag der Reise, „erkundige ich mich zuhause nach dem Wetter. Wenn starke Winde herrschen oder vorhergesagt sind, suchen wir uns auf der Erde eine freie Fläche und fixieren den Wal sturmsicher am Boden. Das kann eine Woche dauern. Deshalb wäre es wichtig, einen Bach in der Nähe zu haben, Wasser wird jeden Tag gebraucht.“ Der Kapitän sprach in ruhigem, brummelndem Ton, seine Stimme hatte nichts aufgeregtes, er schien ein kompetenter Mann zu sein. „Wir werden auch am Zielort erst landen, wenn wir einen geeigneten Platz in der Nähe eines Baches gefunden haben.“
Er rollte eine Landkarte herunter, die die Reiseroute zeigte. Die verfügbaren Karten entstammten alle aus alten Büchern und Atlanten der Halbmondinsel. Die geistige Elite, die sich einst dorthin zurückzog um ihr Überleben zu sichern, hatte alles gesammelt was sie für wichtig hielt, eigentlich alles was ihr in die Finger kam. Dabei hätte sie aber besser auf die Qualität der Lagerräume achten sollen. Schon kurz nach der Gründung der Nation vor dreihundertzwölf Jahren, ordnete die Regierung an, die alten Bücher zu sichten und zu entschlüsseln. Tausende waren zerfallen, tausende zu Briketts verklebt, kaum eines ließ sich öffnen und lesen. Es musste zuerst erforscht werden, wie die Seiten schadlos voneinander getrennt werden konnten.
Nachdem die richtige Technik gefunden war, wurden Leute ausgebildet, die diese Bücher lesen sollten, denn das alte Englisch verstand keiner mehr. Über einen unbekannten Zeitraum hinweg hatte sich die Sprache weiterentwickelt und auseinander entwickelt. Die Bewohner der Inseln lebten weit zerstreut in ihren Weilern und pflegten vermutlich über Jahrhunderte kaum Kontakte zueinander. So verstanden die Menschen der Westküsten die Menschen der Ostküsten nur sehr schlecht und umgekehrt. Die Bewohner der Nord- und Südinsel verstanden einander überhaupt nicht mehr. Damals lebte noch ein Drittel der Südländer auf der Südinsel. Die Regierung beschloss, den meist gesprochenen Dialekt zur offiziellen Landessprache zu erheben. Das war der Dialekt des Landesinnern der Nordinsel. Fortan wurde diese Sprache in den neu eingerichteten Schulen unterrichtet und nach achtzig Jahren gab es niemand mehr der, außer englisch, etwas anderes als diesen offiziellen Dialekt sprechen konnte.
Auf der Halbmondinsel, sie hatte sich sogar von den anderen Inseln abgeschottet, wurde das Englisch noch am längsten gesprochen. Deshalb gab es dort noch ein paar Gelehrte, die von dieser alten Sprache eine Ahnung hatten. Sie mussten sich das Englische neu erarbeiten und an Jüngere weitergeben. Dann wurde es zum Studienfach gemacht, damit Forscher und Wissenschaftler in der Lage waren, alte Bücher zu lesen und Fundstücke zu entziffern. Von dem unübersichtlich vielen Wissen, das auf der Halbmondinsel eingelagert war, interessierten sich Wissenschaftler vor allem für die technischen Bücher. Aus ihnen lernte die neugegründete Nation die vier „F“. Funken, Fotografieren, Fahrzeug- und Flugzeugbau. Die Regierenden interessierten sich auch für die restliche Welt. Für das Volk aber war alles was außerhalb der Inseln lag, ohne dass es jemand beschreiben konnte, gefährlich und böse und diese Einstellung wurde von Generation zu Generation weitergegeben und saß eingebrannt im Gemüt.
Das Erstaunen über die Welt wurde jährlich größer. Wenn man bedachte, dass sich nur noch wenige vorstellen konnten, dass die Erde eine Kugel war, führten die Geografie- und Biologiebücher in eine Wunderwelt. Irgendwann gewann die Erkenntnis die Oberhand, dass diese südlichsten Inseln, die so abgehängt unter dem großen Australien hingen, die ihren waren und einmal Neuseeland hießen. Von da an nannte sich die Nation „Südland“. Um der Bevölkerung Wissen zu vermitteln, denn eine gebildete Bevölkerung lässt sich einfacher regieren, und um die Menschen mit der Welt bekanntzumachen, wurden die Bücher die die Welt beschrieben restauriert, abfotografiert, nachgedruckt und verkauft. Jedem Schüler wurden im Unterricht die Weltkarten und die globale Flora und Fauna nahegebracht.
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