Sein Freund antwortete ihm nicht, sondern riss Timothy im selben Moment wieder auf die Beine und donnerte ihn erneut rüde gegen die Hauswand. „Nun zeig mal, was du da Schönes hast?“ Er stemmte sich gegen Dixon und fingierte zielgenau den Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. „Na sieh mal einer an!“ Er grinste schief und öffnete das Kuvert. Als er das Geld darin sah und die Scheine kurz durchgeblättert hatte, drehte er sich freudestrahlend zu seinem Kumpel um. „Das sind mindestens dreitausend Dollar!“
„Geil! Dann nichts wie weg hier!“
Doch das wollte der andere offensichtlich noch nicht, denn er machte nochmals einen Schritt nach vorn und hämmerte Timothy, der noch immer mit seinen Schmerzen zu kämpfen hatte, erneut zwei knallharte Faustschläge in den Magen, sodass Dixon wieder mit einem erstickten Aufschrei auf die Knie sackte. Während sein Oberkörper vornüber kippte, erbrach er keuchend einen Schwall Speichel. Seinem Widersacher schien das zu gefallen, denn er lachte verächtlich auf und grinste breit. Dann aber wollte er sich doch abwenden und verschwinden, als sein Blick plötzlich auf Timothys rechtes Handgelenk fiel, wo sich noch immer die Tüte mit dem Ring befand. „Aber natürlich!“ rief der Kerl.
„Was ist denn?“ fragte der andere.
„Der Schmuck!“
„Welcher Schmuck?“
„Aus dem Juwelierladen, Mann!“ raunte der Erste, während er sich herabbeugte und Timothy die kleine Tüte mit dem Ring darin entwand. „Passt du denn gar nicht auf, du Hohlkopf?“
„Doch! Aber lass das jetzt! Wir haben doch, was wir wollten!“
„Du bist total bescheuert, weißt du das?“ Sein Freund trat direkt vor ihn und sein Blick war sichtlich verärgert. „Ich will erst wissen, was da drin ist!“
Timothy rang ernsthaft mit seiner Besinnung. Ihm war übel, Bauch und Knie schmerzten und waren irgendwie taub zugleich, sein Wangenknochen pochte ekelhaft.
Dennoch bekam er durchaus noch mit, was um ihn herum geschah.
Und er war sich mehr als bewusst, in welch gefährlicher Lage er sich befand. Er war überfallen worden. Sie hatten ihn zusammengeschlagen, er war vollkommen wehrlos. Und doch würde er Glück haben, wenn ihm weiter nichts geschehen würde.
Scheiß auf das Geld! brüllte er sich immer wieder ins Gewissen und sah Rachael und seine Tochter vor sich.
Dann aber schien das Schicksal zu sprechen, als sein Peiniger sich gerade umdrehen und weggehen wollte und im allerletzten Moment den Beutel an seinem rechten Handgelenk sah.
Aus seinen Worten konnte Timothy klar erkennen, dass ihn die beiden ganz offensichtlich schon ziemlich lange verfolgt hatten, mindestens schon seit dem Juwelierladen. Deshalb wussten sie von dem Geld - und auch von dem Ring!
Oh bitte! schrie er innerlich. Nehmt mein Geld! Aber bitte nicht den Ring!
Doch er war absolut machtlos, konnte nicht verhindern, dass dieser widerliche Dreckskerl ihm den Beutel entwendete.
Fast hätte Timothy geweint. Warum auch noch den Ring? Reicht denn das Geld nicht? Mit seinem Verlust konnte er leben. Zusammen mit Frank würde er sich Neues beschaffen. Aber dieser Ring, der war einmalig. Genau das, was Rachael verdient hatte. Genau das, was seine Gefühle für sie ausdrücken würde. Nein, sie durften ihn nicht haben. Nicht diesen Ring! Nicht ihn!
„Nein!“ stieß er hervor und war im nächsten Moment schon trotz immenser Schmerzen auf den Beinen. Woher er die Kraft dafür nahm, konnte er nicht sagen. In seinen Ohren rauschte es, der Puls hämmerte unter seine Schädeldecke, sein Herz pochte wild in seiner Brust. Blitzschnell schoss er nach vorn, riss seine Arme in die Höhe, fixierte den Beutel an, aus dem der Gangster gerade die Schachtel mit dem Ring fischte.
Ganz offensichtlich hatte der nicht mehr damit gerechnet, dass sein Opfer sich noch regen würde. Als er Timothy dann plötzlich heran rauschen sah, riss er seine Augen in echter Panik weit auf. Doch konnte er den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Dixon umschloss seinen rechten Unterarm, brüllte nochmals „Nein!“, riss ihn dann zu sich und schleuderte ihn weiter gegen die Hauswand, wo der Kerl hart dagegen krachte und ihm die Schachtel mit dem Ring aus den Händen glitt. Das aber registrierte Timothy nicht, sondern stürmte sofort auf seinen Widersacher los.
In diesem Moment hatte der andere Mann seinen Schock überwunden und hechtete instinktiv hinter Timothy her, um seinem Kumpan zu helfen. Er erreichte ihn, als Dixon wiederum den anderen erreicht hatte. In den nächsten Sekunden kam es zu einem undurchsichtigen Kampf, in dem jeder mit viel Gebrüll versuchte, die Oberhand zu gewinnen.
Plötzlich schrie Timothy wild auf. Einen Lidschlag später zuckten die beiden Männer einen Schritt zurück, als habe Dixon eine ansteckende Krankheit. Schweratmend blickten sie ihr Opfer an. Timothys Blick war leer und wässrig. Auch er atmete schwer. Mit bebendem Körper taumelte er rückwärts, bis er gegen die Hauswand stieß. Als er seine Hände anhob zitterten sie erbärmlich, während er krampfhaft versuchte, auf den Beinen zu bleiben, was ihm aber nur wenige Augenblicke gelang, weil tief in seinem Bauch das Messer steckte, mit dem ihm der eine der beiden Männer noch vor Minuten bedroht hatte.
Dann knickten seine Beine unter ihm weg und er krachte mit einem gequälten Stöhnen auf die Knie. Während er seinen Kopf zu seinen Widersachern drehte und sie seinen wissenden Blick sahen, der ihnen eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken jagte, verharrte sein Oberkörper reglos, bevor Timothys Gesichtszüge erschlafften und er vornüber auf den Asphalt kippte.
„Was…?“ Der Kerl, der ihn zusammengeschlagen hatte, starrte zunächst noch Timothy an, dann schluckte er schwer und wandte sich dann an seinen Kumpel. „Was hast du getan?“
„Ich..!“ Der andere war nicht minder geschockt. Er wollte seinem Freund helfen und hatte darüber ganz vergessen, dass er noch immer das Messer in den Händen gehabt hatte. „…wollte dir helfen!“
„Du…hast ihn…!“ Er stoppte ab und schluckte erneut, während er mit weiterem Entsetzen sah, wie sich eine Blutlache unter Timothys Körper bildete.
„Verdammt Billy! Das ist deine Schuld!“
„Meine…?“ Billy warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Ich habe dir gesagt, lass uns gehen! Du wolltest ja nicht hören!“ warf ihm der andere vor.
Daraufhin blickte ihn Billy finster an. „Du bist ein Idiot, Duke. Ein Idiot und ein Arschloch!“
Duke schien ihn gar nicht zu hören. „Was machen wir denn jetzt?“
„Na, was wohl!?“ Billy warf ihm einen zornigen Blick zu, dann brummte er missmutig. Im nächsten Moment trat er neben Timothy und drückte seinen Körper mit dem rechten Fuß vorsichtig auf den Rücken, ohne mit dem Blut auf dem Boden in Kontakt zu kommen.
Als er Dixons lebloses Gesicht sehen konnte, stöhnte Duke angewidert auf.
Billy aber ließ sich nicht beirren. Er holte ein Taschentuch aus seiner Jacke hervor, beugte sich herab und ergriff das Messer, das noch immer in Timothys Bauch steckte. Es war voller Blut und als er es herauszog, war ein ekelhaft glitschiges Geräusch zu hören. Duke stöhnte dabei nochmals auf, als würde er selbst es spüren. Billy erhob sich wieder, trat zu dem anderen und drückte ihm das Messer an den Körper. „Hier, nimm es!“ Sein Partner sah ihn angewidert an, steckte es aber weg. „Ich will es nie wiedersehen, hörst du?“ Der andere nickte. „Und jetzt weg hier!“
Als sie ihre gemeinsame Wohnung erreicht hatten und gerade dabei waren, sich ihre Jacken auszuziehen, fragte Theresa: „Und, was machen wir jetzt?“
Kate sah ihre Tochter halb verständnislos, halb amüsiert an. „Du gehst schnurstracks ins Bett, junge Dame!“
Theresa war sichtlich traurig, bis ihr scheinbar etwas einfiel. „Aber ich bin noch viel zu aufgekratzt. Ich kann noch nicht schlafen!“ Sie machte einen Schmollmund. „Darf ich zu dir ins Bett und beim Fernsehen einschlafen?“ Ihr Blick dabei konnte Steine erweichen.
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