Er grinste nochmals und legte das Handy zurück auf den Tisch, ohne auf eine Antwort zu warten. Wie er gesagt hatte, ging er erst einmal duschen.
Als er nach einer halben Stunde frisch rasiert und vollständig angezogen zurück in die Küche kam, blinkte sein Handy erneut. Es war – natürlich – Kate, die seine Nachricht als verstanden gab und ihm viel Spaß wünschte. Frank antwortete ihr darauf allerdings nicht, sondern zog sich seine Jacke an und verließ die Wohnung in Richtung Lagerhaus, in dem der Porsche stand. Er hatte beschlossen, ihn durchzusehen, um, für den Fall, dass er beim letzten Rennen doch größere Schäden, als angenommen, davongetragen hatte, dies di Maria heute Abend bei ihrem vereinbarten Gespräch gleich mitteilen zu können. Auf dem Weg dorthin würde er sich einen Kaffee und einen Bagel gönnen.
*
Timothys kleine Zwei-Zimmer-Wohnung lag zur Hofseite eines Mehrfamilienhauses. Sie war nicht sonderlich groß, aber sauber und preiswert, denn natürlich konnte er sich als Student nicht mehr leisten.
Die anderen Mieter waren meist wie er alleinstehend und gingen überwiegend einer geregelten Arbeit nach. Daher war der Flur, in dem seine Wohnung lag, gegen elf Uhr vormittags, so wie jetzt, ziemlich ausgestorben.
Deshalb hörte auch niemand die Geräusche aus Timothys Wohnung, die für ihn ganz sicher sehr ungewohnt waren.
Eindeutig war Dixon wach, denn es war ein tiefes und schweres Stöhnen zu vernehmen, das sich anhörte, als würde er schwere körperliche Arbeit verrichten. Wenn man gehässig sein wollte, konnte man auch annehmen, dass da jemand erhebliche Verdauungsprobleme hatte.
Doch immer wieder, und das ließ keinerlei Sinn für Humor aufkommen, war das Stöhnen auch deutlich so schmerzhaft, das Timothy wahre Höllenqualen zu durchleiden schien.
Ab und an waren zusätzlich dumpfe Geräusche zu hören, so, als würde etwas gegen Wände schlagen oder gegen Möbelstücke stoßen.
Das alles ging fast fünf Minuten so, bis alle Geräusche urplötzlich verstummten, nachdem ein halb erstickter, halb zorniger Schrei zu hören gewesen war.
Einige Augenblick später wurde die Eingangstür aufgerissen und Timothy verließ mit schnellen Schritten das Haus.
*
Frank war durchaus zufrieden. Die Schäden am Porsche hielten sich in Grenzen und offenbarten kaum mehr, als das, was er schon direkt nach dem Rennen erkannt hatte.
Er musste lediglich vorn neue Bremsbeläge montieren und die beiden Stoßdämpfer an der Hinterachse erneuern. Während er das mit den Stoßdämpfern schon im Vorfeld wusste – er hatte sich aber gesagt, dass sie ein weiteres Rennen schon noch verkraften würden, was sie ja letztlich auch taten – war die Sache mit den Bremsbelägen neu. Das ärgerte ihn, denn eigentlich hätten sie trotz der hohen Beanspruchung noch nicht diesen Verschleiß aufweisen dürfen. Er hatte jedoch selbst schuld daran, weil er sich für die angeblich bessere und preisgünstigere Variante eines Bekannten entschieden hatte und nicht für Toms Angebot. Er schalt sich dafür einen Narren und beschloss, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Also rief er kurzerhand in Toms Garage an und bestellte bei ihm neue Beläge. Ihre Lieferung würde am Montag erfolgen.
Da Frank aber bereits die Stoßdämpfer für die Hinterachse besorgt hatte, machte er sich daran, diese zu wechseln.
Er war auch gerade mitten bei der Arbeit, als urplötzlich eine Alarmglocke die relative Stille in der Montagehalle zerriss.
Frank erschrak kurz, legte sein Werkzeug beiseite und ging mit schnellen Schritten zur östlichen Wand, wo neben dem Aufgang in das Erdgeschoss ein kleiner Bildschirm mit Tastatur darunter befestigt war.
Das Warnsignal sagte Frank, dass Jemand an der vorderen Eingangstür war und gerade zum dritten Mal einen falschen Code eingegeben hatte. Zwar glaubte er nicht, dass es die Bullen waren, denn die hätten sich sicherlich nicht die Mühe gemacht, die Tür zu nehmen, sondern gleich das Tor eingerissen, dennoch blieb er angespannt.
Mit einem Knopfdruck aktivierte er das Bildschirmdisplay.
Einen Augenblick später schon legte sich Franks Stirn in Falten und er brummte missmutig, weil er vor dem Eingang eindeutig Timothy erkennen konnte. Sein Freund sollte den Code für die Tür eigentlich kennen. Durch die dritte Fehleingabe hatte sich das Schloss jetzt elektronisch verriegelt und konnte nur noch an der Hauptkonsole direkt an der Tür entriegelt werden. Frank blieb also nichts anderes übrig, als dorthin zu gehen.
Da er es aber nicht leiden konnte, wenn man ihn bei der Arbeit unnötigerweise unterbrach – und Timothys Vergesslichkeit war ja wohl ganz offensichtlich unnötig -, noch Lust dazu hatte, jetzt zur Eingangstür zu gehen und Dixon obendrein weiterhin versuchte, den Code einzugeben – was absolut nichts mehr nützte, selbst wenn es jetzt der Richtige sein sollte – und dadurch ständig dieser nervige Warnton erklang, war seine Laune natürlich entsprechend mürrisch.
Nachdem er die Tür entriegelt und sie geöffnet hatte, ließ er seinen Frust auch gleich an seinem Partner aus. „Alter, wenn du noch einmal auf diese Tastatur drückst, reiß ich dir den Arm ab. Das schwöre ich!“ brummte er mit säuerlich verzogenen Mundwinkeln.
„Ähm, was?“ Timothy schien überrascht und blinzelte ihn mit einem irgendwie gehetzt wirkendem Blick an.
„Nicht was !“ murrte Frank. „Entschuldigung heißt das! Wie kann man nur so blöd sein und den Code vergessen!?“
„Was?“ Dixon schien noch immer ziemlich verwirrt.
„Ja, nun komm schon rein!“ Palmer zog ihn förmlich ins Innere. „Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit!“ Er schloss die Tür wieder, drehte sich um und wollte zurück zum Treppenhaus gehen, als er innehielt und auf Dixons rechtes Bein blickte. "Was ist mit deinem Knie?" fragte er, da er keine Krücke sehen konnte.
Im ersten Moment schien Timothy gar nicht zu wissen, was Frank meinte, doch dann grinste er nur breit. "Dem geht es prima! Ich habe keine Schmerzen mehr. Es ist, als wäre nie etwas gewesen!"
"Okay!" meinte Frank jedoch wenig überzeugt. "Mach trotzdem sinnig!"
Dixon nickte. "Na klar!"
Palmer brummte und ging, ohne weiter auf Timothy zu achten, zurück ins Untergeschoss, dem daraufhin nichts anderes übrig blieb, als ihm wie ein Dackel zu folgen.
Unten angekommen machte sich Frank sofort wieder an die Arbeit. „Was kann ich für dich tun?“ fragte er jedoch.
„Für mich?“ Timothy schien echt überrascht über diese Frage und zuckte die Achseln. „Nichts! Ich wollte dich bloß mal besuchen!“
Palmer drehte sich zu ihm um und sah ihn mit gekräuselter Stirn an. „Aha!“ Er schien jedoch wenig überzeugt, legte aber dennoch den Schraubenschlüssel beiseite, trat zu einer Kühlbox auf der Werkzeugbank, öffnete sie, nahm zwei Dosen Coke heraus und reichte Timothy eine davon. Während sein Partner sie mit einem grinsenden Nicken, aber doch auch irgendwie abwesend entgegennahm, sie öffnete und einen Schluck trank, beobachtete Frank ihn. Dixon bemerkte das und als er die Dose wieder absetzte, verschluckte er sich ein wenig und musste husten. „Was ist?“ fragte er.
„Nichts!“ Frank schüttelte den Kopf. „Außer, dass du echt Scheiße aussiehst!“ Und das stimmte tatsächlich. Jetzt, da er seinen Partner richtig sehen konnte, fiel ihm sofort sein nervöser, fast gehetzter, Gesichtsausdruck und das fahrige Verhalten auf. Timothy schwitzte, seine Haut war fahl, ja wirkte fast grau. Sah ganz so aus, als hätte sich Dixon etwas eingefangen.
„Ach was!“ wehrte Timothy jedoch sofort ab. „Ich bin nur tierisch müde und ziemlich kaputt. Ich glaube, ich brauche einfach etwas Schlaf!“
Frank verzog die Mundwinkel. „Na, dann ist ja gut, dass du heute Abend dein Date mit Rachael hast, was?“ Er grinste säuerlich.
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