Eigentlich war dies kein Lokal, wo sie normalerweise essen gingen, da es zu teuer war, doch Kate hatte schon viel Gutes über die Küche gehört und so widersprach sie nicht. Außerdem hatte sie wirklich großen Hunger, ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr so ausgeprägt verspürt hatte und die Aussicht auf ein wirklich leckeres Pasta-Gericht hob ihre Stimmung nach der anstrengenden und nervigen Schicht im Kaufhaus merklich.
Entsprechend gelöst war die Stimmung, als die drei das Restaurant betraten. Obwohl sie keinen Tisch reserviert hatten, bekamen sie dennoch einen ruhigen und schönen Platz. Der Blick in die Speisekarte zeigte, dass die Gerichte zwar teurer waren, als sie das gewohnt waren, aber auch nicht so teuer, dass ihnen das den Appetit verdorben hätte. Theresa bestellte sich eine Apfelschorle, Frank ein großes Bier. Kate hätte gern ein Glas Wein getrunken, doch verzichtete sie aufgrund ihres Zustands auf Alkohol. Frank aber ermutigte sie, sich von dem Kellner beraten zu lassen. Am Ende wählte sie einen sehr leichten Rosé, der, wie sich später herausstellen sollte, wunderbar mit ihrer Pasta harmonierte.
Theresa wählte eine Pizza für sich und Frank ebenfalls ein Nudelgericht.
Sie mussten auch nicht lange auf ihr Essen warten und waren dann angenehm überrascht, als sie die Größe der Portionen sahen, die in allen drei Fällen am Ende mehr als ausreichend war. Außerdem – und das war ja wohl das Wichtigste – schmeckte alles absolut köstlich, was die Stimmung bei den Dreien nochmals anhob und sie einen wirklich wundervollen Abend zusammen verbrachten.
*
Während Timothy auf das Essen wartete und dabei froh war, seinem Knie eine ordentliche Pause zu gönnen, war er in Gedanken schon bei Samstagmorgen, wenn er Rachael den Ring überreichen würde. Dabei hatte er wieder ein Lächeln auf den Lippen. Fast hätte er die junge Bedienung nicht bemerkt, die ihm den Teller reichte, doch als ihm der herrliche Duft des Steaks um die Nase wehte, verspürte er plötzlich großen Hunger und stürzte sich für die nächsten zwanzig Minuten auf das Fleisch samt Beilagen.
Am Ende hatte er sogar noch Lust auf einen Nachtisch und bestellte sich ein Stück Apfelkuchen. Dazu trank er zwei Cappuccino.
Als er damit fertig war und auf die Uhr schaute, war er doch sehr überrascht, dass es schon kurz vor zweiundzwanzig Uhr war. Sein Tagtraum war so schön gewesen, dass er glatt die Zeit vergessen hatte.
Doch wen störte es? Er hatte heute eh nichts mehr vor. Er würde jetzt nachhause und dann früh schlafen gehen. Schließlich würde er morgen eine lange Nacht bekommen, da musste er fit sein.
Also holte er erneut den Umschlag aus der Jackentasche und zahlte die Rechnung, wobei er der netten Bedienung ein üppiges Trinkgeld in die Hand drückte.
Dann machte er sich auf den Heimweg.
Dass er hierbei schon lange nicht mehr allein war, erkannte Timothy jedoch nicht.
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Als Frank sich noch ein Bier bestellte, fasste sich Kate ein Herz und nahm noch ein Glas Wein. Außerdem – und das versetzte ihren Bruder und ihre Tochter in unverhohlenes Staunen – machte sie sich über den Rest Pizza her, den Theresa nicht mehr schaffte.
Frank und seine Nichte sahen sich mit großen Augen an und begannen dann fröhlich zu grinsen, denn sie sahen Kates Verhalten als ein positives Zeichen und gönnten ihr jeden Bissen von ganzem Herzen.
Als sie sich dann schließlich auf den Heimweg machten, war es schon kurz vor halb elf, doch das störte niemanden. Beide Frauen bedankten sich bei ihm mit einem Kuss auf die Wange für das tolle Essen und den schönen Abend.
Dann hakte sich Kate sich bei ihrem Bruder ein und Theresa fasste ihn an der Hand. Gemächlich schritten sie die Straße hinab.
*
Warum Timothy die dunkle Gasse nahm, wusste er nicht wirklich zu sagen. Wahrscheinlich war es eine Vielzahl von Gründen.
Er war müde und hatte schlicht keine Lust, noch länger auf den Beinen zu sein, auch um sein Knie zu schonen. Außerdem träumte er weiterhin von Rachael, ihrer gemeinsamen Nacht und seinem Geschenk für sie, sodass er für andere Gedanken, wie etwa einem gewissen Maß an Vorsicht, keinen Sinn hatte. Und da er die Gegend hier eigentlich ganz gut kannte und wusste, dass der Weg, den er einschlug, zwar schlecht beleuchtet war, aber eine echte Abkürzung zu seiner Wohnung darstellte, hatte er auch keinerlei Bedenken.
All das wurde letztlich auch belanglos, als schon nach wenigen Schritten urplötzlich ein ihm unbekannter Mann aus einem Seitengang von der linken Seite her auf ihn zukam.
Timothy war so sehr in Gedanken, dass er ihn erst wahrnahm, als er direkt vor ihm stand. Der Mann war etwas größer, als er selbst, aber nicht durchtrainiert. Seine Kleidung war durchschnittlich und unauffällig. Sein Gesicht konnte er kaum erkennen, da eine Mütze einen zusätzlichen Schatten darauf warf.
Vielleicht, wenn er nicht so sehr an Rachael gedacht hätte, hätte er ihn als die Person erkannt, die ihn, kurz bevor er die Gasse erreicht hatte, mit schnellen Schritten überholte und dann ebenfalls in die Gasse eingebogen war. Doch so war er vollkommen unvorbereitet.
„Hey Mann!“ sagte der Kerl mit tiefer Stimme. „Hast du mal Feuer?“ Dabei hielt er ihm eine Zigarette vor die Nase.
„Was?“ Timothy war überrascht und erschrocken zugleich. „Nein! Sorry, ich rauche nicht!“ Im nächsten Moment wollte er sich an dem Mann vorbeischieben und weitergehen, doch der hielt ihn auf.
„Hast du dann wenigstens ein bisschen Geld, damit ich mir ein Feuerzeug kaufen kann?“
Timothy spürte den Griff an seinem linken Unterarm, starrte zunächst darauf und dann in das Gesicht des Mannes, das er noch immer kaum erkennen konnte. Alles, was er sah, war ein freundliches Lächeln. Ach, was soll es , dachte er, kramte in seiner Hosentasche und holte zwei Dollar hervor. „Hier!“ Er hielt ihm das Geld hin.
„Was?“ Der Mann war sichtlich erstaunt. „Mehr nicht?“
„Mehr habe ich nicht!“ erwiderte Timothy, als urplötzlich eine Alarmsirene in seinem Kopf ansprang.
Im selben Moment verzog der Mann seine Mundwinkel und das Lächeln wurde verächtlich. „Das glaube ich aber doch!“
Jetzt endlich hatte Timothy die Situation erkannt. Ein eiskalter Schauer zuckte durch seinen Körper. Der Kerl da vor ihm, war nicht zufällig hier und er wollte nichts anderes, als ihn ausrauben.
Timothy spürte, wie sich sein Puls schlagartig beschleunigte. Er begann augenblicklich zu schwitzen und wurde sichtlich nervös. Doch reagierte er in diesem Moment sehr schnell. Noch bevor der Kerl vor ihm seine Hände anheben konnte, hatte er die Krücke losgelassen und seine eigenen in die Höhe gerissen, um sich dagegen zu wehren.
Dennoch war er zu langsam.
Denn wie auch sollte er wissen, dass der Mann nicht allein agierte und sich sein Komplize längst schon unbemerkt von hinten herangeschlichen hatte, um Timothy jetzt mit den Worten „Sachte mein Freund!“ ein Messer in den Rücken zu drücken.
Dixon erstarrte, spürte, wie er zu zittern begann.
Seine beiden Widersacher agierten schnell und konsequent. Obwohl es eigentlich nicht nötig war, schoben sie ihn unsanft einige Meter weiter und schleuderten ihn hinter einem großen Müllcontainer gegen die Hauswand. Kaum dass Timothy schmerzvoll aufstöhnte, weil sein Knie jetzt höllisch schmerzte und er noch dazu unkontrolliert und hart mit dem Hinterkopf gegen den Beton krachte, war der erste Kerl schon bei ihm. Blitzschnell schlug er ihm zweimal in den Bauch. Timothy schrie erstickt auf und sein Oberkörper klappte vornüber. Dann folgte ein knallharter Abwärtshaken, der ihn auf die Knie fallen ließ.
„Hör auf Mann!“ hörte er durch eine Welle von Übelkeit und Schmerz hindurch den Kerl mit dem Messer sagen. „Beeil dich und lass uns von hier verschwinden!“
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