Nachdem der Esel zum Trocknen auf einen Wäscheständer gelegt worden war – ihn an den Ohren aufzuhängen, dagegen sperrte sich Theresa mit Händen und Füßen und auch eine ausgiebige Kitzelattacke konnte sie nicht umstimmen – verspürten beide eine gewisse Müdigkeit und sie schliefen auf der Couch ein.
Zu diesem Zeitpunkt war es gegen drei Uhr nachmittags.
Timothy war nahe daran, zu verzweifeln. Ja, es fehlte tatsächlich nicht mehr viel und er hätte sogar geheult.
Dabei hatte er doch wirklich nur die besten Absichten, aber irgendwie schienen sowohl der Herrgott, als auch das Glück nicht auf seiner Seite zu sein.
Nachdem ihn Palmer heute Morgen nachhause gefahren hatte, war er zufrieden über ihren Sieg gewesen, noch zufriedener mit seiner Siegprämie und eigentlich total müde und ausgelaugt.
Er nahm eine Tablette gegen die Schmerzen in seinem Knie, doch kaum, dass er in seinem Bett in seiner kleinen zwei Zimmer Wohnung lag, fand er keine Ruhe mehr, weil sein Gehirn einfach nicht aufhören wollte zu denken.
Anfangs fand er das auch noch ganz schön, denn all seine Gedanken kreisten nur um eine ganz bestimmte Sache, nämlich sein Date mit Rachael am morgigen Freitagabend, und er nahm an, dass ihm das beim Einschlafen sogar förderlich wäre. Aber eine merkwürdige, stetig zunehmende Nervosität verhinderte dies.
Timothy erkannte dabei neben einer riesigen Vorfreude auf einen ganzen Abend und eine ganze Nacht allein mit Rachael auch eine gehörige Portion Unsicherheit.
Und der Grund dafür war so einfach, wie schmerzhaft:
Als er Rachael vor etwa drei Jahren zum ersten Mal sah, war für ihn sofort klar: Die muss ich haben! Offensichtlich erging es ihr kaum anders. Und so nutzten sie die erstbeste sich bietende Gelegenheit. Dabei waren sie wie zwei mega-starke Magneten, die sich förmlich an rissen . Der Zusammenstoß war irrsinnig heftig und endete in wildem, hemmungslosem, aber irre geilem, feuchtem und lautem Sex bis zum Morgengrauen.
Hiernach war klar, dass sie nicht mehr voneinander lassen konnten. In der Folgezeit hatten sie den absolut besten Sex ihres Lebens und viel zu spät erst merkten sie, dass sie dabei die anderen Dinge für eine erfolgreiche und dauerhafte Beziehung zu sehr vernachlässigt hatten. Als ihnen dann klar wurde, dass sie sich eigentlich kaum kannten und diese Phase unbedingt nachholen mussten, war Rachael bereits schwanger.
Timothy traf das wie ein Hammerschlag. Über so etwas wie Vater werden, Vater sein, eine Familie haben, Verantwortung tragen und so vieles mehr hatte er sich bisher doch überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Und eigentlich wollte er das doch auch noch gar nicht, war doch noch viel zu jung dafür, wollte sich doch erst noch selbst verwirklichen, wie auch immer dies aussehen mochte, und erst dann – viel später – über eine eigene Familie nachdenken.
Rachael schien anfangs ähnlich zu denken und so war sich Timothy ziemlich sicher, dass ein Schwangerschaftsabbruch, so schlimm er auch sein mochte, für sie beide im Moment der beste Weg war.
Doch da hatte er sich böse getäuscht, denn als er die Sprache darauf brachte, reagierte Rachael mit strikter Ablehnung. Eine Abtreibung kam für sie überhaupt nicht in Frage. Sie würde das Kind bekommen, notfalls auch ohne ihn an ihrer Seite.
Das aber konnte Timothy natürlich nicht zulassen, da ihm sowohl sein Ehr- als auch sein Pflichtgefühl davon abhielten.
Also zogen sie zusammen und in den ersten Monaten schien auch alles gut zu laufen. Selbst als das Kind, seine Tochter Jasmin, geboren wurde, änderte sich das nicht.
Erst nach und nach wurde Timothy klar, dass hier etwas mit ihm geschah, das er so nicht gewollt hatte. Jedoch unfähig, mit Rachael darüber zu reden, distanzierte er sich immer mehr von ihr und als ihr das bewusst wurde, kam es zur Aussprache, die in einem heftigen und ekelhaften Streit mündete, an dessen Ende Timothy die gemeinsame Wohnung verließ und die Beziehung beendete.
Um auf andere Gedanken zu kommen, zog er fortan sehr oft um die Häuser, trank sehr viel Alkohol und hatte nahezu jeden Tag Sex mit einer anderen Frau. Beinahe hätte er sogar sein Studium abgebrochen.
Schien das anfangs genau das zu sein, was er wollte und brauchte, drängte sich jedoch mit zunehmender Dauer ein vollkommen anderes Gefühl in den Vordergrund: Einsamkeit!
Wenn er sich abends mit seinen Freunden traf und sie schwatzten und lachten, ertappte er sich immer öfter dabei, dass er nicht mehr zuhörte und sich stattdessen fragte, was wohl Rachael und Jasmin taten. Wenn er Alkohol trank, mahnte er sich immer öfter, damit aufzuhören, weil er als Familienvater nicht betrunken sein durfte, weil er sich doch niemals verzeihen würde, nicht Herr seiner Sinne zu sein, wenn Rachael oder gar Jasmin etwas passieren sollte. Und wenn er Sex mit anderen Frauen hatte, sah er anstelle ihrer Gesichter immer öfter Rachael vor sich.
Das machte ihn anfangs melancholisch und dann, als ihn seine Freunde damit aufzogen, total wütend. In volltrunkenem Zustand demolierte er Teile seiner Wohnung, bevor er aus dem Haus stürmte und vor ein Auto lief. Der Fahrer konnte gerade noch rechtzeitig reagieren. Zwar kam es zum Zusammenstoß, doch Timothy kam mit einigen Prellungen und Schürfwunden davon.
Als er wieder zu sich kam, lag er im Krankenhaus und fühlte sich hundeelend. Doch das alles war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, dass er hatte, als urplötzlich Rachael mit seiner Tochter auf dem Arm an seinem Bett erschien. Timothy rechnete damit, dass sie ihm Vorwürfe machen würde, doch genau das Gegenteil war der Fall: Rachael schien besorgt, war sehr freundlich zu ihm, lachte, streichelte ihn und setzte sogar Jasmin neben ihn auf das Bett.
Sie blieben fast eine Stunde und redeten beinahe ungezwungen über Gott und die Welt.
Als Sie dann gegangen waren, begann Timothy urplötzlich hemmungslos zu weinen, denn neben vielen anderen Empfindungen, überschattete ein Gefühl alle anderen: Scham!
Oh ja, Timothy schämte sich zutiefst für das, was er getan hatte. Gestern, die ganze Zeit seit ihrer Trennung und auch die ganze Zeit, seit klar war, dass Rachael schwanger war.
Er war ein Idiot gewesen. Ein Idiot und ein Arschloch. Egoistisch, kindisch und total unreif.
Ein wilder Schrei entfuhr ihm, voller Verzweiflung und Wut auf sich selbst.
Als er aber verklungen war, schien es Timothy plötzlich, als wäre ein Schleier gefallen und er sah die Welt jetzt viel klarer.
In diesem Moment traf er eine Entscheidung:
Er würde sein Leben von Grund auf ändern und seine Fehler wieder rückgängig machen.
Die Folgezeit sollte dann zeigen, dass dieses Vorhaben alles andere als einfach war, doch Timothy ließ sich von seinem gewählten Weg dennoch nicht abbringen. Er trank nicht mehr, er hurte nicht mehr herum, nahm sein Studium wieder auf und suchte sich einen Nebenjob. Er brachte seine Wohnung in Ordnung. Er trieb wieder Sport, kaufte sich neue Kleidung, pflegte sein Äußeres.
Und er suchte den Kontakt zu Rachael und seiner Tochter.
Welch schweren Weg er noch vor sich hatte, zeigte sich aber alsbald, denn Rachael war bei ihrer nächsten Begegnung lange nicht mehr so freundlich, wie noch im Krankenhaus. Eher etwas distanziert und abwartend. Timothy aber hatte damit gerechnet und ließ sich nichts anmerken, sondern bemühte sich nur noch mehr um die beiden.
So vergingen Wochen und Monate und gerade, als Timothy für sich erkannte hatte, dass er schlichtweg doch zu viel kaputt gemacht hatte, um einen Neuanfang zu erhoffen, änderte sich Rachaels Verhalten ihm gegenüber und sie wurde wieder aufgeschlossener.
Sie gab offen zu, nicht sicher gewesen zu sein, ob er sich wirklich geändert hatte, doch allmählich wieder Vertrauen zu ihm fand. Sie war ehrlich genug, ihm zu sagen, dass sie nicht wusste, ob es für sie wieder eine Rückkehr geben konnte, dennoch aber wollte sie, schon ihrer Tochter zu liebe, ein enges Verhältnis zu ihm aufbauen und beibehalten. Als Zeichen dafür durfte er Jasmin dann über Nacht bei sich behalten.
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