Er fühlte sich daher sofort nicht sonderlich wohl und war dankbar, wenn auch etwas überrascht, dass neben ihm noch gut ein Dutzend weitere Kunden anwesend waren und fast schon ein wenig Gedränge vor den Schaukästen herrschte. Dadurch hatte er Zeit zum Stöbern, ohne dass ihn gleich ein Verkäufer ansprach. Langsam schritt er die Vitrinen ab und fühlte sich bei den ausgehängten Preisen sogleich in seiner ersten Annahme bestätigt. Das alles lag weitab seiner Möglichkeiten und seiner Vorstellungen. Instinktiv wollte er sich schon abwenden und wieder gehen, als er plötzlich vor einer Vitrine zum Stehen kam, an der ein Schild mit der Aufschrift „Ausverkauf!“ prangte. Die Stücke, die dort ausgestellt waren, unterschieden sich kaum von den anderen, doch überall gab es kleine Aufkleber mit 30% bis hin zu 70% Nachlass.
Schön , dachte Dixon, jetzt müsste eigentlich nur noch…
Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte auf den Ring in der Auslage. Sofort war er sicher: Das ist er! Schlicht, aber mit einem echten Diamanten besetzt. Unauffällig, aber dennoch edel. Der Preis betrug 1.400 Dollar, doch als Timothy das Rabattschild daneben sah, war er kurz davor auszuflippen. 70% Nachlass stand da! 70%!
Unmöglich , schoss ihm sofort in den Kopf. Das muss ein Irrtum sein!
„Ah, wie ich sehe…!“ hörte er plötzlich die sanfte, tiefe Stimme eines Mannes hinter der Vitrine sagen. „…haben Sie ihre Wahl bereits getroffen!“
Als Timothy aufschaute, blickte er in das äußerst gepflegte, sehr freundlich lächelnde, sympathische Gesicht eines älteren Herrn in einem feinen grauen Anzug. „Ich…!“ mehr brachte er nicht heraus.
Der Mann lächelte sanft. „Ein wirklich außergewöhnlich schönes Stück. In der Tat!“ Er öffnete die Vitrine und holte den Ring heraus. „Schlicht, aber mit einem echten Diamanten besetzt. Unauffällig und doch edel!“
Mann, das waren genau meine Gedanken! Timothy musste schlucken. „Das…das stimmt!“ Er lächelte zurück und der Alte nickte. „Aber…der Preis!?“
„Tausendvierhundert Dollar waren absolut angemessen dafür. Leider…!“
Aha, jetzt kommt es . „Leider…?“
Der Alte lächelte wieder. „Natürlich hat es seinen Grund, warum wir das Stück derart preiswert anbieten!“
„Und der wäre?“
„Der Ring war ursprünglich vorbestellt gewesen und wurde daher auf der Innenseite graviert, doch…die Beziehung hat die Abholung einige Tage später nicht mehr erlebt!“ Der Alte schien einen Augenblick in Gedanken. „Ich wollte den Ring aber nicht vernichten, weil ich ihn einfach zu schön fand. Ich habe die Gravur so gut es ging entfernen lassen. Sehen sie…!“ Er hielt Timothy den Ring vor die Nase und deutete darauf. Tatsächlich war die Innenseite deutlich matter, als der Rest des blankpolierten Rings. Allerdings wirkte das eher wie gewollt und nicht erzwungen. Jemand, der die Ursache hierfür nicht kannte, hätte geglaubt, das wäre von vornherein so angedacht gewesen. „Eigentlich ist fast nichts mehr zu sehen, aber natürlich ist er…nicht mehr neu! Und selbstverständlich ist er auf die Fingergröße der vermeintlichen Braut gefertigt!“ Er sah Timothy erwartungsvoll an, doch als dieser nichts zu erwidern zu wollen schien, fügte er schnell hinzu. „Ich verstehe daher, wenn Sie…!“
„Ich nehme ihn!“ rief Timothy plötzlich. Es war wie eine innere Eingebung. Der Ring sah genau so aus, wie das, was er sich für Rachael vorgestellt hatte, nur dass er niemals mit einem echten Diamanten gerechnet hätte. Somit war dieser Ring sogar noch besser, als das, was er erhofft hatte. Also musste er einfach zuschlagen. „Ich nehme ihn!“ wiederholte er leiser und mit einem Lächeln.
„Sind sie sicher?“ fragte der Alte nochmals freundlich nach.
Timothy nickte. „Ja. Ganz sicher!“
„Okay!“ Der Mann war zufrieden und legte den Ring in ein entsprechendes Kästchen. „Wahrscheinlich wird der Ring ihrer Frau nicht passen, aber dann kommen Sie einfach mit ihr vorbei und wir machen ihn enger oder weiten ihn! Das ist überhaupt kein Problem!“ Er lächelte freundlich und Timothy nickte. „Dann darf ich um einen Moment Geduld bitten. Ich werde ihn als Geschenk verpacken lassen!“ Er sah Dixon an und als dieser erneut nickte, wandte sich der Alte ab und übergab den Ring an eine attraktive Mitarbeiterin, die sich sogleich daran machte, ihn hübsch zu verpacken.
Während Timothy ihr einen Augenblick dabei zusah, wurde das Lächeln auf seinen Lippen immer breiter, da er sich immer sicherer wurde, hier ein echtes Schnäppchen gemacht zu haben, das Rachael sprachlos machen würde. Dann wandte er sich vom Tresen ab und kramte sein Geld aus der Innentasche seiner Jacke. Es befand sich noch immer in dem Umschlag, den Frank ihm gegeben hatte. Bevor er das gesamte Geld herauszog, schaute er sich einmal kurz verstohlen um, war dann aber wieder so tief in Gedanken versunken, dass er fünfhundert Dollar abzählte, den Rest in den Umschlag zurückschob und wieder einsteckte.
Kurz darauf konnte er das Päckchen, das wirklich sehr schön verpackt worden war, in einer kleinen Tüte entgegennehmen und, nachdem er bezahlt hatte, das Geschäft total zufrieden und sehr glücklich wieder verlassen.
Dass sich sein Leben mit dem Besuch des Juwelierladens entscheidend und auch dramatisch verändern sollte, konnte er zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen, doch Tatsache war, dass Dinge ins Rollen gekommen waren, die niemand mehr aufzuhalten vermochte.
Als Frank seine Augen öffnete und sein Blick dabei zufällig auf die kleine Uhr auf dem Wohnzimmertisch fiel, war er sofort hellwach.
Himmel, schon nach sieben!
Nur mit Mühe konnte er seinem Drang nachgeben, sich schnell aufzurichten, denn noch immer lag Theresa halb auf ihm und schlief. Also drückte er sich vorsichtig in die Höhe, doch kaum, dass er sich bewegte, stöhnte das Mädchen auf und war im nächsten Moment ebenfalls wach.
„Was ist?“ fragte sie schlaftrunken.
„Zeit zum Aufstehen!“
Während seine Nichte noch etwas Zeit brauchte, um richtig wach zu werden, ging Frank ins Bad und machte sich ein wenig frisch. Als er damit fertig war, sah er, dass Theresa noch immer auf der Couch herumlungerte und mahnte sie an, sich die Zähne zu putzen und sich andere Sachen anzuziehen. Er selbst machte ein wenig Ordnung und zog sich ein frisches Hemd an.
Um zehn Minuten nach halb Acht waren beide startklar und machten sich auf den Weg zu Kates Arbeitsstelle, die sie um kurz nach Acht erreichten.
*
Nachdem er in Bezug auf Rachaels Geschenk fündig geworden war, machte sich Timothy noch auf die Suche nach einem neuen Hemd für den morgigen Abend, denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, dort in einem Anzug zu erscheinen. Doch dazu konnte er keines seiner vorhandenen Hemden nutzen. Also musste ein Neues her. Das war auch kein Problem, lediglich bei der Auswahl einer passenden Krawatte konnte er sich nicht recht entscheiden. Irgendwann aber hatte er auch dies erledigt. Letztlich kaufte er sich noch neue Unterwäsche. Als er die Sachen bezahlte, verspürte er mit einem Mal ein deutliches Hungergefühl aufkommen. Beim Blick auf die Uhr war er sehr erstaunt, denn es war schon nach Acht. Himmel, er hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war! Schnurstracks suchte er sich ein ansprechendes Lokal auf dem Heimweg und bestellte sich ein Steak und ein Bier.
*
Es dauerte nochmals zehn Minuten, bis Franks Schwester vor die Tür trat.
Nach einer kurzen, aber herzlichen Begrüßung, fragte sie. „Okay, Burger oder Pizza?“
„Italiener klingt gut!“ meinte Frank und als auch Theresa zustimmte, machten sie sich auf den Weg zur Pasteria ein paar Straßen weiter.
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