1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 „Erstaunlich“, meinte Gaten leise und betrachtete den Hof, als versuche er, sich vorzustellen, wie dort ein Drache landete. Dann traf sein Blick wieder auf Dannikas. „Wie groß ist Fehr?“, fragte er weiter.
„Er ist noch nicht ganz ausgewachsen und würde hier noch landen können, aber die Mauern wären in Gefahr, würde er sich auf der Stelle drehen. Und er müsste sich in den Hof fallen lassen, damit seine Flügel mit reinpassen. Ausgebreitet würden sie sicher ein gutes Dach ergeben.“
Gatens immer größer werdendes Erstaunen amüsierte Dannika und auch Fehr kicherte erneut im Hintergrund, weil sie ihm Gatens Gesicht als Erinnerung sandte.
„So groß?“, hakte er erstaunt nach.
„So groß“, bestätigte sie.
„Wie alt ist er? Hört er auch auf, zu wachsen?“
„Fehr ist vor dreiundzwanzig Jahren geschlüpft und hat seine volle Größe noch nicht erreicht. Er zählt aber als erwachsen. Vielleicht noch zehn Jahre, dann wird er das Maximum erreicht haben. Dann passt auch er nicht mehr in den Hof dort. Er gehört zu den Größten seiner Art. Seine Großmutter ist Isla, das größte Drachenweibchen aller Stürme.“
„Erstaunlich“, kam es erneut vom Kommandanten. „Und ein Sturm ist ...“
„... eine Familie der Drachen“, beendete Dannika seinen Satz. „Sie sind unterschiedlich groß. Die körperlich kleinsten Stürme, haben die meisten Mitglieder. Fehrs Sturm besteht aus siebzehn Drachen. Es ist der kleinste Sturm, hat aber die größten Tiere.“
Gaten schüttelte den Kopf. „Das ist so unfassbar.“
„Was genau?“, wollte Dannika wissen. Für sie war es alltäglich.
„Wenn aus Mythen Wirklichkeit wird“, erklärte er. „Bis vor einem Jahr habe ich nicht an euch geglaubt. Dann fand ich die Schriften und schickte vor sechs Monaten meine Boten los. Selbst da, war ich mir mehr als unsicher, was euch angeht. Erst kamen einige Neuigkeiten, dass meine Leute Anhaltspunkte hätten, die sie verfolgten und so. Es wurden aber immer weniger Briefe, bis keiner mehr kam. Und plötzlich erhielt ich die eine Nachricht, dass ihr kommen würdet. Einfach so, aus heiterem Himmel. Wir dachten alle, es wäre ein Scherz. Aber ihr kamt, nur nicht auf Drachen, sondern auf Pferden. Du erzählst mir das alles und ich glaube dir, auch wenn ich keine offensichtlichen Beweise habe. Trotzdem ist es merkwürdig unwirklich.“
Dannika hielt Gatens Blick die ganze Zeit fest, dann meinte sie: „Ich würde es auch verstehen, wenn ihr uns nicht glaubt. Ich meine, für mich ist das alles nichts Neues. Fehr und alle anderen Drachen gehören zu meinem Leben, wie die Luft zum Atmen. Wäre ich an deiner Stelle, wäre ich wohl auch skeptisch.“
Gaten nickte dankend, dass Dannika seine Lage verstand. „Mein König ist ebenfalls zweifelnd“, gab er zu und senkte den Blick. „Er glaubt nicht an Drachen, oder überhaupt, dass die Sturmlande ein Volk haben, dass imstande ist, uns zu helfen.“
„Er will die offensichtlichen Beweise“, erkannte sie.
Gaten nickte. „Früher oder später wird er eure Gefährten sehen wollen.“
„Euch ist bewusst, dass wir zu nichts verpflichtet sind“, merkte sie an. „Du hast uns um Hilfe gebeten. Das heißt, ihr braucht Hilfe. Und es deutet darauf hin, dass ihr keine hohen Ansprüche haben solltet, was diese Hilfe angeht.“
Wieder nickte Gaten. „Das ist richtig. Und wenn ihr uns verwehrt, eure Gefährten zu sehen, ist das vollkommen in Ordnung. Ich denke eher, mein König möchte sichergehen, dass ihr keine Scharlatane seid, die seine Gunst und sein Geld ausbeuten.“
Dannika lachte auf. „Wenn überhaupt, beuten wir seine Gunst nur auf seine Bitte hin aus. Wie gesagt, hat er uns eingeladen. Und sein Geld interessiert uns nicht. In den Skareth-Lena ist Geld nichts wert.“
„Nicht? Wie handelt ihr dann?“
„Mit Waren und Dienstleistungen. Wenn jemand etwas braucht, dann tauscht er.“
„Habt ihr gar kein Geld?“
„Meine Regentin besitzt welches. Sie gab mir was, damit wir uns hier versorgen können. Der Rest liegt sicher irgendwo als Dekoration auf einem Regalbrett. Wie erwähnt, Geld ist bei uns nichts wert. Rein gar nichts. Dein König muss sich also um seines keine Sorgen machen.“
„Das wird ihn wohl beruhigen“, lächelte Gaten scherzhaft.
„Und was die offensichtlichen Beweise angeht. Die kann er auch haben, wenn er darauf besteht. Aber nicht in Stadtnähe und nicht innerhalb der nächsten drei Tage. Wir hatten eine wirklich lange Reise und unsere Gefährten sollen sich genügend ausruhen können, bevor sie sich zeigen.“
Gatens Blick wurde aufgeregt. „Wie es euch am besten passt. Wir werden niemanden drängen. Ich würde mich aber persönlich auch freuen, sie kennenzulernen. Nachdem ich jetzt eine Ahnung habe, wie sie sind.“
„Ich bin auch gespannt, auf den kleinen Mann “, meinte Fehr. „Er wirkt wie ein Junge, der ein neues Spielzeug bekommen soll.“ Der Drache lachte.
„Fehr freut sich auch darauf, dich kennenzulernen“, gab Dannika lieber nur den ersten Teil, seiner Aussage weiter.
„Wirklich?“ Jetzt funkelten Gatens Augen regelrecht.
„Wirklich“, lachte sie und der Kommandant bemühte sich um Kontenance.
„Ja. Ehm. Schön.“ Ein Grinsen lag noch immer in seinen Zügen.
„Schön“, bestätigte Dannika, der sein ehrliches Lächeln gefiel. „Nun denn, Lord Gaten. Ich würde mich dann jetzt gern in meine Gemächer zurückziehen“, nahm sie wieder den hochtrabenden Tonfall auf, scherzte aber damit. „Auch ich muss mich noch ein wenig von der langen Reise erholen.“
„Sicher, sicher. Entschuldige. Ich bringe dich noch zurück.“ Damit liefen sie gemeinsam in den Gästeflügel der Burg, wo Gaten sich mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete. Dannika ging in ihr Zimmer und ließ sich komplett angezogen auf das Bett fallen. Sie pustete die Luft aus und schloss die Augen.
„Schlaf gut, Ika. Ich wache über deine Träume“ , verabschiedete Fehr sich für die Nacht.
„Du auch, Fe. Ich danke dir.“ Sie wusste, sie würde merkwürdige Dinge träumen. Aber es würden auch Träume von ihrer Heimat dabei sein. Träume, die Heimweh auslösen würden. Fehr würde es abfangen, damit Dannika einen ruhigen Schlaf bekam.
4
Am folgenden Tag bekam niemand die fünf Drachenreiter zu Gesicht. Nicht mal die Dienstboten, die zu ihnen geschickt wurden. Die Sturmländler blieben in ihren Räumen und ließen sich auch für das neuerlich angesetzte Abendessen entschuldigen.
Das weckte den Unmut des Königs und Gaten überlegte bei Einbruch der Dunkelheit fieberhaft, wie er ihn noch ein wenig länger ruhighalten konnte. Reyes hatte ihm schon am Morgen klargemacht, dass er Beweise haben wollte, was die Drachen anging. Er begründete es damit, dass sie keine Zeit und Mittel hatten, Fremde zu beherbergen, die vielleicht gar nichts für sie tun konnten. Gaten verstand seinen König, doch er wollte die Drachengarde auf keinen Fall verprellen, indem er zu forsch vorging.
Nun stand er erneut auf der Wehrmauer der Stadt und grübelte, als unter ihm fünf Reiter durch das Falltor aus der Stadt galoppierten und mit der Dunkelheit des Umlands verschmolzen. Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken und er rannte los, zur Burg und den Gästezimmern. Vor Dannikas Gemächern blieb er stehen, sammelte sich und klopfte an. Niemand antwortete. Er klopfte erneut und lauter, doch wieder kam keine Regung von drinnen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schob er die Tür ein Stück auf und spähte in den Raum. Im Kamin brannte ein Feuer, doch sonst war keine Lichtquelle entzündet.
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