„Für einen König sollte er sich aber besser im Griff haben“, erklärte sie und Gaten nickte zustimmend.
„Es war wirklich nicht seine Absicht, unhöflich zu sein“, entschuldigte er sich abermals.
„Es sei ihm verziehen.“
Gaten verneigte sich leicht. „Ich danke dir.“
Dannika lachte auf und schüttelte den Kopf. „Bitte entschuldige“, sagte sie kichernd, weil Gaten ihr einen argwöhnischen Blick zuwarf. „Fehr hatte nur gerade eine Meinung. Er ist manchmal unmöglich.“
„Ach so? Welche war es denn?“
„Die, dass ich deinen König das nächste Mal einfach auffresse, wenn er wieder unhöflich wird. Oder ihm mindestens einen Arm abbeiße. Er braucht sicher nicht beide“ , kam die Antwort vom Drachen selbst mit hörbaren Grinsen.
Für einen Augenblick wurde es Gaten schlecht. „Aber ...“
Erneut lachte Dannika. „Das war ein Scherz. Drachen fressen keine Menschen. Zumindest Fehr tut es nicht.“
„Oh. Gut.“ Gaten räusperte sich. Seine Unsicherheit war noch immer offensichtlich.
„Ich denke, wir sollten mit dem Kennenlernen weitermachen“, meinte sie und lächelte ihn beruhigend an. „Wie ich sehe, ist selbst unsere Art Humor einzusetzen unterschiedlich.“
„Das glaube ich nicht. Es ist eher die Tatsache, dass mein Volk, das der Drachen nicht einschätzen kann“, erklärte Gaten. „Es wäre nicht unmöglich, dass ein Drache einen Menschen frisst. Die Sturmlande und die Freien Länder sind keine Freunde.“
Dannika presste die Lippen aufeinander und nickte. „Entschuldige. Wenn man es so sieht, ist diese Art Witz natürlich bedrohlich. Sei versichert, dass niemand von uns euch schaden will. Ich gebe dir mein Wort als unh Garda.“
Gaten nahm das Versprechen dankend an. „Wie sieht es dann aus. Hast du Zeit? Ich könnte dir die Stadt zeigen und wie wir hier leben.“
„Sehr gern.“ Sie wandte sich zum See und rief ihren Leuten zu, was sie vorhatte zu tun. Avery hob die Hand, dass er sie verstanden hatte, und schwamm mit langen Zügen zum Ufer. Er kam unweit der beiden aus dem Wasser und ging zu seinen Sachen, die auf einem Haufen am Strand lagen.
Gaten erkannte, dass der Mann muskulöser war, als es unter der Rüstung den Anschein gemacht hatte. Sein Körper war von oben bis unten gestählt und kein Gramm Fett war zu sehen. Er wirkte, trotz der wenigen Kleidung als würde ein Schwert einfach an ihm abprallen, sollte man es wagen, eines gegen ihn zu schwingen.
„Gefällt er dir?“, kam eine Frage von Dannika und Gaten wandte den Blick zu ihr zurück.
Mit gerunzelter Stirn fragte er: „Ob er was tut?“
Sie neigte den Kopf kurz in Richtung Avery, ohne den Blick von Gaten zu wenden. „Ob er dir gefällt?“
Perplex antwortete er: „Nein. Ich ... nein.“
Sie zuckte mit den Schultern, dann drehte auch sie sich um und lief zu dem Stapel Sachen und Waffen, an dem auch Avery stand. Gaten musste sich höllisch zusammenreißen, den Blick abzuwenden, als sie in einer geschmeidigen Bewegung ihr Oberteil über den Kopf zog.
Wenig später tippte sie ihm auf die Schulter und sagte: „Wir können los.“
Er nickte und stieg auf sein Pferd. Auch die anderen beiden saßen auf, wobei Dannika an seine Seite kam. Avery blieb in gebührendem Abstand hinter ihnen.
„Also wenn du doch Gefallen an ihm findest, kann ich ihm gern eine Nachricht überbringen“, erklärte sie und meinte es vollkommen ernst.
Gaten schüttelte grinsend den Kopf. „Das ist nett, aber wirklich, nein danke. Ich bevorzuge Frauen.“
„Warum hast du ihn dann so angestarrt?“
„Habe ich das? Tut mir leid. Das war keine Absicht. Es war wohl eher männliche Neugier, am potenziellen Rangrivalen. Das Prüfen neuer Männchen im Revier, und so.“ Er grinste frech.
„Oh. In Ordnung. Macht ihr das immer?“
Nun lachte Gaten. „Nein. Ich bin neugierig. Mehr nicht. Eure Rüstungen verbergen viel. Da habe ich die Gelegenheit genutzt, dass er keine anhatte.“
„Aha. Und bist du zufrieden? Hast du erfahren, was du wolltest?“ Das klang ein klein wenig abschätzend.
„Falls du denkst, ich würde so rausfinden wollen, ob ihr gute Kämpfer seid, dann liegst du falsch. Ihr seid nur so anders als wir. Es ist erstaunlich, wie wenig wir gemeinsam zu haben scheinen.“
„We lev in dora differé Entied, Lord Gaten. Ke edi da cel ewarta? Wir leben in zwei verschiedenen Welten. Was hast du denn erwartet?“
Nun zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht genau. Um ehrlich zu sein, habe ich mir nur über die Drachen den Kopf zerbrochen.“
„So so.“
Er senkte den Blick kurz auf seine Hände und wandte ihn dann der Generalin zu. „Ich hatte keine Vorstellung von eurem Volk. Wenn ich eine gehabt hätte, hätte ich vermutet, ihr wärt wie wir.“
„Das ist ziemlich kurzsichtig“, merkte sie an.
„Vielleicht. Aber nun seid ihr ja hier. Ihr habt die Möglichkeit, all unsere Fehleinschätzungen zu berichtigen.“
„Alle? Dafür haben wir wohl kaum genug Zeit.“
Gatens Blick für die Gardistin musste seinen Unmut über diese Aussage zeigen, denn nun atmete sie tief durch und fügte an: „Entschuldige. Das war nun unhöflich von mir. Darf ich vorschlagen, dass wir nicht mehr so viel über unsere Unterschiede sprechen, dafür aber mehr Gemeinsamkeiten suchen?“
Gaten verzog kurz das Gesicht, stimmte aber zu. „Ja. Auch wenn ich fast befürchte, dass es schwierig wird, Gleichheiten zu finden, wo es doch so viele Unterschiede gibt.“
„Ich bin zuversichtlich“, lächelte Dannika nun, was Gaten spiegelte.
Eine viertel Stunde später ritten sie auf dem Burghof ein und stiegen von den Pferden. Gaten wollte seine Zügel gerade an einen Knappen übergeben, als er Dannika erneut zögern sah. Er bedeutete dem Jungen, sich zurückzuziehen, und führte sein Tier zur Gardistin. Sie erkannte sein Entgegenkommen und folgte ihm mit ihrem Pferd in die Stallungen.
Als er sein Tier festband, fragte er: „Es scheint euch wirklich unangenehm zu sein, dass jemand für euch Dienste verrichtet. Ist es das dann?“
Averys Blick war missmutig und Gaten spürte, dass der Mann liebend gern etwas gesagt hätte, doch Dannika antwortete: „Es ist bei uns nicht üblich. Wir sind sehr selbstständig. Wir erledigen die meisten Dinge allein. Wenn wir doch Hilfe brauchen, bitten wir darum und erwidern den Gefallen gleichermaßen. Dass jemand etwas für uns tut, ohne dass wir es ihm entlohnen können, ist ein bisschen befremdlich.“
„Unsere Bediensteten werden entlohnt“, erklärte Gaten.
„Aber nicht durch uns.“
„Nein. Der König zahlt ihren Lohn. Zählt das nicht?“
„Mhh. Man könnte es gelten lassen. Es ist ja normal bei euch.“
„Wie macht ihr das? Erwidert ihr jeden Gefallen oder Dienst? Ist das nicht anstrengend?“
Dannika kicherte. „Es ist ein Geben und Nehmen. Natürlich schenken wir uns auch Dinge oder Taten. Die muss man auch nicht erwidern. Aber wenn man jemanden um Hilfe bittet, dann ist es üblich, dass man ihm ebenfalls Hilfe gewährt. Natürlich nur, wenn man selbst imstande dazu ist. Wir erbitten nichts, was unserem Gegenüber unmöglich wäre.“
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