Petrovich lächelte. „Kann ich nachvollziehen. Der Tunnel wurde höchstwahrscheinlich von einer nichtmenschlichen Lebensform angelegt und stammt sicher nicht von den Minenarbeitern. Irgendetwas lebt auf diesem Planeten, das was gegen die Leute von Nundagai hat, und wir haben den Job, es aufzuspüren.“
„Irgendetwas“, wiederholte Riley nachdenklich. „Ja, dieser Tunnel muss nicht von intelligenten Wesen stammen. Es können irgendwelche Würmer oder Kriechtiere sein, welche die Minenarbeiter als kleine Appetithäppchen angesehen haben. Aber was, wenn es sich um eine intelligente Lebensform handelt? Die Direktiven des Direktorats sagen klar aus, dass keine Welt ausgebeutet oder besiedelt werden darf, die bereits von einer intelligenten Spezies bewohnt wird.“
„Wie dem auch sei … Nundagai hat uns engagiert, damit wir der Sache auf den Grund gehen und jede mögliche Gefahr beseitigen“, stellte Finnegan fest. „Und ihr alle wisst, warum die Sache unter Verschluss gehalten werden muss. Stellt sich tatsächlich heraus, dass dieser Tunnel von intelligenten Lebewesen und nicht von instinktgesteuerten Kreaturen angelegt wurde oder gar natürlich entstanden ist, dann droht dem Konzern die Räumung. Für Nundagai ist das keine Option. Diese Welt wirft einen verdammt hohen Gewinn ab. Das General-Management des Konzerns hat sich diesbezüglich sehr klar ausgedrückt.“
„Ja“, murmelte Riley, „alles, was den Gewinn gefährdet, ist zu beseitigen.“
Dass man hier eventuell vom Mord an intelligenten Wesen sprach, störte keinen der Black COBRAs. Wer zu ihrer Organisation stieß, empfand solche Skrupel nicht.
„Notfalls wird Nundagai einiges unternehmen müssen, um den Deckel auf der Sache zu halten“, stellte Petrovich fest. „Wenn wir es wirklich mit Intelligenz zu tun haben, dann darf das unter keinen Umständen nach außen dringen. Wenn das Direktorat davon erfährt, haben sowohl Nundagai als auch wir sonst jede Menge Ärger am Hals.“
„Es wird Sache des Nundagai-Managements sein, zu entscheiden, wie man Stillschweigen bewahrt und das gewährleistet.“
„Möglicherweise kommen da noch ein paar Nebenjobs heraus“, meinte Riley. „Unliebsame Zeugen und so. Typen, die ihre Klappe nicht halten können.“
„Wir werden sehen. Auf jeden Fall treten wir in Mining Facility 12 als Rettungsteam der Corporation auf. Was wir entdecken, das melden wir über den geheimen Kanal an den Hoch-Manager im Auge des Wirbels. Der wird entscheiden, was zu tun ist und wie wir diesen Job letztlich erledigen.“
Die Angehörigen der Black COBRA sahen sich als Soldaten und Patrioten. Ihre Organisation folgte einem Plan, zu dessen Erfüllung sie eine Menge finanzieller Mittel, Ressourcen und Verbindungen benötigten. Die Aufträge von Privatleuten und Konzernen half ihnen, diese zu beschaffen. Die meisten ihrer Dienste waren legal, doch das meiste Geld brachten verdeckte Missionen, wie sie nun auf Suffren-12 durchgeführt wurden.
„Es ist sinnlos, die Zeit mit fruchtlosen Spekulationen zu verbringen.“ Sub-Chief Finnegan deutete auf einen der bequemen Liegesitze. „Wir haben noch ein paar Stunden, bis wir unser Ziel erreichen. Wenn ihr eure Ausrüstung überprüft habt, dann solltet ihr noch eine Mütze voll Schlaf nehmen und …“
Ein spürbarer Ruck ging durch den Wagen. Etliche der COBRAs verloren den Halt und wurden in Richtung Lok geschleudert.
„Was zur Hölle …?“ Finnegan gelang es, sich an einer Armlehne festzuhalten.
„Das ist eine Notbremsung!“, brüllte First-Sergeant Petrovich. „Chief …!“
Der Unteroffizier wurde durch die hektische Stimme des Lokführers unterbrochen, die aus dem Lautsprecher ertönte. „Festhalten! Auf Aufprall vorbereiten! Da ist etwas auf …“
Vor was Heiser auch immer warnen wollte, es kam zu spät.
Ein erneuter Ruck ging durch den Wagen, der diesmal eher einem brutalen Hieb glich. Finnegan fühlte sich angehoben und mit unaufhaltsamer Gewalt durch die Luft gewirbelt. Dann prallte er mit großer Wucht gegen die Frontwand des Wagens und alles um ihn versank in Dunkelheit.
Konzernzentrale Nundagai-Corporation, Mars
Vor über zweihundertfünfzig Jahren hatte das Terraforming des Mars begonnen. Auf dem einst lebensfeindlichen Planeten gab es noch immer die ursprünglichen Hügel, Berge und tiefen Schluchten. Auch die Wüsten mit dem rötlichen Sand waren nicht vollständig verschwunden, große Teile der vorherigen Öde waren aber nun grün. Einige Gräser und Blumen von der Erde hatten den harten Bedingungen getrotzt, sich angepasst und trugen zur Bildung einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre bei. Es gab inzwischen ganze Wälder der widerstandsfähigen Mars-Kiefern und kleinere Herden von Rindern, die mit dem harten und scharfblättrigen Gras zurechtkamen.
Noch immer arbeiteten die mächtigen Terraform-Konverter, denn der früher gefährlich niedrige Luftdruck bereitete gelegentlich noch Probleme. Während der Sturmperioden, bei denen es zu Unterdruckzonen kam, konnte sich keiner der Marsbewohner ohne Verdichtermaske außerhalb eines Gebäudes aufhalten. Der Mensch passte sich nicht so leicht an wie jene Pflanzen und Tiere, die er als invasive Lebensformen importiert hatte.
Über zweihundertfünfzig Jahre waren vergangen, seitdem die Menschen ihre angestammte Heimat verlassen mussten. Umweltzerstörung, fehlende Ressourcen und Wassermangel machten die Ursprungswelt zunehmend unbewohnbar. Der Weltraum bot den einzigen Ausweg, um Milliarden von Menschenleben zu retten. Kurz zuvor war der Cherkov-Überlichtantrieb erfunden worden und nun suchte man fieberhaft nach neuem Lebensraum. Man fand ihn auf einigen fernen Welten und man erschuf ihn sich auf dem Mars.
Die Erde hatte sich währeddessenunerwartet schnell von der Plage Mensch erholt. Der Hohe Rat des Direktorats, der Senat der vereinten Menschheit, gestattete inzwischen wieder einige bescheidene Siedlungen auf ihr. Kleinen ethnischen Gruppen sollte damit die Möglichkeit geboten werden, ihre angestammten Traditionen zu bewahren. Eine generelle Rückbesiedlung der Erde wurde jedoch ausgeschlossen. Die wenigsten hätten dies gewollt. Die neuen Welten und der Mars waren nun Heimat und Zukunft der Menschheit.
Der Mars bewies zwei wesentliche Fakten: Zum einen war der Mensch in der Lage, eine fremde Welt nach seinen Wünschen zu formen, und zum anderen schien er aus der Ausbeutung der Erde nicht viel gelernt zu haben. Die Hauptstadt des Mars war hierfür ein deutliches Beispiel. Mars-Central galt als das unangefochtene Zentrum der vereinten Menschheit, denn hier war der Sitz des Hohen Rates, jenes Gremiums aus Vertretern aller von Menschen besiedelten Welten, die demokratisch über die Geschicke ihrer Bewohner entschieden. Zu Beginn hatte die Stadt aus bescheidenen Bauten bestanden, die innerhalb der durchsichtigen Schutzkuppeln errichtet worden waren. Die Grenzen dieser Kuppeln waren nun schon lange überschritten. Gewaltige Bauten aus Bauschaum und Klarstahl erhoben sich in den Himmel, mit grazil wirkenden Tunnelbrücken verbunden. Die geringe Schwerkraft erlaubte Konstruktionen, die in atemberaubend Höhen wuchsen. Parks und Wasserflächen boten Entspannung und Erholung für die zwei Milliarden Menschen, die hier lebten und arbeiteten. Die Marsianer bevorzugten es bunt und verspielt. Ihre Wohnbauten zeigten sich in verschiedensten Farbkombinationen. Man liebte dekorative Elemente oder das, was die jeweiligen Bewohner darunter verstanden. Es gab Balkone, Erker, Säulen und Figuren, die es leicht machten, die Gebäude zu unterscheiden. Allerdings führte diese Vielfalt gelegentlich auch zu Verwirrung, vor allem bei jenen Menschen, die nicht ständig in der Stadt lebten. Das tetronische Leitsystem der Stadtverwaltung ermöglichte jedoch eine schnelle Orientierung.
Mars-Central war auch das Zentrum der Implant-Technologie. Das Implant bestand im Wesentlichen aus einer daumennagelgroßen Tetronik und wurde dicht hinter dem Ohr eingepflanzt. Es ersetzte, gemeinsam mit den Transmittern des öffentlichen Netzes, die einstigen Kommunikationsmittel. Da der Frequenzbereich und die Reichweite des Gerätes auf einige Dutzend Meter begrenzt waren, wurde eine weitreichende Verbindung nur über die Vermittlung des öffentlichen Netzes möglich. Implants waren auf dem Mars außerordentlich beliebt, bei den Streitkräften des Direktorats Pflicht, auf den neuen Welten jedoch nur selten zu finden.
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