„Wenn die Bezahlung stimmt … Nundagai stellt beachtliche Schecks aus, Mister Finnegan.“
„Ja, das stimmt wohl.“
„Bevor Sie mich jetzt fragen … Wenigstens noch sechs Stunden Fahrt, bis wir Mining Facility 12 erreichen“, kam Heiser der Frage seines Besuchers zuvor. „Und auch nur, wenn uns keiner dieser verfluchten elektrischen Stürme dazwischenkommt. Nein, ich meine nicht den ewigen Sturm am Himmel, Mister. Ich meine lokale Entladungen, die es wirklich in sich haben.“
Finnegan stieß einen missmutigen Laut aus. „Sind wir auf Höchstfahrt?“
Heiser schnaubte empört. „Dreihundertzwanzig Kilometer in der Stunde. Mehr ist nicht drin. Nicht bei der netten Gegend, durch die wir gerade fahren, Mister Finnegan.“
„Normalerweise fliegen wir zum Einsatzort.“ Finnegan legte den Kopf ein wenig schief, um näher an die Scheibe zu gelangen und in den Wirbel hinauf zu blicken. „Nette Gegend? Ist wohl ziemlich relativ, was?“
Das endlos erscheinende Band der Mono-Rail verlief nahezu schnurgerade nach Norden. Es gab nur dort leichte Kurven, wo man massiven Felsformationen ausweichen musste, deren Beseitigung Nundagai zu aufwendig erschienen war. Rechts und links der einspurigen Schiene aus grauweißem Plas-Beton erstreckte sich die eintönige Landschaft. Da der planetenumspannende blauviolette Wirbel nur wenig Sonnenlicht zur Oberfläche durchließ, wirkte alles dämmerig und verfremdet. Finnegan wusste aus der Einweisung, dass die hügelige Landschaft aus gewöhnlichem Sand und Fels bestand. Es gab nur wenig Vegetation und diese beschränkte sich auf Moose und Flechten. Einige der Felsen wirkten beeindruckend, da sie nahezu fünfzig Meter emporragten, doch es gab keine Erhebung, die höher war.
„Merkwürdige Sache, dieser Wirbel“, meinte Finnegan. „Als hätte man in fünfzig Metern Höhe eine Decke über den Planeten gespannt.“
Heiser nippte an seinem Becher. „Aber eine gefährliche Decke, Mister. Rund vierzig Meter über dem Boden geraten Sie schon in den Sog des Wirbels und in fünfzig Metern Höhe sind Sie tot. Der Wirbel reißt Sie mit sich. Falls Ihnen nicht gleich die Lungen platzen, dann wird Ihnen Ihr hübscher Anzug in kürzester Zeit vom Leib geschmirgelt. Der Wirbel führt jede Menge Sand mit sich. Das ist besser als jedes Schleifpapier, das können Sie mir glauben.“
Am Radarschirm blinkte plötzlich ein Licht auf. Heiser stieß einen Laut aus, der einem Grunzen ähnelte. „Und da kommt Ihre Antwort auf Ihre Bemerkung, dass Sie üblicherweise zum Ziel fliegen und keinen lahmen Zug benutzen müssen.“
„Wie meinen?“ Finnegan sah stirnrunzelnd auf den Radarschirm. „Was ist das?“
„Sehen Sie nach rechts aus dem Fenster“, antwortete der Lokführer. „So schnell wir auch sind … Sie müssten es erkennen können. Liegt nur fünfzig Meter neben der Schiene.“
Finnegan starrte hinaus. Ein deformiertes Etwas geriet in sein Blickfeld. Nur für Augenblicke, dann war es wieder verschwunden. Doch das Objekt war fraglos aus Metall gewesen. „Was war das?“
Heiser grinste breit. „Ein Fast Landing Vehicle, Mister. Als Nundagai hier mit dem Aufbau begann, da hat man doch tatsächlich versucht, die Ferntransporte mit niedrig fliegenden FLVs durchzuführen. Es gab eine ganze Reihe unschöner Abstürze und etliche Tote. Seitdem setzt das Management auf unsere guten und zuverlässigen Rails und die Panzerzüge.“
„Warum sind die Züge eigentlich so stark gepanzert? Führt dieser Wirbel Brocken mit sich, die einem Zug gefährlich werden können?“
„Es ist schon vorgekommen“, gestand Heiser. „Manchmal zeigt das Radar solche Brocken im Wirbel an, aber leider funktioniert das nur eingeschränkt. Gilt für alle Scanner und Sensoren.“
„Ja, darüber wurden wir informiert. Es hängt wohl mit den elektromagnetischen Feldern zusammen, die sich überraschend in diesem Wirbel bilden können.“
„Der ganze verdammte Wirbel ist ein einziges elektromagnetisches Feld. Der Ausfall tetronischer Geräte findet aber vor allem dann statt, wenn es zu kleinen Entladungen kommt. Entladungen, die einen Menschen oder ein Bodenfahrzeug in Augenblicken verschmoren können. Nur ein Panzerzug ist groß genug, dem standzuhalten.“ Der Lokführer lachte gutmütig. „Vielleicht schmeißt der Wirbel deshalb bei seinen Entladungen gelegentlich mit Felsbrocken um sich. Weil er keine Züge mag“, scherzte er. „Ich sage Ihnen, diese verdammte Welt ist das Tor zur Hölle und wenn Nundagai nicht so prächtig zahlen würde, dann wäre ich längst von hier verschwunden. Der einzige Ort, an dem es sich halbwegs leben lässt, ist das Auge.“ Heiser schenkte sich nach, ohne Finnegan ebenfalls anzubieten. „Sagen Sie mal, Mister, was ist da oben im Norden, in Mining Facility 12, eigentlich los? Sie leiten ein ziemlich starkes Rettungsteam, also muss es sich um etwas Ernsthaftes handeln. In den Nachrichten ist nichts zu hören oder zu lesen. Aber umsonst holt sich Nundagai doch sicher kein so starkes Rettungsteam nach Suffren-12.“
„Tja, wir wissen auch nichts Genaues“, gestand Finnegan und ließ sich wieder in den Sitz sinken. „Aber wir sind Profis und auf alle Eventualitäten vorbereitet.“
„Na ja, genug Gepäck haben Sie ja dabei.“ Heiser zögerte kurz. „Ein paar der Kisten sehen mir ziemlich ungewöhnlich aus. Kodierte Verschlüsse kenne ich nur von Waffenbehältern oder Werttransporten.“
„Als Rettungseinheit führen wir keine Waffen, Mister. Dafür allerdings ein paar wertvolle Geräte. Selbst in Katastrophengebieten ist man vor Dieben nicht sicher.“ Finnegan zuckte mit den Achseln. „Es sind miese Zeiten, Heiser. Seitdem sich die Menschheit so über den Weltraum ausdehnt, geht der innere Zusammenhalt verloren.“
Heiser hatte ein merkwürdiges Gefühl, doch er begriff, dass es besser war, nicht weiter nachzufragen. Es ging ihn eigentlich auch nichts an. Er wurde als Zugführer bezahlt und was dieser Finnegan und seine Leute auch immer auf Mining Facility 12 treiben mochten, das war eine Sache des Managements. Heiser würde die Leute hinbringen, dann in die Wendeschleife einkurven und zum Auge zurückfahren. Damit war sein Job erledigt. Eigentlich merkwürdig … Warum sollte er sofort umkehren, statt abzuwarten, ob man Verletzte mit seinem Zug transportieren musste?
Finnegan starrte erneut durch die schrägen Panzerscheiben hinaus. Auf der gesamten Oberfläche dieser Welt herrschte ewige Dämmerung. An der Lokomotive waren die starken Scheinwerfer eingeschaltet. Ihr Licht entsprach dem Spektrum der irdischen Sonne und so bot sich Finnegan ein faszinierendes Schauspiel, sobald die Landschaft diesem Licht ausgesetzt war. Denn nur dann wechselte sie die Farben zu jenen, mit denen man bei Fels und Sand rechnete.
„Ist ziemlich einsam auf so einer Lok, nicht wahr?“
Heiser runzelte die Stirn und nickte zögernd. „Normalerweise habe ich einen Ingenieur und einen Bremser an Bord. Beide hat man für diese Fahrt gestrichen.“
Er betonte das Wort „diese“ und machte Finnegan somit deutlich, dass Heiser die Vermutung hatte, bei der gegenwärtigen Fahrt wäre so einiges ungewöhnlich.
Finnegan lächelte sanft. „Nun ja, immerhin stimmt die Bezahlung, nicht wahr? Okay, ich denke, es ist an der Zeit, mich wieder um mein Team zu kümmern. Danke für den Kaffee.“
Heiser stieß ein leises Brummen aus und sah zu, wie der Besucher sich erhob und dann die Leiter hinunterstieg, um im Bauch der Lokomotive zu verschwinden. „Ich will verdammt sein, wenn du und deine Leute ein gewöhnliches Rettungsteam seid.“
Finnegan ging den schmalen Gang entlang, der längs durch die große Lokomotive führte. Rechts und links brummten die mächtigen Maschinen, die den Zug vorantrieben und seine Passagiere in den luftdicht abgeschirmten Wagen mit Atemluft und dem richtigen Luftdruck versorgten.
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