1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 Inzwischen hatten sich die Fallschirme der Kapsel geöffnet und gewährleisteten ein sanftes Herabschweben zum Boden. Zweihundert Meter von der Absturzstelle ihres Raumschiffs entfernt, landeten die drei Freunde auf sandigem Untergrund, öffneten die Luke und kletterten auf die Mondoberfläche.
»Das war … teuflisch knapp!«, schnaufte Pennyflax. Er half seiner Freundin aus der Luke, umarmte sie vor Erleichterung und lobte sie: »Haste super gemacht, mit dem Abwehren der Leser-Strahlen.«
Shirah lächelte schief. »Du hast’s ihnen mit dem Phrasendrescher aber auch ganz schön gezeigt. Leider waren die in der Überzahl, sonst hätten wir’s bestimmt geschafft.« Die Koboldin überprüfte, ob ihre beiden Regenbogen-Amulette die Notlandung überstanden hatten. Dann schaute sie sich um. »Und was jetzt? Sieht nach einer ziemlich verlassenen Gegend aus.«
Pennyflax ließ den Blick über die karge Busch- und Graslandschaft schweifen. Er entdeckte, außer der Rauchsäule ihres abgestürzten Raumschiffs, nur einen Berg in der Ferne, dessen Hang von einer bunten Lichtquelle angestrahlt wurde. Gleich darauf aber richtete sich seine Aufmerksamkeit schräg nach oben – und sowohl ihm als auch Shirah klappte die Kinnlade runter: Am dunkelblauen, sternenübersäten Mondhimmel glänzte eine große Erde, die mit ihren Wolkenbändern und Ozeanen einer wunderschönen Murmel glich. Einer nicht ganz runden Murmel, da ihre Unterseite im Schatten lag und abgeschnitten wirkte, ähnlich wie die eines Dreiviertelmondes, den die Kobolde von zu Hause kannten.
»Wie unglaublich schööön«, flüsterte Shirah, ergriff die Hand ihres Freundes und schaute mit ihm wie verzaubert hoch zum Firmament. Zudem stand die Sonne schräg unterhalb, die den Standort der drei mit einem Licht ungewöhnlicher Klarheit überflutete. Einige Schleierwolken zogen über den Mondhimmel.
Luno trat hinter die beiden und verkündete feierlich: »Trotz der misslichen Umstände heiße ich euch auf dem Mond willkommen, meine geschätzten Gefährten. Wir befinden uns am Rand einer Ebene, genannt Mare Nubium und sollten uns nach Norden bewegen, um Kosmopolis, die Hauptstadt meines Volkes zu erreichen.« Er nahm seinen Helm ab, hielt sein Navigationsgerät hoch und studierte die elektronische Landkarte, die auf dem Bildschirm des zehn Zentimeter großen Kastens aufleuchtete. »Das Problem ist jedoch die Entfernung bis Kosmopolis, die knappe vierhundert Kilometer beträgt. Wir müssen also nach einem Transportmittel Ausschau halten … und wenn ich mich nicht irre, verläuft da hinten am Rand des Kraterbergs eine Straße, neben der eine Raststätte liegt. Dort finden wir gewiss eine Mitfahrgelegenheit.«
Pennyflax und Shirah spähten in die Richtung, in die der Mondmann wies und erblickten den bunt angestrahlten Berghang, der ihnen bereits zuvor aufgefallen war. Vorsichtig nahmen sie ihre Astronautenhelme ab, atmeten die kühle Luft ein und spürten sofort die Belastung, die sich auf ihre Lungen legte. Das Gefühl glich dem einer Kletterpartie im Hochgebirge, wo einem der niedrige Sauerstoffgehalt und Luftdruck eine Atemnot bescheren konnte. Immerhin boten ihre Raumanzüge Schutz vor der Kälte, deren Temperatur kurz über dem Gefrierpunkt lag.
Nach einem Schluck Holundersaft aus der Flasche in seiner Hutkrempe verkündete Pennyflax: »Na, dann nix wie los!« Sogleich wollte er auf den Berg zumarschieren, doch sein erster Schritt ließ ihn vom Boden abheben und einen Hüpfer machen. Begleitet von einem Ausruf der Überraschung flog er zwei Meter weit, stolperte bei der Landung und kam nur mit Mühe zum Stehen. »Verzwurbeldingst«, japste er, »ich hatte glatt die Leichtigkeit des Mondes vergessen!« Behutsam tippelte er zurück zur Rettungskapsel und holte die Schwerkraftstiefel heraus, von denen er ein Paar seiner Freundin reichte. Nachdem beide die Stiefel aus kariertem Kreuzworträtsel-Leder und extra schwerer Sudoku-Sohle angezogen hatten, stellten sie erfreut fest, dass Schlonzos Erfindung für ein Gehgefühl wie auf der Erde sorgte.
So gerüstet stapften die drei in Richtung des Berges los, der sich in fünfhundert Metern Entfernung auf der silbern glänzenden Ebene erhob.
***
Obwohl das Mare Nubium mit seinen Büschen, Gräsern und spärlich gesäten Bäumchen kaum Attraktionen bot, verschlangen Pennyflax und Shirah die Gegend mit ihren Augen. Bereits nach wenigen Metern hatten sie sich an das Gehen mit den Schwerkraftstiefeln gewöhnt und staunten über die zeitlupenartig zu Boden rieselnden Staubwölkchen, die sie bei jedem Schritt verursachten. Dies lag an der verminderten Anziehungskraft des Mondes, die nur ein Sechstel der Erdanziehung betrug. Überhaupt waren die zwei von dem Gestein und den Pflanzen fasziniert, denn die Flora schimmerte ähnlich, wie Lunos Körper. Alles war mit jenem Lichtsilber durchsetzt, das die Mondbewohner zum Überleben benötigten.
Trotz der Atemnot, die die zwei verspürten, stellten sie Luno tausend Fragen zu dem Lichtsilber. Sie erfuhren, dass es »Arkanos« genannt wurde und sogar als Energiequelle diente, mit der die Lunari ihre Maschinen betrieben.
Pennyflax kratzte sich unterm Schlapphut und wunderte sich: »Heißt das, ihr schmeißt einfach ’ne Handvoll Sand in eure Raumschiffe und dann fliegen die?«
Der Mondmann schüttelte den Kopf. »Aber nein, mein Freund. Erinnerst du dich nicht an den Antriebskristall, den mir die Goblins vergangenen Sommer stahlen, als ich in eurem Nachbartal notlandete und wir uns dort kennenlernten? Dieser Kristall bestand aus Arkanos, dem Lichtsilber. Es überzieht den gesamten Boden der Mondvorderseite und tritt an vielen Stellen in konzentrierter Form auf. Kristalle, die wir Lunari zu verschiedenen Größen zurecht schleifen und damit unsere Maschinen antreiben. Und dennoch ist das Arkanos in allem, was du um dich herum siehst. Sogar in allen Lebewesen.« Er lächelte und deutete an sich herunter. »Meine schimmernde Haut ist der beste Beweis dafür!«
»Schon klar. Aber wie entsteht das Arkanos, und was genau isses?«, wollte Pennyflax wissen, während er ein leuchtendes Tier durchs Gras hoppeln sah, das einem Hasen ähnelte.
Luno kontrollierte sein Navigationsgerät und säuselte: »Wir Lunari denken, das Lichtsilber kam mit den Göttlichen Erschaffern auf den Mond. Wie ich euch erzählte, erschufen die Zwölf das Universum mithilfe des Uhrwerks der Sterne, das heute noch die Zeit antreibt. Anschließend schenkten sie ihre göttliche Macht in Form der Klangstein-Säulen den Rassen Eraluvias und ließen sich auf dem Mond nieder, um den Volksstamm der Lunari zu gründen. Womit sie ihr Leben als sterbliche Wesen begannen … und schließlich starben. Zumindest elf der Zwölf, weil es eine Ausnahme gab. Doch ihr göttlicher Atem, das Lichtsilber, überzieht noch immer den Mond und leuchtet vor allem, wenn Sonnenstrahlen darauf treffen.«
»Hm …«, brummte Pennyflax und fasste zusammen, wie er die Sache verstanden hatte. »Eure Götter bastelten also einen Riesenwecker, damit die Zeit voran läuft und sie dadurch Dinge entstehen lassen konnten. Dann starben elf von ihnen, aber einer hat lieber was anderes gemacht. Und offensichtlich hatten die ziemlichen Mundgeruch, wenn ihr Lichtsilber-Atem heute noch da ist. Ich finde es nur schade, dass das Arkanos bei Sonnenuntergang aufhört zu leuchten.«
»Es leuchtet schon, nur nicht mehr so stark. Außerdem geschieht das je nach Gebiet erst übermorgen«, klärte Luno ihn auf. »Die Tageszeiten hier auf dem Mond unterscheiden sich von denen auf der Erde. Bei uns scheint die Sonne vierzehn Tage am Stück. Und die Nacht dauert genauso lang.«
Pennyflax stolperte fast vor Überraschung. »Du behauptest ernsthaft, ihr habt auf dem Mond zwei Wochen lang Tag und zwei Wochen Nacht?«
»Ganz recht, mein Freund. Das liegt daran, dass sich der Mond viel langsamer als die Erde dreht und Helligkeit und Dunkelheit langsamer wechseln.«
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