Andreas Bulgaropulos
PENNYFLAX
und die Rache des Hexenmeisters
Ein Kobold-Fantasy-Roman für Jung und Alt
(Version 2020)
Impressum
Texte:
© Copyright by Andreas Bulgaropulos
Umschlag und Karte:
© Copyright by Andreas Bulgaropulos
Verlag:
A. Bulgaropulos
Kreuzbergstraße 32
10965 Berlin
www.pennyflax.de
Kontakt: pennyflax@web.de
Inhalt
Schäbige Scheuchen
Schlechte Neuigkeiten
Olf
Glutadern des Krieges
Wenn Wegelagerer am Wege lagern
Alte Bekannte
Riesenknochen
Findige Fallen für fiese Fieslinge
Unter Halbriesen
Dämonen im Nacken
Mit Behinderungen muss gerechnet werden
Feuer, Schutt und Asche
Nach Viancáru
Castyllium
Besuch beim König
Angriff auf Garstingen
Ein rostiger Ritter als Retter
Phlegmatos Eisenzunge
Todesgefahr in der Kanalisation
Sulferions Stunde
An einem Strang
Die Aquarianer
Kobold gegen Goliath
Auf dem Höhepunkt der Schlacht
Feuerzauber trifft Wassermagie
Ausgehext
Drachenfutter
Freies Eraluvia
Geht das schon wieder los?!
Über den Autor
*** 1 ***
Als ordentlicher Kobold konnte Pennyflax keine Strohmänner leiden, und schon gar nicht, wenn es sich um Vogelscheuchen handelte. Deshalb hatte er sich für diesen Oktobermorgen vorgenommen, so viele der lästigen Schreckfiguren von den Feldern zu entfernen, wie es ging, damit die armen Raben und Krähen etwas zu fressen fanden. Auch das Wetter entsprach seinen Vorlieben, denn während er die Leiter an seinem Wohnbaum hinabkletterte, durchweichte der Regen seine löchrige Jacke im Nu.
Auf dem Kontinent Eraluvia war der Herbst angekommen, und mit ihm der Sturm, der den Bäumen das welke Laub entriss und die Regenschauer übers Land peitschte. Vom Frostspitzen-Gebirge hoch im Norden bis hin zur Küste an den Südklippen wurden die Tage kürzer und die Nächte länger, doch an keinem anderen Ort begrüßte man die Jahreszeit mit einer solchen Leidenschaft, wie in dem Kobolddorf, das im Wäldchen östlich des Blauwassersees lag und den bedeutungsvollen Namen Garstingen trug.
Wie jeden Herbst machten sich die zweiundfünfzig Kobolde, die in Garstingen lebten, einen Spaß daraus, ein Fest an das andere zu reihen. Da wurde zum Beispiel das Kohlfest gefeiert, bei dem jeder Kobold mindestens zehn seiner Nachbarn verkohlen musste, ohne selbst ein rußiges Gesicht zu kriegen. Oder das Fest der Schaben-Freude, das dazu diente, sämtliche Küchenschaben aus den Wohnungen zu treiben und in einem Wettkrabbeln gegeneinander antreten zu lassen. Einer ebenso großen Beliebtheit erfreute sich das Hochstapler-Fest, anlässlich dessen jeder Garstinger versuchte, drei Kürbisse, vier Kartoffeln, fünf Tomaten und zwei rohe Eier aufeinander zu stapeln, ohne dass der Turm umkippte. Was natürlich kaum jemandem gelang und für Unmengen Gemüsepastete sorgte. Abgeschlossen wurden die Festlichkeiten durch die Fast-Tage, an denen die Kobolde, bei sechs Mahlzeiten am Tag, so viel Essen in sich hineinstopfen mussten, bis sie »fast« platzten.
Zurzeit schätzte man es in Garstingen jedoch besonders, an den kühlen Abenden mit einer Tasse Blödwurztee am Kaminfeuer zu sitzen und sich die Heldengeschichte von Pennyflax und Shirah zu erzählen. Der Kobold und die Koboldin waren vor drei Monaten in die Brennenden Lande aufgebrochen, um den Melodiekristall des Mondmanns Luno zu suchen, der von einer Horde gemeiner Goblins gestohlen worden war, die im Dienste des Hexenmeisters Sulferion standen. Nach einer Reise voller Gefahren hatten Pennyflax und Shirah schließlich den Feuerberg erreicht und dort, in Sulferions Zuhause, dem Hexenmeister den größten Streich gespielt, den Kobolde je einem Bösewicht gespielt hatten: Sie waren nicht nur mit dem Melodiekristall entkommen, sondern hatten Sulferions Zauberbuch stibitzt und Pennyflax’ besten Freund, den Drachling Fauch, aus der Gefangenschaft befreit. Auf ihrem Heimweg war es ihnen zu guter Letzt gelungen, das Sumpfmonster Swampdotti von seinem Fluch zu erlösen, woraufhin es sich in die liebreizende Elfenprinzessin Candela Lavendel zurück verwandelt hatte.
All diese Geschehnisse schwirrten Pennyflax durch den Kopf, während er im strömenden Regen an seinem Wohnbaum herabstieg und von der letzten Leitersprosse in einen Blätterhaufen sprang. Seit jenen spannenden Sommertagen war in Garstingen wieder die Normalität eingekehrt, doch das Wichtigste, das er bei dem Abenteuer gewonnen hatte, war die Freundschaft von Shirah. Hätte die Koboldin damals nicht darauf bestanden, ihn in die Brennenden Lande zu begleiten, würde Pennyflax heute noch insgeheim von ihr schwärmen, ohne sie besser kennengelernt zu haben. Sie hatte ihm das Leben gerettet, als er im Feuerberg von einer Giftschlange gebissen worden war, und sie hatte ihm seinen Ekel vorm Küssen genommen. Mittlerweile verbrachten Shirah und er so viel Zeit wie möglich miteinander, was bedeutete: Sie waren so richtig ineinander verpengt. Nur wohnen wollten sie noch nicht zusammen, da beide viel Wert darauf legten, zu Hause ihre eigene Unordnung zu veranstalten. Und das konnte gerade bei jungen Kobolden im Alter von 145 und 122 Jahren in einem heillosen Chaos enden.
Wie an jedem Morgen, wenn Pennyflax auf Erkundungstour ging, bestand seine erste Tat darin, Fauch zu wecken, der im Werkzeugschuppen unter der Eiche auf einem Stapel Säcke schlief. Er hatte den Drachling vor zwei Jahren auf der Kargfelsen-Ebene gefunden, wie er dort ziellos umher getapst war, hatte ihn mitgenommen, aufgepäppelt, und seitdem waren sie unzertrennlich.
Verzwurbeldingst , dachte der Kobold bei sich, öffnete die Tür und spähte in die Dunkelheit des Schuppens hinein. Ich hätte damals Runkelrüben gestaunt, wäre mir klar gewesen, dass Fauch als Baby aus dem Feuerberg abgehauen war und der Sohn von Pyros ist, dem Drachen des Hexenmeisters! Bei seiner Suche nach dem Melodiekristall in den Tiefen des Vulkans war er nämlich mit dem feuerspeienden Ungetüm aneinander geraten und hatte auf diese Weise von der Verwandtschaft zwischen Fauch und Pyros erfahren.
»Aufgestanden!«, plärrte Pennyflax in den Schuppen hinein und fragte sich, wie lange der Drachling noch hier drinnen übernachten konnte. Denn in den vergangenen zwei Jahren war Fauch auf siebzig Zentimeter Länge herangewachsen und würde bald nicht mehr durch die Tür passen. »Raus aus den Säcken! Wir müssen heute die Vogelscheuchen auf den Windgrashügeln kaputt dingsen, damit die Raben was zu rauben haben!«
In der Dunkelheit der Hütte war bis eben ein Schnarchen zu hören gewesen. Auf einmal aber glühten zwei gelbe Augen auf, und eine Stichflamme loderte in Pennyflax’ Richtung. Gerade noch rechtzeitig vermochte er sich zu ducken, doch sowohl sein Schlapphut als auch seine Wuselhaare, die darunter hervorschauten, fingen Feuer. Glücklicherweise musste er nur ein paar Schritte rückwärts machen und stand wieder im strömenden Regen, der den Brand sofort löschte.
Fauch flatterte aus der Hütte, beschädigte wegen seiner Größe den Türrahmen und landete vor seinem Herrchen. Missmutig blinzelte er zum Himmel hoch. Dabei lief ihm Wasser in die Nase, was ihn zu einem heftigen Niesen veranlasste. Wie ein begossener Pudel schüttelte sich der Drachling den Regen von den Flügeln und den roten Schuppen, zog seinen Schwanz ein und wollte zurück in seinen Unterschlupf tapsen.
Pennyflax aber griff in seine Tasche, zückte einen Feuerstein und rief lachend: »Dageblieben! Ich weiß ja, dass du keinen Regen magst. Aber du wirst mich doch nicht die ganze Arbeit mit den schäbigen Scheuchen alleine machen lassen, gelle?! Hab auch was für dich, wenn du mir hilfst …«
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