Maxi Hill
Die Rache des Faktotums
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Inhaltsverzeichnis
Titel Maxi Hill Die Rache des Faktotums Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhalt Inhalt Ein Täterpsychogramm - frei nach einem deutschen Kriminalfall, von dem ein Richter sagte, er habe eine Unrechtsdimension, die für ein irdisches Gericht eigentlich zu groß sei. Der Arbeitslose Bodo F. und die Altenpflegerin Lola G. sind ein merkwürdiges Paar. Ihr benachteiligtes Vorleben schmiedet sie zusammen – bis Lola die Exklusiv-Pflege gutsituierter alter Herren übernimmt und so manch einen von ihnen beerbt. Seit Jahren versetzen mysteriöse Leichenfunde die Menschen in Angst und Schrecken. Die Mordkommission tappt im Dunklen, weil niemand vermisst wird und weil die Leichen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sind. Als Bodo auf die kleine City-Wache zu einer Routinebefragung geladen wird, geht er mit dem Vorsatz: »Wenn ich dort fertig bin, klicken die Handschellen.«
Bodo
Die Vergangenheit - Lola
Der Mann für alle Fälle
Ein ungleiches Paar
Kay und die Russinnen
Hasso Meyer
Der Preis des süßen Lebens
Der rettende Plan
Lieber kein Gottvertrauen
Leben und Sterben
Dieses Leben muss weitergehen
Oswin Schreiner
Auf ein Neues
Bodos Eifersucht
Die Gegenwart – Zwei Leichen und kein Vermisster
Ein gut situierter Mann
Rochus von Anger
Leben in zwei Welten
Emy und das Glück
Die dritte Leiche
Das Kind
Kleine Hilfe – große Wirkung
Der Entschluss
Die Vorladung
Polizei im Dilemma
Farbe bekennen
Zwischenrapport
Aussage gegen Aussage
Die Schlinge zieht sich zu
Die Meldung in der Tageszeitung.
Maxi Hill
Bibliografischer Überblick über neue Maxi-Hill-Bücher
Impressum neobooks
Ein Täterpsychogramm - frei nach einem deutschen Kriminalfall, von dem ein Richter sagte, er habe eine Unrechtsdimension, die für ein irdisches Gericht eigentlich zu groß sei.
Der Arbeitslose Bodo F. und die Altenpflegerin Lola G. sind ein merkwürdiges Paar. Ihr benachteiligtes Vorleben schmiedet sie zusammen – bis Lola die Exklusiv-Pflege gutsituierter alter Herren übernimmt und so manch einen von ihnen beerbt.
Seit Jahren versetzen mysteriöse Leichenfunde die Menschen in Angst und Schrecken. Die Mordkommission tappt im Dunklen, weil niemand vermisst wird und weil die Leichen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sind.
Als Bodo auf die kleine City-Wache zu einer Routinebefragung geladen wird, geht er mit dem Vorsatz: »Wenn ich dort fertig bin, klicken die Handschellen.«
Dieser Tag ist nicht nach seinem Geschmack, doch dieser Tag wird auch Lola nicht schmecken.
Der Mann tritt vor die Tür. Nervös fährt die Hand durch das feuchte Haar, das in seinem Nacken staucht und kleine glitzernde Kringel wirft. Schaut man genauer hin, ist es kein fröhliches Gesicht. Seine linke Wange zuckt vor Erregung, doch man möchte glauben, sein Inneres hört auf eine mahnende Stimme. Er spürt keine Angst und er weiß nicht, ob er je Angst verspürt hat. Er weiß nur, das Jüngste Gericht kennt keinen Verteidiger.
Seine Augen suchen den Punkt am Himmel, der ihm lange Zeit für Vergebung genügt hat. Er ist nicht gläubig, aber er glaubt an eine gerechte Strafe. Er ist auch nicht dumm, aber er glaubt, er weiß nicht sehr viel. Er kann lesen und schreiben und fester zupacken, als es sein schlaksiger Körper ahnen lässt. Zupacken hat er gelernt. Das musste er lernen. Er hatte nie das Glück, eine Ausbildung zu genießen, wie sie ein Sesselposten erfordert.
Bodo Fichtner war das siebente und letzte Kind, und er blieb für seinen Vater auch noch das ungeliebte. Ihm lag die Schule nicht und er schmiss sie hin. Heute bereut er.
Ein klarer Morgen liegt über der Stadt. Sanfte Strahlen streichen die Dächer und Türme, die Bodo zum ersten Mal in seinem Leben als Schutzwall wahrnimmt. Die Vögel zwitschern schon lange, und hier und da sieht man einen Menschen durch den morgendlichen Park laufen. Von der Stadtmauer kommend zerrt eine Frau ihren Hund über die hügelige Wiese.
Vor dem prächtigen Haus mit dem Säulenportal, in dem er bei Lola wohnen darf, ist es noch still. Nur von fern quietscht die Straßenbahn, die am Postplatz in die Berliner Straße einbiegt.
Bodo setzt bedächtig ein Bein vor das andere. Diese Langsamkeit ist seine Galgenfrist.
Der Weg ist nicht weit, und er ist nicht von Sinnen. Er nimmt die Stadt mit all den vergessenen Sinnen wahr. So fühlte er an keinem seiner verdammten Tage vorher. Heiße Wut treibt das Blut durch die Adern: Das mit Lola und dem ganzen Bockmist, wäre ihm früher nie eingefallen.
Er ist noch nicht alt, gerade 49 Jahre, aber man sagt, er sieht älter aus. Vielleicht weil er zu viel geraucht, zu viel gesoffen, ungesund gegessen und zu wenig geschlafen hat. Vielleicht hat er aber nur geraucht und gesoffen, weil er seit langem schlecht schlafen kann. Und das hat einen Grund, der im Verborgenen schlummert.
Seine Kleidung schlottert um den drahtigen Körper. Sein Muskelfleisch hat in letzter Zeit den Kürzeren gezogen. So sagt es Lola. Er weiß, was sie damit bezweckt. Darüber denkt er selten nach - wer denkt schon gerne an seine Schwächen. Seine größte hat ihn zu dem gemacht, der er am Ende dieses Tages sein wird. Allein diese Erkenntnis raubte ihm den Schlaf. Aber wenn er schon nach Canossa muss, dann wird er auch Buße tun.
Bodo Fichtner geht seinen Weg bedächtig, und die Dinge um ihn herum tragen heute andere Namen, andere Farben, sie stehen an einem anderen Platz. Nur sein eingeübter Satz bleibt beständig in seinem Kopf: »Wenn ich dort fertig bin, klicken die Handschellen. «
Zwölf Jahre zuvor. Sie schritt ihren neuen Weg ab, den sie jetzt für lange Zeit zu gehen hatte. Ihr Blick aus moosgrünen Augen streifte zu beiden Seiten die langen, lieblosen Wohntrakte, die ihr dennoch weniger muffig vorkamen, als ihr bisheriges Haus im Salzland, dreihundert Kilometer westlich von hier. Das schmale Backsteinhaus in ihrer Heimatstadt war um die Jahrhundertwende gebaut worden und es unterschied sich in nichts von den anderen Häusern in ihrer Straße, die man Moorstraße nannte. Ein Moor gab es nicht in der Nähe, aber irgendwie hatte die ganze Stadt auf sie gewirkt, als würde sie bald versinken. Das lag an den Schächten tief unter der Stadt, aus denen das Salz geholt worden war, einige Herrschafts-Epochen lang, bis sich die Erde mitsamt ihrer Last zu neigen begann. Das gefährliche Auf und Ab der Straßen und der schräge Kirchturm wurden kurzerhand zur Attraktion erklärt – Klein Pisa. An all das hatte man sich gewöhnt, sofern man nicht selbst hinter einer der rissigen Hauswände wohnte, die der Neigung des Erdreichs nicht standhalten konnten.
Lass uns hier weggehen, hatte sie zu Paul gesagt. Nicht nur einmal. Aber Paul hatte jedes Mal gemeint, er sei dort geboren und er werde sich auch dort begraben lassen. Dieses Ziel hatte er nun vorfristig erreicht, und es waren wahrlich nicht viele Ziele, die Paul Gardner in seinem Leben erreicht hatte.
Lola wusste natürlich, warum es Paul in dieser Öde gehalten hatte, wo die Bode braune Schaumkronen trug, wo die Luft nach Kali roch, und wo es kaum einen Baum in der Landschaft gab, aber endlos unüberschaubare Rübenfelder in der Börde das Gefühl von Eintönigkeit verstärkten. Für Paul war das Leben normal, solange er regelmäßig und kostenlos seinen »Kumpeltod« bekam, ein Gesöff, das einem die Kehle verätzte, das die Sinne trübte und das einem das Weiße im Augapfel gelb färbte. Sie hat das Zeug nie getrunken, aber irgendwie hatte Pauls Griff zur Flasche auch auf sie abgefärbt, und bisweilen, wenn das Leben unerträglich wurde - und das hatte zumeist an Paul gelegen - dann trank sie hastig einen kräftigen Schluck.
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