Günter Huth
Der Schoppenfetzer und die Rache des Winzers
Foto: Rico Neitzel – Büro 71a
Günter Huthwurde 1949 in Würzburg geboren und lebt seitdem in seiner Geburtsstadt. Er kann sich nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben.
Er ist Rechtspfleger (Fachjurist), verheiratet, drei Kinder.
Seit 1975 schreibt er in erster Linie Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher aus dem Hunde- und Jagdbereich (ca. 60 Bücher). Außerdem hat er bisher Hunderte Kurzerzählungen veröffentlicht. In den letzten Jahren hat er sich vermehrt dem Genre Krimi zugewandt. 2003 kam ihm die Idee für einen Würzburger Regionalkrimi. „Der Schoppenfetzer“ war geboren.
2013 erschien sein Mainfrankenthriller „Blutiger Spessart “, mit dem er die Simon-Kerner-Reihe eröffnete, mit der er eine völlig neue Facette seines Schaffens als Kriminalautor zeigt. Durch den Erfolg des ersten Bandes ermutigt, brachte er 2014 mit dem Titel „Das letzte Schwurgericht “ den zweiten Band, 2015 mit „ Todwald “ den dritten Band, 2016 mit „Die Spur des Wolfes “ den vierten Band und 2017 mit „ Spessartblues “ den fünften Band dieser Reihe auf den Markt.
Der Autor ist Mitglied der Kriminalschriftstellervereinigung „Das Syndikat “.
Die Handlung und die handelden Personen dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lenbens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.
Günter Huth
Der Schoppenfetzer und die Rache des Winzers
Der neunte Fall des Würzburger
Weingenießers Erich Rottmann
Buchverlag
Peter Hellmund
im Echter Verlag
Zur Erinnerung an Erich Rottmann
Günter Huth
Der Schoppenfetzer und die Rache des Winzers
© Echter Verlag, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Gestaltet von Peter Hellmund
Gedruckt und gebunden von Pressel, Remshalden
Vierte Auflage 2019
ISBN
978-3-429-05460-1 (Print)
978-3-429-05066-5 (PDF)
978-3-429-06466-2 (ePub)
www.echter.de
WÜRZBURG, IM SOMMER 1980
An einem schwülheißen Donnerstag um 15:43 Uhr geht bei der Einsatzzentrale der Polizeidirektion Würzburg ein alarmierender Anruf ein. Eine Frau mit amerikanischem Akzent meldet völlig aufgelöst, dass sie beim Versuch, die Filiale der American Bank of Military Commerce (ABMC) in der Nähe der amerikanischen Kaserne Leighton Barracks zu betreten, in einen offenbar gerade stattfindenden Banküberfall geraten sei. Geistesgegenwärtig sei sie aus dem Eingangsbereich der Bank geflüchtet, ehe der Täter auch sie in seine Gewalt bringen konnte. Sie habe dabei gesehen, dass der Mann eine Schusswaffe in den Händen hielt. Weitere Angaben kann sie nicht machen.
Dieser Anruf, der als seriös eingestuft wird, löst in der Folge einen Großeinsatz der Polizei aus. Eine halbe Stunde später wird das polizeiliche Sondereinsatzkommando (SEK) Bayern Nord alarmiert, das nur wenige Minuten später mit drei Mannschaftsbussen ausrückt, die mit Blaulicht und Sirene über die A3 nach Würzburg rasen. Gleichzeitig hebt ein Hubschrauber ab, der den Leiter des SEK und eine kleine Gruppe der Einsatzkräfte zum Tatort bringt. Ihr Ziel ist der Landeplatz der amerikanischen Streitkräfte innerhalb der Kaserne.
Der Leiter des SEK ist darüber informiert, dass in der Zentralverwaltung der ABMC mittlerweile ein Anruf eingegangen ist. Ein Mann hatte erklärt, dass er in die Filiale der American Bank of Military Commerce in Würzburg eingedrungen sei und sich fünf Geiseln in seinen Händen befänden. Er sei mit Schusswaffen und Handgranaten ausgerüstet und fordere innerhalb von fünf Stunden ein Lösegeld von zwei Millionen Dollar und einen Fluchtwagen. Andernfalls drohe er mit der Erschießung seiner fünf Geiseln: des Filialleiters, des Kassiers, zweier Bankangestellter und einer Bankkundin.
So weit die bekannten Fakten vom Tatort. Örtliche Polizeieinsatzkräfte sind bereits vor Ort und sperren das Gelände um die Bank großräumig ab. Die Zuständigkeit der deutschen Polizei ist gegeben, da es sich bei der Bank um ein privatwirtschaftliches Geldinstitut und um keine militärische Institution handelt. Zudem liegt die Filiale auf deutschem Hoheitsgebiet.
Nach ihrer Landung stürmen die SEK-Männer über das Flugfeld und werden von einem bereitstehenden Bus der amerikanischen Militärpolizei aufgenommen, der sie zum Einsatzort bringt.
Die Einsatzleitung ist in einem mit Technik vollgestopften geräumigen Bus untergebracht. Während seine Männer davor stehen bleiben, betritt der SEK-Leiter das Fahrzeug und verschafft sich einen schnellen Überblick. Drei Männer unterschiedlichen Alters, teilweise in grünen Polizeieinsatzuniformen, sitzen über einen Stadtplan gebeugt und richten sich nun auf. Der in Schwarz gekleidete SEK-Mann wendet sich an den ältesten Beamten: „Grüß Gott, Kollegen, Dremmler, SEK Nord. Wir sind das Vorauskommando. Können Sie mich kurz mit der Lage vertraut machen? Meine bisherigen Informationen sind sehr dürftig.“
Zu Dremmlers Erstaunen erhebt sich der jüngste der Polizisten und gibt ihm die Hand. Nachdem er sich kurz vorgestellt hat, erklärt er: „Sie wundern sich sicher, dass ich die Einsatzleitung übertragen bekommen habe, aber alle höheren Führungskräfte befinden sich im Raum Schweinfurt, weil dort eine Großdemonstration rechter Gruppierungen stattfindet und autonome Linke eine Gegendemo angekündigt haben. Ziemlich heiße Sache, die eskalieren kann.“ Daraufhin setzt er sich wieder, stellt die anderen Beamten vor und bietet dem SEK-Mann einen freien Sitz an. „Zu Ihrer Information: Die Einsatzzentrale wurde heute Nachmittag von einer Bankkundin angerufen, die beim Betreten der ABMC-Bank einen Mann gesehen hat, der mit vorgehaltener Schusswaffe Menschen bedroht. Mittlerweile liegen auch die Forderungen des Täters vor. Wir konnten in der Zwischenzeit das Telefon der Bank anzapfen und hatten auch schon Kontakt zum Täter. Es handelt sich offenbar um einen ehemaligen amerikanischen Soldaten, wahrscheinlich einen Veteranen aus dem Vietnamkrieg. Zum Motiv seiner Tat hat er gesagt, dass Amerika ihm wegen des Vietnamkriegs viel Geld schulde und er diese Schulden jetzt eintreiben wolle. Unser Polizeipsychologe ist zwar an ihm dran, aber er hat große Mühe, ihn einigermaßen ruhig zu halten. Er fürchtet, dass der Mann psychisch völlig durchdrehen könnte. Die Sache kann jederzeit aus dem Ruder laufen.“
„Schon irgendwelche konkreten Anweisungen für meine Männer und mich?“, fragt der SEK-Mann knapp.
„Wir haben das Gebiet großräumig abgesperrt. Soweit möglich, haben wir die Bewohner der umliegenden Häuser angewiesen, nicht an die Fenster zu gehen und das Haus nicht zu verlassen. Alle haben wir aber nicht erreicht. Verteilen Sie einige Ihrer Scharfschützen in den Häusern rund um die Filiale. So weit das möglich ist, auch auf den Dächern. Notfalls müssen sie auch in Wohnungen von Anwohnern.“ Er zögert einen Augenblick, dann meint er: „Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass wir heute ohne Ihr Eingreifen nicht zum Ende kommen.“ Er zeigt auf den Stadtplan, auf dem das Gebiet rund um die Bank in starker Vergrößerung dargestellt ist. „Eine Gruppe Ihrer Männer postieren wir an einer günstigen Stelle möglichst nahe an der Bank, damit sie dort im Notfall sofort zugreifen können. Die Schützen würde ich hier und dort verteilen.“ Er tippt auf das Papier. „Dann haben sie die Vorder- und die Rückseite des Gebäudes im Auge. Nehmen Sie eine Kopie des Plans mit.“ Er nimmt sich einen gefalteten Plan vom Tisch und gibt ihn Dremmler. „Sie unternehmen bitte nichts ohne eine klare Anordnung von mir. Wir müssen verhindern, dass dieser Mensch ein Blutbad anrichtet. Ständiger Funkkontakt ist gewährleistet.“ Er weist auf das Headset, das der SEK-Mann trägt.
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