Günter Huth - Der Schoppenfetzer und der Henkerswein

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In Würzburg wird bei Reparaturarbeiten an einem Pfeiler der Alten Mainbrücke ein menschliches Skelett gefunden. Wenige Tage darauf verschwinden in der Mainmetropole prominente Bürger. Als einer von ihnen unter mysteriösen Umständen nur noch tot geborgen werden kann, schaltet sich Erich Rottmann in die Ermittlungen ein. Treibt da ein Serientäter sein Unwesen in Würzburg? Und was hat das alles mit dem Altoberbürgermeister zu tun? – Der pensionierte Kommissar und sein Hund Öchsle geraten bei ihren Nachforschungen selbst in größte Gefahr und erlösen schließlich die Oberbürgermeisterin aus einer äußerst schwierigen «Koalition».

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Günter Huth

DerSchoppenfetzer

und der Henkerswein

Foto Rico Neitzel Büro 71a Günter Huthwurde 1949 in Würzburg geboren und - фото 1 Foto Rico Neitzel Büro 71a Günter Huthwurde 1949 in Würzburg geboren und - фото 2

Foto: Rico Neitzel – Büro 71a

Günter Huthwurde 1949 in Würzburg geboren und lebt seitdem in seiner Geburtsstadt. Er kann sich nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben.

Er ist Rechtspfleger (Fachjurist), verheiratet, drei Kinder.

Seit 1975 schreibt er in erster Linie Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher aus dem Hunde- und Jagdbereich (ca. 60 Bücher). Außerdem hat er bisher Hunderte Kurzerzählungen veröffentlicht. In den letzten Jahren hat er sich vermehrt dem Genre Krimi zugewandt. 2003 kam ihm die Idee für einen Würzburger Regionalkrimi. „ Der Schoppenfetzer “ war geboren.

2013 erschien sein Mainfrankenthriller „ Blutiger Spessart “, mit dem er die Simon-Kerner-Reihe eröffnete, mit der er eine völlig neue Facette seines Schaffens als Kriminalautor zeigt. Durch den Erfolg des ersten Bandes ermutigt, brachte er 2014 mit dem Titel „ Das letzte Schwurgericht“ den zweiten Band, 2015 mit „ Todwald “ den dritten Band, 2016 mit „Die Spur des Wolfes “ den vierten Band und 2017 mit „ Spessartblues “ den fünften Band dieser Reihe auf den Markt.

Der Autor ist Mitglied der Kriminalschriftstellervereinigung „ Das Syndikat “.

Die Handlung und die handelden Personen dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lenbens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.

Günter Huth

Der Schoppenfetzer

und der Henkerswein

Der fünfte Fall des Würzburger

Weingenießers Erich Rottmann

Buchverlag

Peter Hellmund

im Echter Verlag

Günter Huth

Der Schoppenfetzer und der Henkerswein

© Echter Verlag, Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltet von Peter Hellmund

E-Book-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Siebte Auflage 2020

ISBN

978-3-429-05512-7

978-3-429-05100-6 (PDF)

978-3-429-06492-1 (ePub)

www.echter.de

WÜRZBURG IN DUNKLER VERGANGENHEIT

Die Nacht des 17. Mai 1558 war für die Jahreszeit ungemütlich kühl und wegen des herrschenden Neumonds extrem finster. Hinzu kam starker Regen, der, von stürmischen Winden getrieben, dem einsamen Mann in den Straßen der Stadt ins Gesicht peitschte. Das Wasser stürzte so dicht vom Himmel, dass die Konturen der Häuser der schlafenden Stadt in verwaschene Schatten verwandelt wurden.

Keine gemütliche Nacht für Barthelmes Hasenzahn, einen Nachtwächter der Bischofsstadt am Main. Mit Hellebarde, Horn und Laterne bewaffnet, den hohen Kragen des dicken Umhangs zum Schutz gegen das eindringende Wasser hochgeschlagen, stapfte er durch die aufgeweichten Gassen und tat seinen Dienst. In regelmäßigem Stundentakt ließ er, während er seine Runden drehte, den Wächterruf erschallen, der den Bürgern in den Häusern einen friedlichen Schlaf bescherte: »Hört, Ihr Leut und lasst Euch sagen…«

Jedes seiner Worte, das von einer Wolke kondensierten Atems begleitet wurde, riss ihm der Wind aber so gierig von den Lippen, dass es schon nach wenigen Metern nur noch schwer zu hören war.

Barthelmes roch beim Einatmen den vertrauten Gestank der mit Fäkalien getränkten Erde. Dieser vermischte sich mit dem Rauch aus den Kaminen der Häuser, deren Feuerstellen mit Holz und Torf geschürt wurden. In diesem Jahr hatten sich die Eisheiligen sehr verspätet, daher waren die Menschen gezwungen, noch immer zu heizen.

Hasenzahn fiel der Gestank nicht auf. Seine Nase war seit der Kindheit an diesen Geruch gewöhnt.

Neben dem Nachtwächter trottete die Gestalt von Greif, seinem treuen vierbeinigen Wegbegleiter. Dieser trug noch immer sein dichtes schwarzes Winterfell, das ihn vor den Unbilden des Wetters schützte. Hin und wieder schüttelte er sich das Fell und erzeugte einen feinen Sprühregen um sich herum. Der große Rüde, der aus der Verbindung einer Hütehündin mit demRüden eines Metzgers stammte, kannte die Runde, die sein Herr in der Nacht mehrfach zurückzulegen hatte, im Schlaf. Entsprechend gleichmütig tappte er nebenher. Greif benötigte keinen Führstrick mehr. Seine Sturm-und-Drang-Zeit lag längst hinter ihm.

Als ihm eine Bö den Regen entgegenpeitschte, drückte er sich dicht an seinen Herrn. Der Rüde hoffte auf eine baldige Pause in der Stube der Brückenwache, wo er seine rheumageplagten Knochen einige Zeit im Schein des warmen Kaminfeuers wärmen konnte.

Der Nachtwächter kannte die Straße vom Dom zur Mainbrücke wie seine Hosentasche, so dass er auch bei eingeschränkter Sicht keine Orientierungsprobleme hatte.

Kurz vor dem Grafeneckart hob Barthel aus alter Gewohnheit den Kopf und versuchte, einen Blick hinauf zur Behausung des Turmwärters zu werfen – zu seinem alten Freund Hubertus Wulfus, genannt Lupus, der Wolf, ein wegen einer Kriegsverletzung ausgemusterter Soldat des Fürstbischofs. Der alte Haudegen von echtem Schrot und Korn, der dort oben seit mehr als zehn Jahren seinen Dienst verrichtete, hatte von seiner hohen Warte normalerweise einen hervorragenden Blick auf die Stadt und die Umgebung. Hubertus war dafür verantwortlich, herannahende Feinde und – was noch wichtiger war – ausbrechende Feuer sofort zu erkennen und Alarm zu schlagen. Nur so konnten sich die Bürger der Stadt vor den gefürchteten Feuersbrünsten schützen, die in vielen Städten, in denen Sommer wie Winter mit offenem Feuer gekocht und geheizt wurde, immer wieder auftraten und diese innerhalb kürzester Zeit dem Erdboden gleichmachten. Aber der Regen war heute so dicht, dass Barthel keine Chance hatte, auch nur einen Lichtschein aus dem Türmerzimmer zu erhaschen. Wahrscheinlich hatte sich Lupus einen Humpen Roten eingeschenkt, um die Gicht in den alten Knochen zu vertreiben. Bei dem Gedanken beneidete Barthelmes den alten Kämpen etwas.

Der Nachtwächter musste plötzlich schmunzeln. In der Stadt hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass Lupus, als er noch im besten Mannesalter war, dort oben häufiger Besuch von jungen Weibsbildern bekommen hatte. Die hübschen Töchter des Baders sollen regelmäßig die schmale Wendeltreppe emporgestiegen sein.

Barthel nickte bedächtig. Wenn sich die holde Weiblichkeit schon die Mühe gemacht hatte, die zahlreichen Stufen zur Türmerstube zu erklimmen, hatte sie gewiss mehr erwartet als nur die reizvolle Aussicht.

Das war lange her. Barthel wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. Mittlerweile war der Wein Lupus’ bester Zeitvertreib.

Der Nachtwächter schüttelte sich, weil ihn plötzlich fröstelte. Alles im Leben war vergänglich. Er wandte sich in Richtung Brücke, wo die warme Stube auf ihn und Greif wartete.

Als sich Herr und Hund dem geschlossenen Tor zur Mainbrücke näherten, erwachte Greif plötzlich aus seinem Gleichmut. Er hob den Kopf, spitzte die Ohren und ließ ein verhaltenes Knurren vernehmen, das tief aus seiner mächtigen Brust kam und schon so manchen Spitzbuben das Fürchten gelehrt hatte.

Barthel blieb stehen, schirmte seine Augen gegen die Regentropfen ab und starrte in die Nacht. Er konnte aber nichts erkennen, was das Verhalten des Rüden ausgelöst haben könnte. Vielleicht war es eine Katze gewesen oder eine der zahlreichen Ratten, die die Stadt bevölkerten.

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