1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Als die elektronische Zieloptik der Kanone aufblinkte, feuerte Pennyflax aus allen Rohren und purzelte aufgrund des enormen Rückstoßes aus dem Sitz des Phrasendreschers. Dennoch konnte er verfolgen, wie die fünf Knusper-Floskel-Kugeln davon zischten, vor dem sternengesprenkelten Hintergrund des Weltalls auf den riesigen Finsterling-Jäger zuschossen – und ihr Ziel verfehlten. Das gegnerische Kommandoschiff hatte ein solch schnelles Ausweichmanöver hingelegt, dass die Kugeln unter ihm hindurch gerauscht waren. Harmlos verpufften sie in einem Cerealien-Feuerwerk und bildeten die Worte »Prost Mahlzeit!« am Himmel.
Pennyflax stieß eine Verwünschung aus und griff bereits nach einer weiteren Kugel. Im nächsten Moment aber gefror ihm das Blut in den Adern, weil das Kommandoschiff der Finsterlinge zum Angriff überging. Es sauste herbei, füllte mit seiner nebelhaften Rochenform das Sichtfeld hinter Lunos Schiff aus und schoss gleichzeitig seine vier Geschütze ab.
Vier rot glühende Leser-Strahlen fauchten heran, allesamt fiese Schachtelsätze, gegen die selbst das gewagteste Manöver von Amigo kaum helfen würde. Dennoch schaffte es der Bordcomputer, ihr Schiff durch einen abrupten Linksschwenk vor zwei der Strahlen zu bewahren. Gleichzeitig gelang es Shirah in letzter Sekunde, den dritten Strahl gegenzulesen und zu neutralisieren. Der vierte Leser-Strahl jedoch traf unweigerlich sein Ziel.
»Achtung Einschlag!«, brüllte Pennyflax seinen Freunden zu und erhaschte wie in Zeitlupe einen Blick auf den Schachtelsatz, dessen Wörter lauteten:
»Hiermit fordern wir Sie ein letztes Mal auf, die Mahngebühren in vollem Umfang zu begleichen, da wir ansonsten drastische Schritte gegen Sie einleiten werden und Ihnen aufgrund des wiederholten Zahlungsverzugs ein Gerichtsverfahren anhängen, dessen Kosten Sie, laut Strafgesetzbuch, Absatz soundso, in voller Höhe zu tragen haben, selbst wenn dies Ihren finanziellen Ruin bedeutet, so dass Sie ins Gefängnis wandern oder den Rest ihres Lebens in einer Abfallentsorgungsanlage schuften dürfen, mit anderen Worten, Sie sind geliefert!«
Begleitet von einem unglaublichen Rumms schlug der Leser-Strahl seitlich in die Hülle von Lunos Raumschiff ein und fraß sich tief ins Innere vor. Unter der enormen Hitze schmolz das blaue, edelsteinartige Material, aus dem das Schiff bestand, wie Butter. Funken sprühten, der Sauerstoff entwich und die gesamte Kabine begann heftig zu Rütteln, weshalb Pennyflax den Eindruck bekam, ihr Fluggerät müsse jeden Augenblick auseinander brechen. Einige Sekunden lang war er wie gelähmt vor Schreck, doch der Gedanke an Shirah zwang ihn zum Handeln. In seiner Panik kletterte er aus der Geschützkanzel und driftete durch die Schwerelosigkeit nach vorne, Richtung Bug.
An Bord herrschte heilloses Chaos: Zu dem Schrillen der Alarmsirene, dem Funkenregen, dem Rütteln und Zischen, hatte sich dichter Rauch gesellt, der durch die geschmolzenen Bordinstrumente verursacht wurde. Wäre das rote Flackern der Signallampen nicht gewesen, Pennyflax hätte gar nichts mehr gesehen. Außerdem begann er vor Atemnot zu japsen, weil die Luft knapp wurde und draußen, so hoch über der Mondoberfläche, nur wenig davon vorhanden war. Verdingst … wenn wir nicht bald landen, werden wir hier drinnen ersticken!
Zwei leuchtende Telleraugen schälten sich aus dem Dunst. Luno trug mittlerweile einen Helm, winkte hektisch und hielt dem Kobold ebenfalls einen der kugelrunden, durchsichtigen Helme hin. »Rasch!«, rief er mit ungewöhnlich rauer Stimme und zitternden Ohren. »Unser Schiff kann nicht mehr steuern und wird jeden Moment abstürzen! Wir müssen die Rettungskapsel erreichen!«
Pennyflax hustete wegen des Rauchs, stülpte den Helm über seinen Kopf samt Hut und sog begierig den Sauerstoff in seine Lungen. Er fühlte sich wie nach einem langen Tauchgang, bei dem einem die Luft unter Wasser ausgegangen war. Über Helmsprechfunk röchelte er zurück: »Was ist mit Shirah?!«
Ohne Zeit zu verlieren, packte Luno ihn und zog ihn mit sich. »Ihr geht es gut, sie befindet sich bereits in der Kapsel! Hoffentlich gelingt es uns, damit zu starten und der Aufmerksamkeit unserer Verfolger zu entkommen. Dieses Unglück tut mir so leid, mein Freund …«
Liebend gerne hätte Pennyflax dem Mondmann gesagt, dass alles halb so wild war. Doch sie schwebten ernsthaft in Lebensgefahr. Ihr Raumschiff trudelte in einem Schlingerkurs dem Boden entgegen und wurde noch immer von den Jägern der Finsterlinge beschossen. Vor allem das große Kommandoschiff klebte ihnen an den Fersen, feuerte aus allen Kanonen und schien mit seinen zwei Nebel-Cockpits noch dämonischer zu grinsen als vorher. Und obwohl der Kobold nicht einmal richtig auf dem Mond angekommen war, verspürte er schon jetzt eine Riesenwut auf diese Schattenschufte. Am liebsten hätte er ihnen Brennnesseln in die Unterhosen gestopft oder eine Stinkbombe durchs Fenster geworfen.
»WARNUNG!«, plärrte Amigo. »Aufschlag am Boden steht unmittelbar bevor! Es gelten die Rettungsvorschriften der Raum-Bredouille Orion: Benutzen Sie das Bügeleisen und bringen Sie sich in Sicherheit!«
Luno und Pennyflax erspähten hinter den transparenten Wänden ihres Schiffs, wie sich die Mondoberfläche rasend schnell näherte. In wilden Kreisen tanzte die Kraterlandschaft auf die beiden zu, während sie sich verzweifelt durch das Rütteln und den Rauch zur Rettungskapsel vorarbeiteten. Mit einer gehörigen Portion Glück schafften sie es schließlich, die Kapsel zu erreichen.
Shirah gab ihnen bereits panisch Handzeichen und wollte ihren Gefährten beim Einsteigen an der Luke helfen. Pennyflax hatte jedoch etwas Wichtiges vergessen, wand sich aus ihrem Griff und schwebte davon.
»WAS MACHSTE DENN???«, schrie seine Freundin ihm hinterher.
Er versuchte, mit seinen Blicken den Qualm im Raumschiff zu durchdringen, zu dem sich in diesem Moment auch noch Flammen gesellten, weil die Geräte zu brennen begannen. Die Umgebung wirbelte aber im Flackern des Feuerscheins und der Alarmlichter dermaßen schnell umeinander, dass er nichts erkannte. »Unsere Schwerkraftstiefel müssen hier irgendwo sein«, rief er ihr über den Helmfunk zu. »Ohne die werden wir auf dem Mond nur schlecht laufen können.«
»Du wirst GAR nicht mehr laufen können«, brüllte Shirah hysterisch, »wenn du nicht sofort zurückkommst! SOFORT, verstanden?!?!«
Pennyflax wollte seine Suche gerade abbrechen, da flogen beide Stiefelpaare an ihm vorbei. Und nicht nur die: Auch Shirahs Kräuterbeutel tauchte vor seiner Nase auf. Mit einem beherzten Sprung stieß er sich am 4D-Drucker ab, schnappte sowohl die Schuhe als auch den Beutel und schoss durch eine Flammenwand hindurch, direkt in die Rettungskapsel hinein, wo Luno ihn auffing.
Sogleich verschloss der Mondmann die Luke, zog an einem Hebel und warf sich zusammen mit den Kobolden in einen der Sessel, die in der engen Kapsel montiert waren. Keine Sekunde zu früh, denn nun zündeten die Schubdüsen und katapultierten die runde Kapsel davon.
»Mach’s gut, Amigo«, murmelte Pennyflax beim Zurückblicken. »Werde dich vermissen … obwohl du ein ganz schöner Lügner warst.«
In einem Bogen zischten die Freunde von dem blauen, tropfenförmigen Raumschiff weg und beobachteten, wie es eine Rauchfahne hinter sich herzog und abschmierte. Die Finsterling-Jäger umschwärmten es wie Hornissen, trafen nun mehrfach mit ihren Leser-Geschützen und gaben ihm den Rest – nur wenige Augenblicke später krachte Lunos Schiff brennend auf die Mondoberfläche und explodierte in einer blauen Stichflamme. Qualmende Splitter spritzten in alle Richtungen, doch da es sich um eine Graslandschaft handelte, auf der nur Büsche wuchsen, kam niemand zu Schaden.
An Bord der Rettungskapsel atmeten Shirah, Luno und Pennyflax auf, weil ihre Flucht unbemerkt geblieben war. Die schwarzen Nebelschiffe der Finsterlinge kreisten über der Absturzstelle und suchten vergeblich nach einem Lebenszeichen ihrer Beute. Schließlich drehten sie ab und zischten davon, um hinter einem Berg am Horizont zu verschwinden.
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