Glücklicherweise reagierte Luno schnell genug. Er sprang aus seinem Sessel, fing seine Freunde auf und ließ sich in einen dritten Sitz plumpsen. Nachdem das Schiff seinen Kurs stabilisiert hatte und durch eine Wolkenbank schoss, setzte Luno die zwei zurück auf ihre Füße.
»Entschuldigt bitte«, schnaufte der Mondmann. »Ich hatte vergessen, euch beim Anschnallen auf das Festziehen der Gurte hinzuweisen. Unvorhersehbare Flugmanöver passieren immer wieder. Ihr solltet außerdem eure Raumanzüge anlegen, denn bald verlassen wir die Atmosphäre, dann wird es noch holpriger.«
Pennyflax vergewisserte sich, dass es Shirah gut ging, hob seinen Schlapphut auf und wunderte sich: »Echt jetzt? Hast du solche weißen Polster-Anzüge, wie du ihn trägst, in unserer Größe dabei?«
Luno lächelte. »Noch nicht. Aber ich habe einen 4D-Drucker an Bord, der jedes gewünschte Objekt in jeder Größe anfertigt. Und das ohne Zeitverlust!«
Sogleich wurden sie von ihm zu einer Kabine geführt, die einem Kleiderschrank aus Metall ähnelte und vorne eine Tür besaß. Auf Lunos Anweisung betraten die beiden die Metallkabine, und ehe sie sich versahen, begann der ganze Kasten wie wild zu surren und zu wackeln. Während etliche Lichter aufblinkten und Dampf aus allen Ritzen drang, spürten sie ein Kribbeln auf ihrer Haut. Keine drei Sekunden später öffnete sich die Tür, die beiden wurden sanft aus der Kabine geschoben – und trugen Raumanzüge in Koboldgröße.
»Donnerrettich!«, entfuhr es Pennyflax. Er schaute an sich hinunter und grinste. Sein Anzug bestand aus einem flexiblen und doch festen Material, das wärmte und von einigen Metallspangen verstärkt wurde. Auf dem weißen Stoff prangte das N.A.S.E.-Symbol, und auf seinem Rücken hing ein kleiner Kasten, der wohl den Sauerstoff enthielt. »Bekommen wir auch Helme?«, erkundigte er sich und überlegte, wie er seinen Hut da hinein quetschen sollte.
Luno nickte. »Die lasse ich gleich produzieren. Doch nun setzt euch bitte und schnallt euch an, sonst würdet ihr an Bord umher schweben, sobald wir den Weltraum erreichen.«
Pennyflax und Shirah kletterten zurück auf den Sitz, zurrten den Sicherheitsgurt fest und verfolgten, wie ihr Gefährte sich an seine Steuerkonsole setzte. Als ihr Blick wieder nach draußen fiel, klappten ihnen die Münder auf: Unter ihnen war Eraluvia zu einem Fleck im Ozean geschrumpft und in seinen kompletten Ausmaßen zu überschauen. Vom Goblin-, Zwergen- und Koboldland im Westen, über das Elfenreich und Menschenland in der Mitte, bis hin zum Reich der Aquarianer im Osten lagen sämtliche Gebiete des Kontinents in ihrem Blickfeld. Erst jetzt wurde ihnen bewusst, wie klein Eraluvia im Vergleich zum Rest der Welt war.
»Un-fass-lich!«, staunte Shirah. »Unsere Heimat ist nur ein Klecks, wenn man sich all die anderen Orte auf dieser riesigen Kugel anguckt.« Sie geriet ins Grübeln. »Wie heißt eigentlich die ganze Kugel?«
»Euer Planet heißt Erde«, klärte Luno sie auf.
Shirah starrte weiterhin nach draußen und murmelte: »Hm … Erde also. Wie Sand, Dreck oder Matsch. Das gefällt mir.«
»Flughöhe achtzig Kilometer«, schnarrte der Bordcomputer. »Wir erreichen nun die Thermosphäre.«
»Was ist das eigentlich für’n komischer Kauz, der hier ständig rumquäkt«, wunderte sich Pennyflax und guckte sich nach der mysteriösen Stimme um, die er bereits mehrfach vernommen hatte.
Luno kontrollierte die Flugroute auf dem Bildschirm und erläuterte: »Dies ist ein elektronisches Gerät, genannt Computer, der für mich komplizierte Rechenaufgaben während des Flugs übernimmt, das Schiff steuert und mich an viele Dinge erinnert. Mit anderen Worten: Er ist eine intelligente Maschine.«
»Hast wohl in der Schule nicht aufgepasst, wenn du andere für dich rechnen lässt, was?«, gluckste Pennyflax. Als er Shirahs Ellbogen in den Rippen spürte, kam er rasch aufs Thema zurück. »Hat der Computer-Knilch auch einen Namen? Und was meint der mit dem ›Erreichen der Thermosflasche‹?«
»Die Thermosphäre«, klärte der Mondmann ihn auf, »ist eine bestimmte Schicht der gesamten Lufthülle, die die Erde umschließt. Zusammen heißen diese Schichten Atmosphäre und reichen hinauf bis in fünfhundert Kilometer Höhe. Doch bereits davor, in hundert Kilometern Höhe, beginnt der Weltraum.« Er deutete auf seine Computerkonsole, an der jede Menge Lämpchen blinkten. »Und mein Rechner hat zwar keinen Namen, aber das Modell ist ein Amigo 64 Elite.«
»Aha«, machte Pennyflax und erblickte draußen zufälligerweise eine Wolkenfläche, auf der braune Flecken zu erkennen waren. Werde mal testen, ob der Computer tatsächlich so ein Schlauberger ist! , dachte er sich und rief voller Spott: »Hey, Amigo! Ich wette, du hast keine Ahnung, was das da für braune Flecken auf den Wolken sind. Stimmt’s?!«
Der Computer klickte einige Male und schnarrte aus dem Lautsprecher: »Es handelt sich hierbei um Wolkenfelder, auf denen die berühmte Luftschokolade angebaut wird. Sobald die Schokolade reif zur Ernte ist, wird sie von einem Luftzug abgeholt und nach Wolkenkuckucksheim transportiert.«
Dreimal verlauster Grottenolm! , fluchte Pennyflax innerlich. Das Schraubenhirn hat echt was auf’m Kasten! Er suchte rasch nach einer weiteren Testmöglichkeit und entdeckte ein mysteriöses, grünliches Leuchten, das in der Atmosphäre unterhalb des Nordpols der Erde waberte. Jetzt hab ich den Angeber! , war er der festen Überzeugung. »Und was leuchtet da im Norden so grün, Amigo?«
Wiederum klickte der Computer und vermeldete: »Aurora borealis, genannt ›Nordlicht‹ oder ›Polarlicht‹. Hervorgerufen wird die Erscheinung durch elektrisch geladene Teilchen, die von der Sonne abströmen und als sogenannter Sonnenwind im Magnetfeld der Erde zu leuchten beginnen.«
Triumphierend lachte Pennyflax auf. »Ha! Ich wusste es! Du hast null Plan und flunkerst mir was vor. Erstens gibt’s auf der Sonne gar keinen Wind, sonst würde der ja das Feuer auspusten. Und zweitens kann in der Erde unmöglich ein Magnet stecken, weil ich mein runtergefallenes Besteck zu Hause nicht mehr vom Fußboden aufheben könnte. Ätsch, drangekriegt!«
Luno schaltete sich ein und zwinkerte mit seinen Telleraugen. »Ich muss dich enttäuschen, geschätzter Freund. Da die Sonne ein riesiger Feuerball ist und dort gewaltige Explosionen stattfinden, schleudert sie fortwährend einen Strom winziger Plasma-Teilchen ins All, den Sonnenwind. Trifft dieser Teilchenstrom auf deinen Planeten, wird er vom Magnetfeld der Erde abgelenkt, doch an den Polen nur unvollständig. Und weil dort der Teilchenschauer bis zur Erdatmosphäre durchdringt, entsteht der Leuchteffekt. Außerdem kann ich dir versichern, dass die Erde im Inneren einen Eisenkern besitzt, der wie ein schwacher Magnet wirkt, wovon aber an ihrer Oberfläche kaum etwas zu spüren ist. Der Beweis für das Vorhandensein des Magnetfelds ist übrigens eine Kompassnadel, die nach Norden zeigt, sowie Vogelschwärme, die das Feld zur Orientierung nutzen.«
Pennyflax schmollte und knurrte etwas von »Ihr beiden Besserwisser habt euch abgesprochen!«
Deshalb ergriff Shirah die Gelegenheit. Sie wandte sich zum Lautsprecher und fragte: »Sag mal, Amigo-Computer … kreist die Sonne nur um die Erde? Oder gibt’s da noch andere Planeten?«
»Es ist die Erde, die um die Sonne kreist«, korrigierte der Computer Shirah und schnarrte: »In unserem Sonnensystem bewegen sich insgesamt acht Planeten um die Sonne, alle in verschiedenen Abständen und auf festen Umlaufbahnen. Am nächsten zur Sonne befindet sich der Merkur, dann folgen die Venus, als dritter Planet die Erde, der Mars sowie Jupiter und Saturn. Weiter draußen kreisen Uranus und Neptun, und schließlich der Zwergplanet Pluto, der jedoch wegen seiner Winzigkeit vernachlässigt wird. Die Reihenfolge lässt sich mit folgendem Spruch merken: › Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten‹.«
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