Plötzlich ertönte die Sirene des Schichtleiters und kündigte eine Pause an und Paul berührte Brando ganz leicht, um ihn auf die Sirene aufmerksam zu machen.
Brando hörte auf zu arbeiten und stellte den Hammer ab, wie das auch alle anderen Arbeiter taten und es trat im Nu eine beinahe gespenstische Stille ein.
Brando stieg von seinem leicht erhöhten Arbeitsplatz herunter, um mit Paul und seinen Arbeitskollegen zum Pausenraum zu laufen.
Sie mussten dazu die 200 Meter, die der Stollen lang war, zurücklaufen, bis fast zum Förderkorb.
Dort hatte man Tische und Stühle hingestellt und eine kleine Küche eingerichtet, und es wurden den Arbeitern Tee und eine Kleinigkeit zu essen gegeben.
Paul dachte, dass das doch gegenüber Zollverein ein Vorteil wäre, denn auf Zollverein hatten sie alle ihre Henkelmänner und Getränke mitbringen müssen.
Als sich die Blicke der Arbeiter auf ihn richteten, sagte Paul:
„Ich bin kein Tolaner, sondern ein Mensch vom Planeten Erde, wo ich auch unter Tage gearbeitet habe, ich habe allerdings Kohle und kein Gold gefördert, Kohle ist eine schwarzes organisches Steinmaterial, das verbrannt wird, es wird zu Heizzwecken oder zur Energiegewinnung benutzt.“
„Wie kommst Du denn nach Tolan?“, fragte einer der Arbeiter und Paul antwortete:
„Ein Tolaner namens Nuron hat meine und noch zwei weitere Familien von der Erde nach Tolan gebracht, er sagte, dass sein Gebieter, gemeint war Aatu, sehen wollte, ob er von den Menschen etwas lernen könnte.“
Damit war der Wissensdurst der Arbeiter gestillt und das Thema wurde gewechselt, jemand sagte:
„Wenn wir so weiterarbeiten, müssen wir bald einen neuen Stollen in den Fels sprengen!“
Paul fragte:
„Kann ich heute Nachmittag einmal versuchen, mit dem Hammer zu arbeiten?“, aber Brando erwiderte:
„Das ist für Dich viel zu gefährlich, lass uns das lieber machen, wir haben das Training und die Erfahrung!“
Aber Paul ließ nicht locker und fing immer wieder damit an, dass er einmal am Hammer stehen und den Fels bearbeiten wollte, und schließlich erklärte sich Brando bereit, ihn, wenn die Wache gerade nicht zu sehen wäre, kurz an den Hammer zu lassen.
„Müssen eigentlich alle Nigren-Männer im Goldbergwerk arbeiten?“, fragte Paul und einer der Arbeiter antwortete:
„Ja, sobald die Jungen erwachsen geworden sind, müssen sie sich bei den Minenarbeitern einreihen, wenn man alle Einsatzorte in dem Goldbergwerk und die verschiedenen Schichten zusammen nimmt, ergeben sich tausende von Arbeitern.“
„Gibt es unter Tage eigentlich viele Arbeitsunfälle?“,fragte Paul weiter.
„Die Zahl der Unfälle ist in letzter Zeit leicht rückläufig“, entgegnete Brando, „es passiert aber immer noch genug, das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass der Hammer, wenn er im Fels nicht weiterkommt, zurückschlägt und den Mann am Oberkörper trifft, wo er ihm übelste Verletzungen beibringt!“
„Genau das ist neulich direkt neben mir geschehen, der Hammer meines Kollegen schlug zurück und traf ihn mit voller Wucht am Brustkorb, sodass er von seinem Platz weggeschleudert und mit dem Kopf vor die Stütze des Transportbandes geworfen wurde, er liegt noch heute auf der Krankenstation und es geht ihm allmählich etwas besser!“, erzählte einer der Arbeiter.
Es ertönte wieder die Sirene des Schichtleiters und die Pause war beendet, alle standen auf und liefen wieder zu ihren Einsatzorten zurück.
Als sie an ihrem Arbeitsort angekommen waren, sagte Brando zu Paul:
„Stell Dich erst einmal auf den Sockel und vor den Fels!“ und Paul kletterte auf den Sockel und stellte sich hin.
Dann sagte Brando:
„Ich reiche Dir jetzt den Hammer und Du hältst ihn gegen den Fels gerichtet, ich werde ihn noch nicht in Gang setzen, damit Du erst einmal ein Gefühl für das Gewicht des Gerätes bekommst!“
Als Paul den Hammer in seinen Händen hielt, bekam er einen Eindruck von dem martialisch anmutenden Trumm.
Sein Gewicht war beachtlich und Paul konnte sich kaum vorstellen, Stunde um Stunde mit dem Gerät vor dem Fels zu stehen und sein wildes Bohren aushalten zu müssen.
Brando rief oder besser gesagt, er schrie mit Leibeskräften gegen den Lärm der inzwischen wieder arbeitenden Kollegen an:
„Führe den Meißel in das Bohrloch, in dem ich gearbeitet habe und ich setzte den Hammer in Betrieb, halte ihn gut fest!“
Und als Paul mit einem Mal spürte, wie sich der Hammer bewegte, mit welcher Gewalt er sich in den Fels vorarbeitete, bekam er es beinahe mit der Angst zu tun.
Aber schließlich beherrschte er das Gerät doch, er war ja auch kein Schwächling und verfügte noch über ausreichend Muskeln, um mit dem Hammer fertigzuwerden, dennoch konnte er sich nicht vorstellen, für länger als diesen kurzen Moment an diesem Gerät zu stehen und es halten zu müssen.
Brando löste ihn wieder ab und man sah, wie sich sein Körper anspannte, als er auf den Arbeitssockel kletterte und wieder seinen Hammer nahm.
Er übertrug seine gesamte Energie auf das Gerät, um dem Fels zu zeigen, dass er am Ende doch der Stärkere war.
Mit einem Mal brach ein Stück Fels heraus und legte den Blick auf eine schillernde Goldader frei, Brando jubelte, obwohl es ihm nicht zum Vorteil gereichen würde, auf die Goldader gestoßen zu sein.
Die Wachen, die Brandos plötzliche Bewegungsänderung mitbekommen hatten, kamen angelaufen und starrten auf die Goldader.
Sofort musste Brando aufhören, den Fels zu bearbeiten und von seinem Sockel heruntersteigen.
Die Wachen funkten nach einem Spezialisten, der in den Stollen kommen und sich die Goldader ansehen sollte.
Gerade wollten die anderen Arbeiter, die mitbekommen hatten, wie sich bei Brando mit einem Mal die Wache eingefunden hatte, ihre Hämmer zur Seite legen und nachschauen kommen, als aber die Wache sie aufforderte, weiter zu arbeiten und sich nicht ablenken zu lassen.
Nach einer Weile trafen drei Spezialisten bei Brando und Paul ein und begannen, das Gestein an Brandos Bohrloch zu untersuchen.
Sie wollten feststellen, wie mächtig die Goldader war, sie nahmen eine Bohrung mit einem sehr dünnen Bohrer vor und kamen zu dem Ergebnis, dass es sich um seine sehr ertragreiche Goldader handeln musste, die sie in Eigenregie ausbeuten wollten und sie schickten Brando zu einem anderen Arbeitsplatz, an dem er einen neue Bohrung ansetzen sollte, Brando sollte sich vor Schichtende beim Schichtleiter melden.
Er nahm seinen Hammer, löste ihn von der Wasserzufuhr und bat Paul, den Ersatzhammer zu nehmen.
Danach liefen sie ein Stück weiter und Brando suchte nach einer Stelle, an der er ein neues Bohrloch ansetzen konnte.
Er fand schließlich eine Stelle im Fels, die verheißungsvoll aussah, nicht so glatt war und dem Bohrer Halt geben würde und er sagte zu Paul:
„Leg den Hammer hier hin und hilf mir bitte beim Wasseranschluss!“
Paul tat, wie ihm geheißen wurde und half Brando mit dem Hammer.
Danach setzte Brando an und bohrte ein neues Loch, das ging mühsam und zäh vonstatten.
An seinem alten Bohrloch machten sich die hinzugerufenen Spezialisten daran, die Goldader freizulegen und genau zu untersuchen, schon lange hatte es in der Mine keinen Fund von einer Goldader mehr gegeben, und man war seitens der Werksleitung froh, dass es einmal wieder geschehen war.
Brando brach das Gestein aus der Felswand und Paul half ihm dabei, es auf das Transportband zu bugsieren und immer wieder achtete Paul auf Goldspuren im Gestein, er konnte aber nichts entdecken.
Die Arbeit war sehr schwer und es erforderte viel Kraft, das Gestein zu bewegen, auch wenn die Schwerkraft nicht so hoch lag wie auf der Erde, und auch wenn sie das Gröbste mit einem Kleinbagger auf das Band hoben.
Diese Tätigkeiten füllten ihren Nachmittag, Brando hämmerte und brach den Felsen, anschließend räumte er mit Pauls Hilfe die Bruchstücke auf das Band und Paul musste sagen, dass er sich etwas Spannenderes vorstellen konnte.
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