„Ihr Bürger von Gudon, Eure Häuser sind zerstört und ihr müsst Not und Elend erleiden, kommt in zwei Stunden in den Stadtpark und erfahrt, was der Gemeinderat und ich beschlossen haben!“
Sie frühstückten das bisschen, das sie hatten und tranken ordentlich Tee dazu, denn Tee gab es reichlich.
Nach eineinhalb Stunden machten sie sich auf den Weg zum Park.
Sie trafen unterwegs viele Bekannte und Shirin und Brando grüßten unentwegt.
Sie mussten sich auch anhören, wie schlimm doch alles wäre und dass niemand mehr etwas hätte, worin er sich aufhalten und seine Privatsphäre ausleben könnte.
Die Leute hatten zweifellos recht, aber alles Klagen half in diesem Moment niemandem, und Brando sagte das auch.
Er forderte dazu auf, bereit zu sein, mit allen anzupacken und ein neues Gudon aufzubauen, vielleicht ein noch Schöneres, als es das Alte war, wie genau das funktionieren sollte, wusste er allerdings auch nicht.
Im Stadtpark stand kein Baum mehr und es hatten sich tiefe Löcher aufgetan.
Es war aber noch eine Freifläche übriggeblieben, auf der alle Bürger Gudons Platz hatten und den Worten ihres Bürgermeisters zuhören konnten.
Alle Nigren hatten zerlumpte Kleidung an sich und sahen ungewaschen und schmutzig aus.
Aber was sollten sie auch tun, es gab keine Kleidung und der Wasserfluss war unterbrochen.
Sie konnten froh sein, das zu besitzen, was sie am Leib trugen und sie konzentrierten sich lieber auf die Worte des Bürgermeisters, als auf solche Äußerlichkeiten zu achten.
„Liebe Mitbürger, ich heiße Euch trotz der widrigen Umstände willkommen und möchte Euch ermutigen, nicht die Köpfe hängen zu lassen und die Courage zu zeigen, die uns hilft, Gudon wieder aufzubauen, jedermanns Hilfe ist dabei gefragt.
Ihr habt jetzt eine Nacht unter wahrscheinlich erbärmlichen Bedingungen verbracht und ich muss Euch sagen, es wird nicht die letzte Nacht sein, die Ihr unter eingeschränkten Bedingungen verbringen müsst.
Aber lasst Euch das ein Ansporn sein und besinnt Euch der Kräfte, über die wir Nigren verfügen.
Die braucht Ihr während der nächsten Tage, in denen es darum gehen wird, erst einmal die gröbsten Trümmer zu beseitigen und die Straßen wieder passierbar zu machen.
Ihr könnt die Trümmer einfach in die Löcher werfen, die an die Stelle der Straßen und des Platzes getreten sind, aber zunächst einmal zu Eurer unmittelbaren Not.
Der Gemeinderat und ich haben Leute zu der ehemaligen Verteilstelle geschickt, die versuchen sollen, zu retten, was zu retten ist.
Ihr könnt also dorthin gehen und Euch mit dem Nötigsten, vor allem mit Lebensmitteln, versorgen, es soll niemand hungern müssen!
Sollte unter Euch jemand sein, der bei sich kein Essen mehr zubereiten kann, weil alle Kochgelegenheiten zerstört sind, wir haben hinten im Park eine Gemeinschaftsküche eingerichtet, in der jeder essen kann, der will.
Es steht dort auch ein Großzelt mit Feldbetten für solche von Euch, die sonst unter freiem Himmel schlafen müssten und das wollen wir doch bei der Kälte, die nachts bei uns herrscht, niemandem zumuten.
Für Fragen stehen die Mitglieder des Gemeinderates und ich jederzeit zur Verfügung.
Ich denke, dass mit der Trümmerbeseitigung erst einmal eine Menge Arbeit auf uns zukommt, über den eigentlichen Hausneubau werden wir noch reden, wenn alles dafür vorbereitet ist.
Viele von Euch werden sich fragen, wie es ausgerechnet in Gudon zu so einem schlimmen Erdbeben kommen konnte und alles, was ich weiß und mir habe berichten lassen, ist, dass der Gesteinsabbau im Goldbergwerk, der sich schon über Jahre hinzieht, Verwerfungen in dem Deckgebirge unter Tage hervorgerufen hat, die sich dann hier oben als Erdbeben gezeigt haben.
Es stellt sich natürlich die Frage, warum man Warnzeichen, die es immer gegeben hatte, ignoriert und einfach weiter gefördert hat.
Aber es ist müßig, darüber heute zu spekulieren, wem unter Umständen die Schuld dafür gegeben werden kann.
Sicher, die Werksleitung müsste eigentlich für die Schäden geradestehen.
Aber die Leitung des Goldbergwerks liegt in den Händen der Tolaner und die zu belangen dürfte wohl aussichtslos sein.
Also, liebe Mitbürger, ans Werk, beginnt alle damit, die Trümmer in die Löcher zu werfen, die jetzt vor Euren Häusern da liegen, wo vormals die Straße herlief!
Und vergesst nicht, anderen zu helfen, die vielleicht stärker von dem Beben betroffen sind, als Ihr selbst es seid!
Deckt Euch an der alten Verteilstelle mit dem Nötigsten ein, wir alle versuchen, dort einen normalen Betrieb aufrecht zu erhalten, sodass Ihr jeden Tag dorthin und Euch mit dem versorgen könnt, was Ihr braucht und immer dort geholt habt!
Ich möchte zum Schluss meiner Rede kommen und Euch noch einmal zu Solidarität aufrufen, helft Euch gegenseitig, zeigt, dass Ihr echte Nigren seid, die nicht nur an das eigene Wohl denken!
In diesem Sinne, alles Gute und viel Erfolg bei Eurer Arbeit!“
Die Zuhörer waren zufrieden mit den Worten ihres Bürgermeisters, sie wünschten sich immer schon einen Mann an der Spitze der Stadtregierung, der anzupacken wusste, statt große Worte zu verlieren und auch jemanden, der sich gegen die Larmoyanz aussprach, die sich bei dem einen oder anderen breitzumachen drohte, denn die brachte niemanden weiter und half auch keinem.
Shirin, Brando, die Jungen und die drei Erdenbürger gingen nach der Rede zu dem Versorgungszelt, von dem der Bürgermeister gesprochen hatte, setzten sich dort hin und tranken jeder einen Tee.
Sie kamen mit einigen Nigren ins Gespräch und merkten zumindest ihnen, obwohl sie ja fast alles verloren hatten, eine durchweg positive Grundstimmung an.
Das ermutigte auch Brando und seine Familie, sie gehörten nie zu denen, die schnell aufgaben und sich in die Knie zwingen ließen, aber bei einem solchen fundamentalen Schlag waren auch ihre Kräfte beinahe versiegt.
Sie beendeten ihre Teepause vor dem Versorgungszelt und machten sich auf, sich einen Weg nach Hause zurück zu bahnen.
Sie sahen, wie die Ersten dabei waren, ihre Trümmer zu entsorgen und wollten sich auch gleich an die Arbeit machen.
Als sie unterwegs an den Resten der Verteilstelle vorbeikamen, sagte Brando zu Shirin:
„Geh Du mit den Jungen und besorge uns die Dinge, die wir brauchen, wir laufen nach Hause und fangen mit der Trümmerbeseitigung an!“
Als sie zu Hause ankamen, wurde ihnen erst einmal das große Ausmaß de Zerstörungen bewusst, sowohl auf den Nachbargrundstücken als auch auf dem eigenen Grundstück war praktisch nichts mehr vorhanden, das sich vielleicht noch verwerten ließ, von Kleinigkeiten wie Haushaltsartikel oder den Schulsachen der Kinder einmal abgesehen, die sie unter den Trümmern finden würden und sie machten sich gleich ans Werk.
Schnell hatten sie ich zu einer Kette formiert, einer nahm die Trümmer auf und reichte sie nach vorne durch, wo sie in den Erdschlund geworfen wurden.
Derjenige, der die Trümmer aufnahm, sollte darauf achten, ob er etwas fand, was noch von Wert war und es zur Seite legen und das war Brando.
Es pendelte sich schnell ein effektiver Arbeitsrhythmus ein und sie schafften eine Menge weg und als Brando plötzlich unter den Trümmerstücken Schulsachen von seinen Jungen liegen sah, rief er „Stopp!“ und räumte die Stelle frei, um noch weitere Schulsachen zu finden, sie aufzuheben und zu sichern.
Es gab einige zerbrochene Stifte und Lineale, aber im Prinzip war noch alles vorhanden, Hefte und Bücher waren nicht zerstört, sondern höchstens ein wenig verschmutzt, aber das ließ sich durch ein leichtes Abklopfen beheben.
Sie nahmen die Arbeit wieder auf und hatten im Nu den hinteren Teil von Brandos Anwesen freigeräumt und die Trümmer in das Straßenloch geworfen.
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