Als sie den Platz erreicht hatten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens.
Sie hielten zunächst auf die Schule zu, von der kein Stein auf dem anderen geblieben war und vor der die Schüler standen, sie wimmerten leise vor sich hin und hielten sich gegenseitig.
Paul rief Leevi und Lauri und war froh sie lebend vorzufinden, sie kamen auf ihn zu gerannt und riefen voller Aufregung:
„Unsere gesamte Schule ist in sich zusammengestürzt und wir können froh sein, nicht in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein!“
Alle standen vor den Trümmern ihrer Bildungsstätte und waren verunsichert, denn niemand wusste ja, wie es bei ihnen zu Hause aussah, es war jedenfalls das Schlimmste zu befürchten.
Einigen aus der Rettungsgruppe um Paul vertrauten sich die Schüler an und ließen sich von ihnen nach Hause bringen.
Paul, und seine Freunde machten sich zusammen mit Leevi und Lauri zur Verteilstelle auf, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass auch keinem Schüler etwas Nennenswertes geschehen war.
Sie hangelten sich ganz vorsichtig am Platzrand entlang, immer darauf bedacht, nicht in den Abgrund zu rutschen und sie kamen zu dem Cafe, vor dem sie draußen ihren Tee getrunken hatten und sahen, dass es die Stelle, an der sie gesessen hatten, nicht mehr gab.
Ihr Tisch war mitsamt den Stühlen in das Loch gefallen, das ganze Cafe lag in einem Trümmerhaufen neben ihnen.
Dann erreichten sie die Verteilstelle und als Paul sah, dass das gesamte Gebäude in sich zusammengefallen war, musste er zuerst an Teagan denken, die an diesem Tag in der Verteilstelle Dienst tat und er hatte die schlimmsten Befürchtungen.
Tommy und Bernd sahen einen Paul, wie sie ihn noch nie bemerkt hatten, er war völlig aufgelöst und wusste gar nicht, wo er beginnen sollte, die Trümmer beiseite zu räumen, er schrie seine Freunden zu:
„Helft mit, so helft mir doch!“ und die beiden packten mit an und hoben mächtige Trümmerstücke hoch, als wären sie aus Pappe.
Aber es war die große Fülle von Trümmern, die letztlich doch alles unter sich zu zerquetschen imstande war und Tommy und Bernd war klar, als sie den riesigen Trümmerberg vor sich liegen sahen, dass es unter ihm niemand Lebenden mehr geben konnte.
Paul schuftete wie ein Besessener und warf die Trümmer zur Seite.
Er rief dabei immer wieder Teagans Namen und er war bleich im Gesicht geworden, so als ahnte er, was ihm bevorstand.
Als er an ein großes Trümmerteil, das wohl einmal ein Teil des Gebäudedaches gewesen war, geriet, rief er Tommy und Bernd zu Hilfe und auch Leevi und Lauri kamen, um zu helfen, das Teil hochzuheben und obwohl es sehr beträchtliche Ausmaße hatte und auch dick war, hoben sie es mit Leichtigkeit zur Seite und legten einen weiteren Trümmerberg frei.
Paul machte sich gleich daran, den Trümmerberg umzuschichten, um zu sehen, was sich unter ihm verbarg, immer noch beinahe apathisch und nicht ansprechbar, er sah mittlerweile aus wie der wandelnde Tod.
Tommy und Bernd halfen Paul bei dem Trümmerberg und es kam, was kommen musste, Paul sah zuerst nur ein Bein von seiner Angebeteten und anschließend den gesamten Körper.
Teagan war von der Last der Trümmer, unter den sie begraben worden war, zerquetscht worden, sie war tot und lag dort mit gebrochenem Genick.
Paul drohte zu kollabieren, als er auf Teagan blickte und Tommy und Bernd mussten ihn stützen, sie halfen ihm, niederzuknien und als er neben Teagan kniete, ließen sie ihn los.
Paul begann zu schluchzen, er schluchzte ganz erbärmlich und Tommy und Bernd ließen ihn.
Er beugte sich zu Teagan runter und gab ihr einen Kuss, wie er das immer so gern getan hatte, er nahm sie, legte ihren Kopf auf seinen Schoß und streichelte ihr Haar, aber Teagan war tot und würde nicht wieder lebendig nur dadurch, dass Paul sie liebkoste.
Tommy und Bernd knieten neben Paul und Tommy sagte:
„Paul, das tut uns unendlich leid!“ und er legte seinen Arm um seinen Freund.
Aber Paul schien gar nicht zu hören, was Tommy ihm sagte und er schien auch gar nicht zu bemerken, dass seine Freunde neben ihm knieten, er wirkte wie versteinert und war unendlich traurig über den Tod seiner großen Liebe.
„Teagan, Tegan!“, rief er immer wieder schluchzend, aber Teagan blieb tot.
Schließlich stießen Rettungskräfte zu ihnen und fragten:
„Ist bei Euch alles in Ordnung?“ und als Tommy auf die Tote wies, nahmen sie einen Zinksarg und legten Teagan hinein.
In diesem Augenblick brach es aus Paul heraus und Tommy und Bernd mussten ihn halten, als er immer wieder den Namen seiner Geliebten herausschrie und dabei schluchzte, wie er noch nie in seinem ganzen Leben geschluchzt hatte.
Die Rettungskräfte nahmen den Sarg hoch und als sie ihn forttragen wollten, hielt Paul den Sarg fest und wollte die Männer nicht mit ihm losziehen lassen.
Erst als Tommy und Bernd ihn gewaltsam zurückhielten, konnten die Rettungsmänner ihre Arbeit tun.
„Wo bringt ihr meine Liebe hin?“, schrie Paul und einer der Männer sagte, dass sie sie zum Krematorium bringen würden, wo sie alle Leichen der Nigren verbrannten.
„Kann ich dann ihre Urne haben?“, fragte Paul nach und die Männer antworteten:
„Da musst Du Dich mit dem Krematorium in Verbindung setzen und dort nachfragen!“
Tommy und Bernd stützten Paul, als sie den Rettungskräften hinterherzogen und mit ihnen zum Krematorium liefen, das sich in der Nähe des Stadtparks befand.
Dort wurde eine Leiche nach der anderen eingeliefert und gleich verbrannt.
Die drei gingen zum Betreiber des Krematoriums und fragten ihn, ob es wohl möglich wäre, die Urne mit der Asche der Verstorbenen zu bekommen und der Betreiber sagte, dass eigentlich nichts dagegen spräche.
Es wäre nur völlig unüblich, dass jemand eine Urne haben wollte, denn die Nigren legten keinen Wert darauf, sich um ihre Toten zu kümmern, bei ihnen wäre die Existenz des Individuums mit seinem Tod erloschen und sie sähen keinen Sinn darin, auch nur einen Gedanken an die sterblichen Überreste ihrer Toten zu verschwenden.
„Es gibt keinen Totenkult und keine Totenfeier“, sagte er, der Tod beendet einfach eine Existenz, unauslöschlich und für immer!“
In diesem Augenblick kam jemand mit Teagans Urne und er gab sie Paul, der nahm sie wie ein Heiligtum und hielt sie mit Bedacht in seinen Händen.
Leevi und Lauri sahen sich an und verstanden erst nicht, welche Bewandtnis es hatte, dass Paul die Urne an sich nahm, bis Bernd ihnen erklärte, dass auf der Erde der Toten gedacht würde und man sie sogar auf Friedhöfen beerdigte.
Für Paul enthielt die Urne das Wesen von Teagan und er würde immer an sie denken.
Anschließend bahnten sie sich vorsichtig einen Weg durch die Trümmer nach Hause und als sie dort ankamen, standen Shirin und Brando vor den Trümmern ihres Hauses und Brando hatte einen Arm um Shirin gelegt, die beiden waren natürlich mitgenommen und standen schweigend.
Als sie aber ihre Jungen sahen, liefen sie auf die zu und nahmen sie in ihre Arme.
„Die Hauptsache ist doch, dass wir alle leben!“, sagte Brando.
Da sah er Paul mit seiner Urne und fragte ihn, was er denn in der Urne hätte und Bernd antwortete für Paul:
„Es ist die Asche von Teagan, die während des Bebens in der Verteilstelle ums Leben gekommen ist.“
Brando nahm Paul in seine Arme und drückte ihn, Paul hatte seinen Blick gesenkt und unterdrückte weiteres Schluchzen, Brando konnte kaum nachvollziehen, welche Schmerzen ihn plagten, weil die Nigren ja nicht ihrer Toten gedachten.
Shirin sagte, dass Brando und sie gleich von der Arbeit nach Hause gekommen wären, sie fragte:
„Und wo schlafen wir heute Nacht?“
Brando überlegte kurz und sagte dann:
„Wir müssen unsere Zelte aus dem Schuppen bergen und auf einen freiem Stück unseres Gartens aufbauen, da vorn, der kleine Trümmerhaufen, das müsste der Schuppen gewesen sein, lasst uns dort die Zelte suchen!“
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