Und alle liefen zu dem Haufen Trümmer und durchsuchten sie.
Es kamen alle Dinge zum Vorschein, die Brando immer für seine Gartenarbeit benutzt hatte und am Ende auch noch seine Zelte, mit denen Shirin die Jungen und er früher schon mal in Urlaub waren.
Die Zelte waren in Tragebeuteln verstaut und hatten nicht gelitten.
Sie klopften sie kurz ab und nahmen sie aus den Beuteln heraus.
Während die Jungen zusammen mit Brando, Paul, Tommy und Bernd die Zelte aufbauten, begab sich Shirin auf die Suche nach ihrem Kleiderschrank, denn sie brauchten Sachen für die folgende Nacht, in der es sehr kalt werden würde und nach einigem Suchen in der Trümmerwüste fand sie die Überreste von dem, was einmal ihr Kleiderschrank gewesen war.
Sie entnahm dem kaputten Schrank ein paar verstaubte Kleidungsstücke und klopfte sie ab, bis sie schließlich für jeden eine Jacke oder einen Mantel von sich hatte und dazu noch Sweatshirts und Pullover, aber noch schienen die beiden Sonnen und es war warm.
Als die beiden Zelte inmitten der Trümmer standen, baute Brando eine improvisierte Feuerstelle und steckte ein Feuer an, Brennmaterial lag ja genug herum und Shirin würde eben Töpfe auf die Flamme stellen müssen.
Sie hatte noch von ihrem letzten Besuch in der Verteilstelle noch genügend Lebensmittel und es würden alle satt werden.
Paul hatte sich inzwischen überlegt, mit der Urne zu den Trümmern von Teagans Haus zu gehen und sie dort zu beerdigen und als er Tommy und Bernd von seinem Vorhaben erzählte, sagten sie, dass sie ihn begleiten wollten.
Sie sagten Shirin und Brando, dass sie in einer Stunde wieder zurück wären und machten sich auf den Weg durch die Trümmerlandschaft, unterwegs fanden sie nur zerstörte Häuser und verwüstete Grundstücke, es war nirgendwo ein Stein auf dem anderen geblieben.
Als sie an Teagans Adresse ankamen, fanden sie dort nur Trümmer wie überall.
Sie gingen dorthin, wo früher Teagans Hof gewesen war und suchten nach Überresten des Schuppens, um dort eine Schaufel oder einen Spaten zu finden.
Schließlich fanden sie in dem Gerümpel, das dort herumlag, auch einen Spaten und Paul hob ein Loch für die Urne aus, etwa an der Stelle, an der er Teagans Fahrrad überprüft hatte.
Er nahm die Urne und setzte sie ganz vorsichtig in das Loch, er hatte dabei seinen Kopf nach unten geneigt und schaute immer auf die Urne.
Am Ende sagte er leise so etwas wie ein Gebet vor sich hin und hatte seine Hände ineinander gelegt, wie bei einem Gottesdienst, dabei waren weder Paul noch sie gläubige Christen.
Anschließend warf Paul das Loch wieder zu und hangelte sich mit Tommy und Bernd zu Shirin und Brando zurück.
Jetzt, nachdem Paul Teagan einen letzten Dienst erwiesen hatte, war ihm bedeutend wohler, er war gefasst und redete auch wieder, Tommy und Bernd fiel ein Stein vom Herzen.
Als sie zu Hause waren, waren beide Sonnen untergegangen und es wurde ganz schnell bitterkalt.
Sie zogen sich Jacken und jeder ein Sweatshirt über, die Shirin ihnen gegeben hatte und stellten sich an das Feuer, um sich dort zu wärmen.
Paul dachte:
„So schrecklich muss es bei uns nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gewesen sein!“
Die Zeit hatte er zwar nicht mehr selbst erlebt, aber er hatte sich viele Geschichten dazu anhören müssen und konnte sich deshalb ein gutes Bild von den Zuständen machen, die geherrscht hatten.
Shirin hatte etwas gekocht, doch so richtigen Appetit hatte eigentlich niemand von ihnen.
Der Schrecken über die Folgen des Erdbebens und vor allem der Tod von Teagan saß allen in den Knochen.
Die Jungen aßen aber, ihnen machte es nichts aus, im Zelt leben zu müssen, im Gegenteil, sie konnten der ganzen Sache sogar noch etwas Positives abgewinnen, für sie hatte das etwas von Abenteuer.
Brando legte ordentlich Holz auf das Feuer und als alle darum saßen, erzählte er, wie er das Erdbeben unter Tage erlebt hatte:
„Ihr macht Euch kein Bild, was da los war, wir standen alle mit unseren Hämmern vor dem Fels, als sich die Felswand mit einem Mal von uns weg bewegte und wir das gar nicht einordnen konnten, der gesamte Stollen drohte einzustürzen, zwei meiner Arbeitskollegen sind unmittelbar neben mir von herabfallenden Felsbrocken getroffen worden und waren auf der Stelle tot.
Meine direkten Arbeitskollegen und ich schafften es gerade zum Förderkorb und fuhren mit ihm nach oben, zum Glück ist der Förderschacht heil geblieben.
Als wir oben ankamen, trauten wir unseren Augen nicht, außer dem Förderturm stand kein Gebäude mehr und wir mussten den Raum, der einmal unsere Umkleide gewesen war, in den Trümmern suchen und unsere Sachen finden.
Die Straße vom Bergwerk nach Gudon war nicht ganz so in Mitleidenschaft gezogen worden wie unsere Straße und der Bus konnte fahren, wenn auch im Slalom um Löcher herum, die das Beben gerissen hatte.
Als wir nach Gudon kamen, stockte mir fast der Atem, so schlimm sah es um mich herum mit einem Mal aus!“
„Bei Neea und Nuron wurde uns Bescheid gesagt, dass es in Gudon ein schweres Erdbeben gegeben hätte und alle Nigren sofort nach Hause gebracht würden“, erzählte Shirin „und so sind wir früher als sonst mit dem Bus nach Gudon gefahren worden und als ich hier angekommen bin, stand Brando vor den Trümmern unseres Hauses.“
„Wir sind nach dem Frühstück vor das Haus gegangen, als das Beben plötzlich mit voller Härte einsetzte und wir haben gesehen, wie sich die Straße hob und danach wieder abgesackt ist, wie sich der Bürgersteig zu einer Spirale aufgedreht hat und alles in Schutt gefallen ist.
Wir haben als Erstes die Nachbarin aus den Trümmern ihres Hauses befreit und uns danach gemeinsam zum Zentrum durchgeschlagen, um nach der Schule zu sehen.
Anschließend waren wir an der Verteilstelle und haben dort die tote Teagan gefunden“, sagte Tommy.
„Kommt mal mit zu unserem ehemaligen Kleiderschrank, dort müsst Ihr Euch Sachen zusammensuchen, mit denen Ihr Euch in der kommenden Nacht zudecken könnt!“, forderte Shirin und sie lief noch einmal zu dem Fragment ihres ehemaligen Kleiderschranks.
Jeder nahm etwas, von dem er glaubte, dass es ihn in der Nacht wärmen könnte, und sie brachten die Sachen zu den Zelten.
Nachdem sie sich auf die Zelte verteilt hatten, gingen sie gingen früh schlafen.
Im Zelt war es ungemütlich, der Untergrund war hart und es war kalt, niemand machte so recht ein Auge zu und alle ließen sich noch einmal die schrecklichen Ereignisse des Tages durch den Kopf gehen.
Schon sehr früh am Morgen stand Paul auf, es war noch dunkel und er steckte das Feuer wieder an, damit ihm nicht ganz so kalt war, und er setzte sich daran.
Es würde noch eine Weile dauern, bis die wärmende Kraft der beiden Sonnen sich bemerkbar machen würde, und kurze Zeit später kam Brando und setzte sich zu Paul.
„War Dir auch so kalt in dem Zelt?“, fragte er und Paul antwortete:
„Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht und immer an Teagan denken müssen!“
Nachdem dann die beiden Sonnen aufgegangen waren, herrschte unmittelbar danach eine sehr angenehme Wärme, und sie zogen ihre wärmenden Sachen wieder aus und machten ein paar Schritte in der Morgenluft, um ihre Glieder wieder an Bewegung zu gewöhnen.
Shirin war inzwischen wie alle anderen auch aufgestanden und setzte einen Topf mit Wasser auf die Feuerstelle, um heißes Wasser für Tee zu bekommen.
Sie hatte ein Stück Brot aus den Trümmern retten können, das sich alle teilen und zu dem Tee essen mussten.
In der Wärme, die inzwischen um sich gegriffen hatte, ließ sich der gesamte Schrecken doch besser ertragen und Brando sagte:
„Unser Bürgermeister sollte einmal zu uns sprechen und uns sagen, wie es mit uns weitergehen soll!“
Kaum hatte er das gesagt, konnten alle von Weitem eine Megaphon-Stimme hören:
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