„Sicherlich lässt sich eine Besichtigung eines unserer Schiffe arrangieren“, antwortete er freundlich. „Auch wenn sie nicht besonders ausführlich ausfallen kann, da Höchst-Wort Gordon-Gor ja auf die Eile hinwies, gemeinsam in den Einsatz zu gehen. Als überaus erfahrener Befehlshaber hat er uns unter seinen Oberbefehl gestellt. Eine sehr freundliche und entgegenkommende Geste, die wir natürlich ebenso freundlich und entgegenkommend abweisen müssen.“ John Redfeather lächelte einnehmend, obwohl der Norsun diese Mimik wahrscheinlich nicht zu deuten wusste. „Als erfahrenem Raumoffizier ist er sich selbstverständlich darüber bewusst, dass ein guter Kommandeur niemals Schiffe befehligt, deren Leistungsvermögen er nicht genauestens kennt. Daher werde selbstverständlich ich die Einheiten der Navy befehligen und dabei die Ratschläge des erfahrenen Höchst-Worts gerne berücksichtigen.“
Gordon-Gor schien verunsichert, was er von den freundlichen Worten halten sollte.
Sker-Lotar schaltete sich in diesem Moment ein: „Ein vorzüglich weiser Entschluss des menschlichen Höchst-Wortes, Höchst-Wort Gordon-Gor. Die Verantwortung für die große Flotte der Stachel der großen Mutter wiegt beschwerlich schwer. Es ist nur gerecht, wenn das menschliche Höchst-Wort seinen Teil der Last selber trägt.“
Nasenrüssel und Kopffühler von Gordon-Gor bewegten sich unruhig, doch dann knickten die Fühler in zustimmender Geste nach vorne. „Es ist angemessen und überlegt, dass die Menschenwesen ihren Teil der lastenden Last tragen. Das menschliche Höchst-Wort mag seine Stachel nach meinen befehlenden Worten führen.“
Redfeather nahm sich vor, den Norsun bei passender Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass ihr lockerer Bund nicht auf dem Prinzip von einseitigem Befehl und Gehorsam basieren würde. Im Augenblick ging es darum, dass die Norsun ihre Kenntnisse über Tensa mit den Menschen teilten und es zu einem gemeinsamen Vorgehen kam.
Lieutenant Faso trat ein und hielt sich dezent im Hintergrund. Ein kurzes Nicken informierte den Hoch-Admiral, dass der Adjutant alle seine Aufgaben erledigt hatte.
„Wie viele Schwärme an Großstacheln kann das menschliche Höchst-Wort in das gemeinsame Stechen führen?“, fragte Gordon-Gor.
Redfeather war einen Moment ratlos, bis sich erneut Sker-Lotar zu Wort meldete: „Ein Schwarm umfasst fünfhundert Stachel.“
Wenn John Redfeather alle Kreuzer und Trägerschlachtschiffe der Sky-Navy zusammenfasste, dann verfügte er über kaum zweihundertfünfzig Einheiten. Eine verschwindend geringe Zahl, denn man wusste, dass die Norsun über Tausende von Hantelschiffen verfügten. Diese enorme Stärke war auch der Hauptgrund dafür, dass sich das menschliche Direktorat keinen Konflikt mit den Insektoiden leisten wollte oder konnte. So stark die Gegensätze auch sein mochten, die Menschen waren auf Kooperation und Koexistenz angewiesen und John Redfeather fürchtete, wie mancher andere ebenfalls, eine mögliche Auseinandersetzung mit den Insektoiden, die eines Tagen kommen mochte. Eine hatte es bereits gegeben, als die Norsun die Siedlungswelt Regan III. angegriffen hatten, weil sie die Menschen für Verbündete der Negaruyen gehalten hatten. Die Sky-Navy und die Sky-Cavalry hatten die Invasoren vertrieben und ihnen deutliche Verluste beigebracht, aber die Schlacht um Regan III. hatte auch gezeigt, dass die Menschheit nicht in der Lage war, einen Krieg gegen die Norsun auf Dauer zu überstehen. Zumindest nicht unter den derzeitigen Umständen. Daran würden auch die erheblichen Anstrengungen zum Ausbau der Navy auf absehbare Zeit nichts ändern.
Redfeather hatte keineswegs die Absicht, die gesamte Flotte der Menschen zu riskieren oder dem Norsun die Schwäche der Sky-Navy zu offenbaren. Dabei musste er darauf hoffen, dass Sker-Lotar sie nicht nannte. Er hatte seit Längerem Zugang zu den Dateien der öffentlichen Bibliothek und im Direktorat war die Stärke der Streitkräfte kein Geheimnis.
„Unsere Flotte ist sehr weit verstreut und sehr viele Schiffe haben einen langsamen Antrieb, so dass sie erst in zwei oder drei Wochen eintreffen könnten.“ Das war nur die halbe Wahrheit, denn die Antriebe der Menschen waren keineswegs schlechter als die der Norsun oder Negaruyen.
Sker-Lotar übersetzte den genannten Zeitraum. Gordon-Gor gab einen Laut von sich, den der Wissende später als Ausdruck höchsten Vergnügens erklärte. „Langsame Langsamkeit. Nicht akzeptierbar. Stachel hier müssen sein in vergänglichem Zeitraum von zwei Tagen menschlicher Zeitverrechnung.“
„Aufgrund eines gewissen technischen Unvermögens unserer Schiffe kann ich in diesem Zeitrahmen nur fünfzig Kreuzer verfügbar machen“, log Redfeather ungerührt. „Allerdings kommen vier unserer großen Großstachel hinzu.“
Letztere Ankündigung schien das Höchst-Wort ein wenig zu versöhnen. „Große Großstachel der Menschenwesen sind möglicherweise akzeptabel.“
John Redfeather lächelte erneut. „Dann sei das Höchst-Wort Gordon-Gor mit seinem Begleiter bis zum Eintreffen unserer Schiffe unser Gast. Lieutenant Faso, seien Sie so freundlich und weisen Sie unseren Gästen passende Quartiere zu. Und eine Ehreneskorte“, fügte er missmutig hinzu, „denn unsere Verbündeten werden sicher die Basis besichtigen wollen und einiges Aufsehen erregen.“
Sky-Base Arcturus, Sky-Navy High-Command, untere Einkaufs-Passage
Im Gegensatz zu Sker-Lotar hatte Gordon-Gor keine Absicht, sich auf der Sky-Base verborgen zu halten. Er war sichtlich neugierig auf die Lebensweise der Menschenwesen, wie er es formulierte, wobei seine Neugierde auf deren Technik wohl der eigentliche Grund war, warum er großen Wert darauf legte, alle Bereiche der Basis gezeigt zu bekommen.
Lieutenant Faso hatte alle Hände voll zu tun, die verschiedenen Abteilungen rechtzeitig auf das Erscheinen des ungewöhnlichen Gastes vorzubereiten. Vor allem dahingehend, die wahre Leistungsfähigkeit technischer Geräte zu verschleiern. In Anbetracht des Verhaltens des Höchst-Worts schien dies eine absolut vernünftige Vorsichtsmaßnahme zu sein, zumal auf beiden Seiten Misstrauen herrschte. Gordon-Gor war ein entschieden anderer Charakter als der Wissende Sker-Lotar. Dieser verzichtete auf eine Begleitung der anderen Norsun, denn er wollte seine Anwesenheit weiterhin geheim halten.
Hoch-Admiral John Redfeather gab ausgerechnet seiner Tochter Joana den Befehl, als Betreuer von Gordon-Gor und Surus-Galmon zu fungieren. Sie wurden von Captain Jerome Kelly und Sergeant-Major Mario Basari sowie der Hoch-Koordinatorin Candice Bergner begleitet, die sich überraschend gut darauf verstand, die technischen Fähigkeiten der Menschen in betrüblichem Licht erscheinen zu lassen. Wahrscheinlich begann sich das Höchst-Wort ernsthaft zu fragen, wie den Menschen überhaupt der Vorstoß in den Weltraum gelungen war.
Sehr überzeugend erzählte Bergner von den großen Problemen bei der Entwicklung des interstellaren Antriebs und wie schrecklich lange es bedauerlicherweise noch immer dauere, die derzeitigen Nullzeit-Antriebe für einen erneuten Sturz aufzuladen. Da seien die Schwingungsantriebe der Norsun doch wesentlich fortgeschrittener. Bergner nannte eine Aufladezeit, die um zwei Stunden länger war, als sie tatsächlich betrug.
Die Erwähnung der weit fortgeschrittenen und somit überlegenen Technik der Norsun schien diesen zu gefallen. So sehr, dass Gordon-Gor gelegentlich ein paar spöttische Andeutungen hören ließ, die wohl seinem Selbstwertgefühl und dem seines Volkes schmeichelten.
Joana merkte sich allerdings vor, ihren Vater darauf hinzuweisen, dass man bei künftigen Begegnungen mit den Norsun streng darauf achten musste, den Insektoiden diese zwei Stunden der längeren Aufladezeit vorzugaukeln. Solange diese glaubhaft schien, konnte sich die Lüge als großer taktischer Vorteil erweisen, sollte das Bündnis nicht anhalten.
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