Captain Franks entrollte die Militärkarte und musterte sie aufmerksam. „Ich schätze, es sind gute fünfzig Meilen bis zur Gabelung des Platte River, Sir. Wir sollten unseren Weg in Richtung Nordosten suchen.“
„Richtig, Roy. Und wir sollten vorläufig sehr leise auftreten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Später, wenn die Yankees wissen, dass wir sie besuchen, wird es hingegen auf Schnelligkeit und etwas Lärm ankommen.“
Die beiden Offiziere grinsten sich an. Dann gab Farling der Eskorte das Zeichen, ihm tiefer in das Indianergebiet zu folgen.
Wide Eyes führte die Gruppe von elf Osagen an. Es war einer der fähigsten Späher und erfahrensten Krieger seines Stammes, und seine Gruppe befand sich schon ein Stück tief im Gebiet der Pawnees. Man war verfeindet und es war gefährlich, sich im Territorium des jeweils anderen aufzuhalten, doch Wide Eyes hatte seine Begleiter überzeugen können, das es wichtig war, die Absichten der Pawnees zu erkunden.
Die elf Osagen gehörten dem Erdvolk an, dem Clan der Hun-ka und damit einem halb sesshaften indianischen Volk. Sie ernährten sich von der Jagd und von Ackerbau. Im Frühjahr und Herbst jagten sie Büffel und Bär, im Winter Antilopen, Rehe und Kleinwild. Den Sommer verbrachten sie überwiegend mit ihren zahlreichen religiösen und traditionellen Ritualen, in den festen Dörfern, die sie dann bezogen und in denen sie in, aus Matten und Häuten errichteten, Langhäusern lebten. Ihre kurzfristigen Jagdlager bestanden hingegen aus Wickiups, den Gras- und Strauchhütten. Die weit verbreiteten Tipis aus Büffelhäuten benutzten sie lediglich, wenn sie in den Plains auf die Jagd nach dem Büffel gingen.
Jetzt war Spätsommer und Wide Eyes war mit seiner Gruppe von einem festen Dorf aufgebrochen, welches viele Meilen entfernt im Norden, in der Nähe des Wood River lag.
Es war die Neugierde, die Wide Eyes so tief in den Süden trieb. Der große Medizinmann der Sioux, Thundering Words, war zu Gast bei den Osagen und hatte vom großen Krieg der Weißen berichtet. Das es Gerüchte gäbe, dass sich viele indianische Kämpfer den blauen oder grauen Soldaten angeschlossen hätten. Wide Eyes bezweifelte das. Man konnte keinem Weißen vertrauen, gleichgültig, welche Uniform er auch trug. Der Späher hatte allerdings auch genug Vorstellungskraft, sich die Gefahr vorzustellen, die von einem Bündnis weißer Soldaten und indianischer Krieger ausging. Vor allem, wenn es sich um feindliche Indianer handelte. Es gab Beispiele bei denen Rot und Weiß ein vorübergehendes Zweckbündnis geschlossen hatten, um einen Indianerstamm anzugreifen. Black Bear, der weise Häuptling des Clans, hatte sicherlich recht, dass man ein Auge auf die Sache haben musste und so drang der Spähtrupp ungewöhnlich weit in das Gebiet des anderen Stammes vor.
Einzelnen Spähern und Trupps der Pawnees hatten sie bislang erfolgreich ausweichen können. Jetzt hatte Wide Eyes eine große Staubwolke entdeckt, die sich zwischen zwei fernen Hügeln bewegte und langsam näher kam. Die Gruppe hinter sich, verharrte der Späher am Waldrand eines hohen Hügels. Buschwerk und Bäume boten ihm und seinem kräftigen Mustang ausreichend Sichtschutz.
Bearclaw kam nun an seine Seite. Wide Eyes erkannte neidlos an, dass dieser ein noch besserer Krieger und Jäger war. Nur mit seinem Messer bewaffnet hatte dieser einen Bären erlegt, ohne selbst einen einzigen Kratzer zu erleiden. Die Krallen des Bären schmückten nun die Kette, die Bearclaw um seinen Hals trug.
„Das ist viel Staub“, meinte der Krieger. „So viel wird nur von einem Stamm auf dem Zug aufgewirbelt.“
„Um diese Zeit verlegt kein Stamm sein Lager ohne Not.“ Wide Eyes kaute nachdenklich auf dem Blatt, welches er sich in den Mund geschoben hatte. „Zudem ist es so viel Staub, dass er nicht alleine von den Bewohnern eines einzelnen Lagers stammen kann. Selbst wenn man alle Frauen, Kinder und Männer einrechnet, nebst Vieh oder Pferden, die sie vielleicht treiben. Nein, Bearclaw, entweder ist dort ein ganzes Volk auf dem Marsch oder es handelt sich um eine gewaltige Kriegshorde.“
„Pawnees werden es kaum sein. Jene, die wir zu Gesicht bekamen, verhielten sich ganz normal. Sie wären aufmerksamer gewesen, wenn ihr Volk bedroht wäre.“
„Ja“, stimmte Wide Eyes zu. „Daher befürchte ich, dass dort Weiße marschieren.“
„Sie führen Krieg untereinander“, wandte sein Freund ein. „Sie mögen zahlreich wie die Blätter der Bäume sein, doch selbst die Weißen werden nicht so dumm sein, gleichzeitig Krieg gegen uns zu führen.“ In diesem Fall bezog Bearclaw Ausnahmsweise alle indianischen Völker ein.
„Denk an das, was Thundering Words erzählte“, erinnerte Wide Eyes. „Manche Weiße wollen jetzt Unfrieden unter den indianischen Stämmen säen.“
„Das ist wahr. Der große Medizinmann sprach davon. Wir werden uns vergewissern müssen, wer dort den Staub aufwirbelt.“
„Wir müssen nicht nur sehen, wer dies tut, wir müssen auch in Erfahrung bringen, warum er das tut.“
„Sie werden Späher haben. Lass uns einen von ihnen fangen und ihn befragen.“
„Das ist auch meine Absicht. Lass uns keine Zeit verschwenden. Der Staub kommt in unsere Richtung. So haben wir Zeit und Gelegenheit, eine hübsche Falle aufzubauen.“
Die Osagen waren erfahren und rechneten sich aus, wie sich feindliche Späher verhalten und wo sie sich bewegen würden, um die vielen Marschierenden zu schützen. Der bewaldete Hügel, auf dem sie sich aufhielten, würde zwangsläufig das Interesse der Späher finden, sofern sich die Richtung der Staubwolke nicht änderte. So legten die Krieger ihren Hinterhalt entlang des Waldrandes, einige Meter tiefer in seiner Deckung. Zwei von ihnen führten die Pferde ein gutes Stück tiefer in den Wald. Es waren gute Kriegspferde, die sich nicht durch Schnauben oder Stampfen mit den Hufen verraten würden.
Sie brauchten Geduld und es dauerte viele Stunden, bis unter dem aufgewirbelten Staub undeutliche Schemen sichtbar wurden. Viel wichtiger waren jedoch die Reiter, die der Kolonne vorausritten und jene, die ihre Flanken schützten.
„Es sind Weiße“, sagte Wide Eyes zufrieden, da er seine Vermutung bestätigt sah. „Ich kann Fahnen erkennen, doch ich weiß sie nicht zu deuten.“
„Ich glaube, sie haben nicht die Streifen der blauen Soldaten“, meinte Bearclaw.
„Dann sind es vielleicht jene, die graue Uniformen tragen.“
„Blau oder Grau, es macht keinen Unterschied. Feinde sind sie alle.“
„Drei von ihnen kommen zu unserm Hügel. Sie wissen, dass er ein guter Aussichtspunkt ist.“ Wide Eyes wandte sich halb um und gab den anderen ein Zeichen. Dann zog er sich mit seinem Freund vom Waldrand zurück.
Sie lauerten dicht beieinander und lagen in einer so günstigen Position, dass sie die Annäherung der drei Reiter verfolgen konnten. Eine Weile glaubte Wide Eyes, es handele sich um weiße Soldaten, doch je näher die Männer kamen, desto größer wurden seine Zweifel. Obwohl die Unbekannten wie Weiße gekleidet waren, war ihre Haltung im Sattel eher ungewöhnlich für Pferdesoldaten. Schließlich zeigte der Teint ihrer Gesichter nicht die Bräune von Weißen, sondern den kupferbraunen Ton der indianischen Völker.
Wide Eyes Neugierde stieg ins Unermessliche. Dort kamen Indianer, die wie weiße Soldaten gekleidet waren und sogar deren Langmesser führten. Das war Außergewöhnlich. Es würde gut sein, wenigstens einen von ihnen befragen zu können.
Die drei Reiter trabten in lockerer Gruppe heran. Sie saßen auf großen braunen Pferden, wie sie auch die weißen Soldaten ritten. Diese Tiere besaßen nicht mehr die Instinkte indianischer Ponys oder Mustangs. Dennoch war der Osage froh, dass der Wind in Richtung des Waldes trieb und ihn und seine Begleiter nicht verraten konnte.
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