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Die Nacht war unruhig und Layni stand auf, als die ersten Strahlen der Sonne durch die Vorhänge drangen. In Alltagskleidung machte sie sich auf den Weg zum Bäcker der Stadt. Olrik bot zwar Frühstück an, doch nicht um diese frühe Uhrzeit. Bei ihm war es mehr ein Frühstück-Mittagessen.
Sie holte sich ein Honigbrot und ließ ihren Wasserschlauch mit Milch füllen. Mit der kleinen Mahlzeit setzte Layni sich auf den Rand vom Brunnen, der die Stadtmitte angab. Einige Händlerkarren standen hier, doch die Stände waren noch nicht aufgebaut. In Rabenwacht legte kaum jemand Wert auf die Morgenstunden. Am frühen Mittag begann das Treiben. Alles vorher war den Nachtschwärmern vorbehalten, die jetzt aus den spät schließenden Schänken nach Hause torkelten.
Layni schob sich gerade das letzte Stück Honigbrot in den Mund und wandte sich zum Brunnen, um die klebrigen Reste von den Fingern zu waschen, als ihr Blick auf jemanden fiel, der sie beobachtete.
„Ehrlich?“, murmelte sie leise und muffelig, doch der Fremde hatte sie gehört und lächelte.
Er setzte sich in Bewegung und kam zu ihr. „Guten Morgen, Lady Layni.“ Diesmal gab es keinen Unterton.
Besser für dich , dachte Layni, schluckte den Rest ihres Brotes runter und fragte laut: „Was in drei Teufels Namen willst du? Mir meinen freien Tag versauen?“
Er stoppte neben ihr und schaute auf sie herab. „Tue ich das denn? Falls ja, bitte ich um Entschuldigung.“
„Na noch geht’s.“
„Freut mich“, lächelte er ehrlich und ließ sich ungefragt neben ihr nieder. „Ein schöner Morgen, nicht wahr?“
„Mhh.“
Er schaute sie mit verengten Augen an. „Nicht?“
„Ich würde ihn lieber allein genießen, wenn’s recht ist.“
„Oh. Gut. Ich habe nur noch eine Frage, bevor ich gehe.“
„Ah ja.“
„Ja. Du bist Söldnerin?“
„Gut erkannt.“
„Ich habe einen Auftrag für dich.“
„Du wolltest eine Frage stellen. Von einer Bitte war keine Rede.“
Er kniff die Lippen zusammen, meinte aber: „Ich dachte, ihr Söldner seid scharf aufs Geld. Solltest du nicht netter sein, wenn dir jemand einen Auftrag anbietet?“
„Könnte ich. Muss ich aber nicht.“
„Du bist doch Söldnerin?“
„Noch mal, gut erkannt.“
„Mit dieser Einstellung bekommst du sicher sehr viele Gelegenheiten.“ Der Sarkasmus war hörbar.
„Ich bekomme genug, danke der Nachfrage.“
„Mhh. Wie auch immer. Dann möchte ich eben noch eine Bitte äußern. Beziehungsweise einen Auftrag aufgeben.“
„Der wäre?“
„Begleitschutz für eine längere Reise.“
„Wohin?“
„Nach Westen, ans Meer.“
„Quer durchs Land? Das wird teuer.“
„Am Geld soll es nicht scheitern“, gab er ihr lächelnd zurück.
„Alles klar. Und wann?“
„In drei Tagen ist Abreise.“
„Nur hin oder auch zurück?“
„Nur hin.“
„Nur ich oder noch andere Wachen?“
„Nur du.“
„Für wen oder was und wie viel davon?“ Es wurde immer besser. Wenn Layni allein war, bekam sie den ganzen Sold, ohne teilen zu müssen. Auf der Rückreise könnte sie sich Zeit nehmen und was es auch immer war, das Schutz brauchte, wenn nur eine Wache mitreisen sollte, konnte es nicht wirklich wichtig sein. Das wird leicht verdientes Geld .
In Rabenwacht gab es zahlreiche Söldner und sicher wusste der Fremde das. Das hieß also, er musste , trotz des vergangenen Abends, Layni verpflichten. Sicher hatte ihn jemand beauftragt. Warum sonst sollte er sie erneut ansprechen?
Dass er explizit sie nehmen sollte, bedeutete ebenso, sie konnte auch den Preis etwas höher als sonst ansetzen. Gut, Layni hatte auch einen guten Ruf. Aber sie hätte sich selbst nicht gefragt, nachdem was sie ihm gestern an den Kopf geworfen hatte.
Er riss sie aus ihren Überlegungen. „Es geht um eine Person, sonst nichts.“ Ihre Blicke trafen sich. Wie er das sagte, verhieß nichts Gutes.
„Wen?“ Bitte lass ihn im Auftrag von jemandem fragen , flehte sie innerlich.
„Mich.“
Sie lachte auf. „Nein. Tut mir leid. Ich bin raus.“
„Aber ...“
„Nein“, unterbrach sie ihn. „Du bist mir suspekt. Du kommst her, weißt, wer ich bin, und scherst dich trotzdem nicht um Respekt. Du stellst mir nach, während ich nackt bin, und verfolgst mich anscheinend auch sonst. Ganz ehrlich. Ich bin nicht blöd. Von wegen Geleitschutz. Die Bordelle sind da hinten.“ Sie wies mit dem Kinn auf die Freudenhäuser in einer abzweigenden Gasse. „Dort findest du deinen Geleitschutz .“
Er schwieg und sah sie eine ganze Weile nachdenklich an. „Ich habe von dir gehört und dass du gut bist. Du wurdest mir empfohlen, also fiel meine erste Wahl auf dich. Ich brauche Geleitschutz bis zum Westmeer. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich den Eindruck gemacht habe, dir nachzustellen. Das lag nicht in meinem Sinn. Ich wollte nur einen guten Zeitpunkt abpassen, dich zu fragen, ob du den Auftrag übernimmst.“
„Wie gestern? Beim Duschen?“
„Das war ein Versehen. Ich hatte nicht erwartet, dich in dieser Situation anzutreffen.“
„Und du bist trotzdem geblieben. Du hättest gehen und später wiederkommen können.“
„Ich hatte die Seife“, gab er ihr neckisch zurück. „Außerdem hat mir gefallen, was ich gesehen hab. Ich konnte sozusagen begutachten, was ich vorhabe, in meine Dienste zu nehmen.“
„Ich bin keine Metze!“, ging sie ihn an.
Er hob beschwichtigend die Hände. „Das weiß ich.“
„Was tut es dann zur Sache, wie ich unter meinen Kleidern aussehe?!“
„Meine Quelle hätte übertreiben können. Vielleicht wärst du ein mageres, schwaches Ding gewesen, das nur Sprüche klopft. Immerhin sind Frauen in deinem Gewerbe eher selten bis einzigartig. Und deine Statur haben die Wenigsten von den Wenigen.“
„Es gibt reichlich Söldnerinnen“, merkte Layni an. Allerdings sahen die meisten auch so aus. Bullig, grobschlächtig und teilweise sehr maskulin. Layni selbst wirkte ausgesprochen weiblich in ihrer Rolle und hatte sich ihren Ruf dadurch hart erkämpfen müssen.
„Wie auch immer. Meine Wahl fiel eben auf dich. Die Umstände unseres Kennenlernens waren ungünstig. Aber was die Sache mit dem Respekt angeht ... deine Beleidigungen waren ebenfalls nicht sehr nett.“
„Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich meine Gewohnheiten habe. Und jeder respektiert sie. Du hast das nicht getan.“
„Ich kenn dich auch nicht.“
„Du hast es nicht mal getan, als ich dich darauf aufmerksam gemacht habe.“
Er kicherte. „Aufmerksam gemacht? Warte, wie waren deine Worte? Wie sieht’s aus? Gehst du freiwillig? Und heb deinen Schmalhanskörper von meinem Stuhl.“
„Gut gemerkt.“
„Wie auch immer“, wiederholte er. „Nimmst du den Auftrag an? Ich bezahle sehr gut und meine Gesellschaft wird sicher angenehmer sein, als sie es bisher war.“
„Nein. Ich nehme nicht an.“ Layni stand auf und schaute auf ihn hinab. „Tut mir leid. Aber ich bin ausgebucht.“ Sie drehte ab und lief los.
Es war nicht mal gelogen. Sie hatte tatsächlich einen Auftrag, allerdings nur einen kleinen, der gerade mal zwei Tage in Anspruch nahm. Seinen könnte sie also locker dranhängen. Trotzdem war der Typ seltsam. Sie hatte ein komisches Gefühl, was ihn anging und ihr Gefühl betrog sie nie. Schritte erklangen hinter ihr und er erschien an ihrer Seite. Sie beachtete ihn nicht weiter, während sie zum Falken zurücklief.
„Darf ich fragen, warum?“
„Ich habe schon einen Auftrag.“
„Hab ich verstanden. Aber ich zahle gut. Sicher besser als der andere.“
„Vielleicht. Ich will trotzdem nicht.“
„Deine Einstellung zu Geschäften ist nicht sehr erfolgversprechend.“
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