Meine Rosen sind noch sehr schön. Ich danke Dir noch herzlichst für die schöne Zeit, die ich mit Dir in Hamburg verbracht habe. Grüße bitte Deine Tante recht schön von mir, und ich danke ihr auch von Herzen für alles. Recht herzliche Grüße und Küsse auch an Dich, mein lieber Ernst-Günther, Deine Karin
Hamburg, den 13. 9. 56 (nach Gelnhausen)
Geliebtes Mädel, hab herzlichen Dank für Deine liebe Karte. Ja, es waren zwei herrliche Tage; doch gebührt mir kein Dank dafür, denn ich habe ja ebenso viel oder sogar noch mehr Freude aufgenommen. Ich glaube, wenn wir Dank auszusprechen haben – und das ist ja in überreichlichem Maße der Fall – dann vor allem im Gebet. Dank für die schönen Stunden, die wir immer wieder erleben, Dank, dass wir uns gefunden haben und Bitte: für unsere Zukunft, dass unser weiteres Miteinander gesegnet wird; und für den anderen, dass er vor Gefahr an Leib und Seele beschirmt werde. Doch zusätzlich will ich Dir von Herzen danken, dass Du durch Dein Kommen und Deine Liebe diese beiden schönen Tage möglich gemacht hast.
Ich bin an den letzten Abenden immer wieder an der Alster entlang nach Hause gegangen. Jede Ecke, wo wir gestanden haben, jede Bank auf der wir gesessen und uns geküsst haben, war noch ein Stück bewegende Erinnerung. Damit Du auch ein bisschen von dieser Erinnerung hast, schicke ich Dir ein paar nette Bilder von der ganzen Gegend mit. ... Auch Deine Passbilder liegen bei. Du wirkst etwas älter darauf, mehr erwachsener Mensch, als man es Dir sonst ansieht. Aber das Bild ist wahr. Denn ich habe an jenen beiden Tagen gemerkt, dass Du wirklich ein erwachsener Mensch bist. Verzeih mir, was ich jetzt sage, aber bisher hatte ich das Gefühl, Du müsstest das in manchen Stücken erst noch werden. Hier in Hamburg gingst Du zum ersten Mal aus dieser vielleicht unbewussten Reserve heraus und zeigtest Dich völlig, wie Du bist. Das war vielleicht das schönste Erlebnis und die größte Freude für mich. Ich meinte das so etwa mit dem „Abenteuer, in das wir uns kopfüber gestürzt haben“. Ich meinte, wir haben uns ineinander verliebt, ohne uns näher zu kennen. Jetzt sehe ich mit großer Freude, dass dieses Vertrauen berechtigt war. Doch genug der Theorie. Ich habe Dich von Herzen gern, glaube von Dir das gleiche und wir sind froh miteinander – was wollen wir mehr! ...
Ich habe jetzt schon die Hälfte meiner Zeit hier herum und frage mich immer, wo die Tage geblieben sind. Lang sind sie mir bisher nur am Freitag und Samstag voriger Woche geworden, als ich auf Dein Kommen wartete, bzw. auf das Ende meiner Arbeitszeit.
Meine liebe Karin, ich wünsche Dir noch viel Freude bei Deinem Kursus und sei herzlich gegrüßt und geküsst von
Deinem Ernst-Günther
Hamburg, den 15. 9. 56 (Ansichtskarte nach Gelnhausen)
Meine liebe Karin, zum Wochenende möchte ich Dir einen herzlichen Gruß senden. Erinnerst Du Dich noch an das Bild, das sich uns bot, als wir vor einer Woche auf der Lombardsbrücke standen? Gewiss, es war in Natur viel schöner, aber einen kleinen Anhalt gibt die Karte auch. Ich wünsche Dir weiterhin recht viel Freude bei dem Kursus. In drei Wochen bin ich schon wieder im Harz – darauf kann ich kaum noch warten. Bis dahin herzlich, Dein Ernst-Günther
Bad Orb, den 16. 9. 56 (Ansichtskarte nach Hamburg)
Mein lieber Ernst-Günther! Von einem Ausflug hier in der Nähe von Gelnhausen sende ich Dir die herzlichsten Grüße. Es sind hier sehr viele Fachwerkhäuser und enge Gässchen zwischen alten hohen Stadtmauern. Gestern bekam ich Deinen lieben Brief. Recht herzlichen Dank dafür. Morgen werde ich Dir ausführlich schreiben. Herzlichen Dank für die Bilder und viele Grüße, Deine Karin
Gelnhausen, den 17. 9. 56 (nach Hamburg)
Mein lieber Ernst-Günther! Hab recht herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, den ich mit großer Freude erhielt. ... Die Bilder von Hamburg sind ja wunderschön, ich habe sie unseren Mädels auch gezeigt. Die Passbilder von mir erkennen sie nicht an, ich trage nämlich die Haare hier geschlossen. Es gibt hier kaum Mädels ohne Knoten. Ich glaube, es würde Dir keine gefallen. ...
Am Sonntag waren wir in der Marienkirche hier im Ort, ein riesiger alter Bau, ganz im romanischen Stil. ... An den Wänden sind alte, handgewebte Wandteppiche mit biblischen Geschichten. Bei der Besichtigung der Kirche bin ich mit unserer jungen Heimleiterin auf den Glockenturm gestiegen. Die anderen waren zu feige. Wir konnten die Stadt nach allen Seiten wunderbar übersehen. ...
Ich könnte Dir noch viel berichten, aber wegen Mangel an Zeit werde ich das lieber mündlich erledigen. Wenn wir noch Zeit haben, wühlen wir in unserer Buchhandlung herum, da gibt es allerhand schöne, interessante Sachen. Ich werde mir ein paar Bücher und Hefte für die Jungschar anschaffen.
Nun sei recht herzlich gegrüßt und geküsst, lieber Ernst-Günther, von Deiner Karin
Gelnhausen, den 18. 9. 56 (Ansichtskarte nach Hamburg)
Mein lieber Ernst-Günther! Ich habe mich toll gefreut, als ich heute so unerwartet Post von Dir bekam. Recht herzlichen Dank. Nun sollst Du von mir noch schnell einen Kartengruß bekommen. Auf dem Bild ist ein Stück von der alten Mauer um die Barbarossaburg, die wir heute besichtigt haben. Dort wurden vor kurzem „Die Räuber“ aufgeführt. Das muss toll gewesen sein. – Nun sei herzlich gegrüßt in Liebe, Deine Karin
Hamburg, den 19. 9. 56
Meine liebe Karin, hab herzlichen Dank für Deinen Brief. Es ist fein, dass Du auf dem Kursus so viel lernst, hörst und siehst. Eins vermisse ich jedoch, nämlich das intensive Miteinander mit den anderen Mädchen und Leiterinnen. Mag sein, dass Du es nur nicht erwähnt hast, aber wenn die Gelegenheit dazu nicht durch viel Freizeit gegeben wird, ist der Kursus schlecht. ...
Doch das nebenbei. Wenn Du Dir die Karte vom 15. 9. aufmerksam angeschaut hast, wirst Du gesehen haben, dass sie in Berlin abgestempelt ist. Ich sehe jetzt Dein erstauntes Gesicht: Berlin? Pass auf: Es gibt in Schlachtensee eine Pfarrerstochter (ca. 17 Jahre), die zutiefst bedauert, ein Mädchen zu sein und nur in Juja und Hosen umher läuft. Ich hatte sie schon darauf angesprochen und versucht, ihr die guten Seiten des Mädchenseins nahe zu bringen. Seitdem schätzt sie mich als älteren Berater.
Neulich sprach Nuddle sie in der gleichen Richtung an. Plötzlich fiel sie ihm weinend um den Hals. Anscheinend ist das Mädchen in ihr mit elementarer Gewalt zum Ausbruch gekommen. Natürlich ließ ihn das nicht unbeeindruckt. Er hat eine feste Freundin, aber ganz anders, sehr spröde und rein logisch. Das sagte er jetzt zu diesem kleinen, weinenden Mädchen und brachte sie behutsam nach Hause. Am nächsten Tag bekam er einen Brief, in dem sie ihn um Entschuldigung bat. Sie habe eben wieder Pech gehabt, sei zu gar nichts nütze und müsse weiter bei ihrem fruchtlosen Sehnen bleiben, da diese Wunde nie heilen werde. ... Nuddle bat mich dringend um Rat. Er wollte sie weder in ihrer Verzweiflung allein lassen, noch ihre Bindung an ihn durch Zuwendung verstärken.
Weil mir die Sache für briefliche Erörterung zu dringend war, trampte ich sofort nach Berlin und war um 24 Uhr dort. Ich sagte ihm von seiner Verantwortung für dieses Mädchen. Die Verantwortung gegenüber ihr hat er glänzend gewahrt, denn nicht viele Jungen würden bei solcher Gelegenheit den nötigen Abstand wahren. Ich meine, er kann diesem Kind, das ja eigentlich schon eine ausgewachsene Frau ist, behutsam klar machen, dass man mit 17 noch keine Torschlusspanik zu haben braucht. Sie muss lernen, vieles in sich zu bewahren und sich den Freund in Ruhe auszusuchen. Es sind wohl alles Dinge, die ihr bisher keiner sagte, und die weiblichen Instinkte, die Du so wunderbar bewiesen hast, hat sie anscheinend bisher vernachlässigst.
Das alles besprach ich in dieser Nacht mit Nuddle und fuhr um 4:30 wieder los. Zum Mittag war ich in Hamburg und konnte meine schon völlig aufgelöste Tante beruhigen. So habe ich in kurzer Zeit allerlei erlebt. – In 2½ Wochen bin ich schon bei Dir. Vielleicht können wir dann auch mal über diese Sache sprechen. Mich interessiert Deine Meinung als Mädchen.
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