1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Toll war das Erlebnis der jüngeren Führer. Dienst bis zum letzten, trotz Schwierigkeiten in Schule oder Berufsausbildung, dabei Bewusstsein um Notwendigkeit und Forderung zu diesem Dienst – diese Dinge schaffen Kameradschaft. Das ist das Schöne in unserem Bund: man wechselt ein paar Worte und kennt den anderen genau, weil er denkt wie man selber und entsprechend handelt.
Doch genug davon. Ich will heute Abend noch meine Pakete packen, die direkt nach Berlin gehen. Sei von Herzen gegrüßt und in Liebe geküsst (in drei Tagen richtig) von Deinem Ernst-Günther
Erinnerung: 5. – 7. 10. 56 im Harz
Als ob wir uns schon Jahre nicht gesehen hätten, drücken wir uns lange Zeit aneinander und küssen uns, als ich in Silberhütte aussteige, jeder glücklich, den anderen wieder zu sehen und – nicht weniger wichtig – zu fühlen. Neben langen Wanderungen durch den herbstlich werdenden Harz haben wir uns bei diesem Treffen viel zu erzählen, du von dem Kursus in Gelnhausen, ich von dem aufregenden letzten Teil meiner Arbeit in Hamburg, in dem ich vielleicht schon eine Linie für unsere gemeinsame Zukunft gelegt habe. Denn dass wir miteinander in die Zukunft gehen wollen, darüber sind wir uns jetzt ganz sicher. Wir versprechen uns Liebe und Treue für ein gemeinsames Leben und sind uns einig, unser Versprechen bald durch eine offizielle Verlobung auch nach außen zu zeigen. So hat auch dieses Treffen wieder einen besonderen Höhepunkt.
Ich staune, was du alles in Gelnhausen gelernt hast und wie lebendig du davon noch erzählst, obwohl es schon wieder eine Weile her ist. Das wird bestimmt deine Arbeit als Gruppenleiterin fördern. Wir sprechen auch über den EMP. Ich glaube nicht, dass du damit hier anfangen solltest. Man braucht eine ähnliche Gemeinschaft in der Nähe, als Paten sozusagen, und man kann es nicht alleine machen, wenn man selbst neu ist.
Am Sonntag gehen wir zum ersten Mal gemeinsam zum Abendmahl. Es ist für mich tief bewegend, neben dir zu knien und Leib und Blut unseres Herren anzunehmen. Als wir aus der Kirche sind, muss ich dich küssen, einfach als Dank, auch dies gemeinsam mit dir erleben zu können. – Und dann schlägt wieder die schlimme Stunde des Abschieds. Wir sind uns einig, dass wir die Trennungszeiten kürzer halten wollen, koste es, was es wolle.
Berlin, den 10. 10. 56
Meine liebe Karin, endlich kann ich nicht nur an Dich denken, sondern auch schreiben, ... denn jetzt habe ich den Umzug glücklich hinter mir und fühle mich wohl in meiner neuen Behausung. Nepfs Mutter hat mich in volle Pension genommen. Dadurch bin ich zwar etwas knapp an Bargeld, werde jedoch mit dem Lebensnotwendigen gut und reichlich versorgt. Das studentische Hungerleben ist vorbei. Gerade das kann ich im letzten Semester gut gebrauchen.
Bis eben war Bringfried bei mir. Wir haben über vieles gesprochen, was in der langen Zeit, da wir uns nicht sahen, an Fragen aufgetaucht war. Ich bewundere immer wieder die Tiefe seiner Gedanken. Dadurch wird vieles für ihn schwerer als für uns, aber er findet auch Wege, die anderen verschlossen bleiben. Das große Bild von Dir, das jetzt schon in meinem Zimmer steht, gefiel ihm sehr. ...
Geliebtes Mädel, wir haben wieder schöne Tage gehabt. Jedes Zusammensein ist wieder schöner als das davor liegende. Wir können nicht aufhören zu danken für das, was uns geschenkt wird. – Die Schule hat wieder im alten Trott begonnen, richtig deprimierend, nachdem ich in Hamburg weitgehend als fertiger Ingenieur behandelt worden bin. Aber ich werde mich da durchbeißen, besonders, weil ich Dich immer vor Augen habe, an unsere Zukunft denke und so ein greifbares Ziel sehe. ...
Sei von Herzen immer wieder geküsst von Deinem Ernst-Günther
Um den Garten ist ein Zaun,
übern Zaun zwei Äuglein schaun.
Sie schaut her und ich schau hin,
ach wie wird mir da zu Sinn!
Um den Garten ist ein Zaun,
übern Zaun zwei Äuglein schaun.
Ich schau hin und sie schaut her,
wenn ich nur im Garten wär’!
Um den Garten ist ein Zaun,
übern Zaun zwei Äuglein schaun.
Sie schaut her und ich schau hin,
schwupps! – heidi, nun bin ich drin!
Demetrius Schrutz
St. Andreasberg, den 13. 10. 56
Mein lieber Ernst-Günther! ... Ich denke noch viel an unser gemeinsames Wochenende. Jetzt ist schon wieder eine Woche herum und in 14 Tagen sehen wir uns wieder. Ich freue mich schon sehr, Du doch sicher auch, nicht wahr? ...
Ich freue mich, dass Du bei Kroegers ein geregeltes Leben hast. Nur würde ich Dir noch raten, dass Du Dich jetzt vor dem Examen nicht so übernimmst, indem Du Dich für die CP einsetzt, obwohl ich ja verstehen kann, dass Du davon schlecht abkommen kannst. ...
Sei Du, lieber Ernst-Günther recht herzlich gegrüßt und innigst geküsst, schwupps! – heidi, Deine Karin
Berlin, den 13. 10. 56
Geliebtes Mädel, nun ist es schon wieder eine Woche her, dass wir Hand in Hand durch den nassen Wald zogen und immer wieder die Lippen aufeinanderpressten, um uns immer wieder unsere Liebe zu beweisen. Ich bin älter geworden in der kurzen Zeit, da zwischen uns Sehnsucht und Vertrauen gewachsen ist, und Dir ist es, glaube ich, nicht anders gegangen. Wir haben Pläne geschmiedet, wir haben uns entschlossen, bald Ringe zu tauschen und sind froh und dankbar dafür. Wir werden immer weiter so unsere Wege ziehen, uns des Sonnenscheins freuen und Regen und Sturm hinnehmen, wie sie kommen. Wir werden das Hand in Hand tun oder auch aneinandergeklammert, damit uns der Sturm nicht voneinander weg reißt. Wir werden lachen und fröhlich sein oder auch die Zähne zusammenbeißen. Aber eines werden wir niemals: aufhören, uns zu lieben, uns umeinander zu sorgen, füreinander zu beten, uns miteinander zu freuen und gemeinsam zu tragen, was zu tragen ist. Wir werden einst, wenn wir reif genug dazu sind, das größte Geheimnis der Liebe erleben und es wird uns zu noch größerer Treue und Verbundenheit führen. Und wir werden dann, wenn dies Leben erfüllt ist, eingehen in das Reich, das noch größer und schöner ist als unsere Zeit jetzt, selbst im Beieinander liebender Herzen.
Ich weiß nicht, ob Du Dich am Sternhimmel auskennst. Es gibt dort in der Verlängerung der Linie von der Deichsel des großen Wagens über den Polarstern hinweg ein Sternbild namens Cassiopeia, das die Form eines W hat. Immer wenn ich dieses Bild sehe, denke ich an Dich oder besser an uns, denn dieses W verkörpert mir das „Wir“, das langsame Einswerden von uns beiden. ... Unsere Gedanken, sind jetzt schon immer beieinander, wenn auch vorläufig noch wieder und wieder Stunden der Trennung schlagen.
Vorgestern hatten wir eine Aussprache der Landesmark: Ich sollte die Führung für ganz Berlin übernehmen. Nur mit dem Hinweis auf das nahe Examen kam ich davon frei. Ich muss jetzt alles lassen, was mich von der Vorbereitung auf das Examen abhält.
Geliebte Karin, heute war der erste Abend, der mir etwas Ruhe brachte nach der Hetze und dem Betrieb der vergangenen Woche. Ich habe mir einen Gedichtband von Gottfried Keller vorgenommen, keine tiefgreifenden Kunstwerke, aber lieblich in ihrer Art. Seine beigefügten „Grillen“ begeistern mich immer wieder. ... Meine liebe Karin, sei von Herzen geküsst von Deinem Ernst-Günther
Die Fantasie tut wie ein Kind,
das einem Kränze windet,
bald lacht und plaudert mit dem Wind,
bald einen Schwank erfindet
und wunderliche Märchen spinnt,
dann inne hält und traurig sinnt.
Als ich vergangne Mitternacht
in düstren Sinnen schwebte,
da hab‘ ich still und bang gedacht:
Wie, wenn ich nicht erlebte
der nächsten Morgenglocke Schlag?
Wer weiß, was dann geschehen mag!
Da schrieb ich einen langen Brief
an alle, die mich lieben.
Was mir im Herzen wacht’ und schlief,
hab ich hinein geschrieben,
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