Wortlos verließen Erik und Anke das Haus.
*
Erst als sie wieder im Auto saßen, meinte Erik: »Mein Instinkt sagt mir, dass wir in die richtige Richtung ermitteln, nur leider finden wir nicht den geringsten Hinweis. Susi wird bedroht, vermutlich weil sie am Unfallort gesehen wurde. Emil wird ebenfalls bedroht – nur etwas heftiger – dabei wissen wir inzwischen, dass er sich ganz in der Nähe der drei Frauen aufgehalten hat. Das könnte bedeuten, dass er auch gesehen wurde.«
»Wer macht sich die Mühe, jemanden zu bedrohen, den er zur falschen Zeit am falschen Ort gesehen hat?«
»Das müssen wir herausfinden.«
Sie fuhren zurück zum Landeskriminalamt.
Als sie sahen, dass in Forsetis Zimmer noch Licht brannte, murmelte Erik: »So ein Mist, ich hatte gehofft, dass er schon weg ist, bis wir zurückkommen. Was machen wir jetzt? Gehen wir in die Höhle des Löwen?«
»Wie wär’s, wenn wir zunächst in Rosis Kneipe, ehemals Marthas Kneipe, gehen, eine Tasse Tee trinken und uns überlegen, was wir sagen?«
Dem Vorschlag stimmte Erik zu. Sie fuhren mit dem Dienstwagen die kurze Strecke bis zu der kleinen Kneipe, stellten dort den Wagen ab und eilten durch den immer stärker werdenden Regen hinein.
Rosi, Marthas Schwester, war ebenfalls eine kleine, rundliche Frau, die mit Leib und Seele diese kleine Kneipe weiterführte. Sie empfing sie mit einer Herzlichkeit, die wohltuend war. Dabei fragte sie sofort nach Ankes Befinden.
Erik und Anke suchten sich einen Tisch, der etwas abseits stand, damit sie sich ungestört unterhalten konnten.
»Also, so etwas kenne ich nicht!«
»Was?«, fragte Anke stutzig.
»Bei uns in Köln geht es in den Kneipen nicht so familiär zu. Im Gegenteil: Da ist man als Gast nur gern gesehen, wenn man genug säuft und den Umsatz steigert. Kaum ist ein Kölsch ausgetrunken, bekommst du das nächste vor die Nase geknallt. Da wird nicht lang gefackelt. Sich nach dem Wohlbefinden erkundigen – so viel Zeit lässt sich der Köbes gar nicht.«
»Was heißt Köbes?«
»Köbes heißt Kellner. Kölsch ist schon fast eine Fremdsprache für Nicht-Kölner.«
Rosi servierte den Tee.
»Aber nun zurück zu Forseti. Ich hatte bisher den Eindruck, dass er große Stücke auf dich hält.«
»Das täuscht«, lachte Erik. »Ich hatte ihn auf der Schulung kennen gelernt. Er leitete diesen Lehrgang. Schon gleich unsere erste Begegnung war voll daneben.«
Anke wurde neugierig, weil der Kollege sich bei der Erinnerung daran die Haare raufte.
»Erzähl schon«, drängte sie.
Zunächst zögerte Erik ein wenig, bis er sich überwand und zu sprechen begann: »Ich war mit meinem damaligen Kollegen und Freund auf einem Lehrgang für verdeckte Ermittler. Wir erfuhren, dass auch Frauen dabei sein würden. Claudia war eine davon. Ich kannte sie nicht besonders gut, hielt sie aber für hochnäsig, deshalb wollte ich sie von ihrem hohen Ross herunterholen. Es gelang uns, Claudia die Nachricht zukommen zu lassen, dass sie in der Rechtsmedizin erwartet würde. Unser Plan war perfekt. Ich legte mich unter das Leichentuch. Mein Kollege sollte sie bis zum Tisch heranlocken, das Tuch hochheben, damit ich ihr mit einer ruckartigen Bewegung einen gewaltigen Schrecken einjagte.«
»Ein makabrer Scherz!«
»Mein Kollege schminkte mich leichenblass, es sah täuschend echt aus. Unserem Streich stand nichts mehr im Wege – dachten wir. Wir hörten Schritte im Korridor. Ich legte mich unter das Tuch. Doch was ich dann hörte, ließ mich im wahrsten Sinne des Wortes vor Schreck erstarren: Nicht Claudia stand im Raum, sondern ein Mann – Forseti, wie ich bald erfahren sollte. Er forderte meinen Kollegen auf, ihm die Leiche zu zeigen, die untersucht werden sollte. Was blieb ihm übrig. Er hob das Tuch an, ich stellte mich tot. Er schaute mich ziemlich gründlich an. Meine Luft wurde immer knapper, dabei durfte ich doch keine Bewegung machen. Auf seine Frage hin, warum der Tote noch seine Kleidung trug, meinte mein Kollege schlagfertig, er sei gerade erst eingeliefert worden. Dann verließ Forseti den Raum.«
»Nun wird es richtig spannend.« Anke schmunzelte.
»Als wir am nächsten Tag zur Lesung in den Hörsaal kamen, saß Forseti am Rednerpult. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Er begann seine Lesung, indem er immer um mich herumging und mich genau musterte. Nach einer Weile bemerkte er: Der Tod steht Ihnen gut! Im Hörsaal wusste inzwischen jeder, was vorgefallen war . Deshalb löste diese Feststellung allgemeine Erheiterung aus. Zunächst dachte ich, wenn das alles ist, kann ich damit leben. Aber es war nicht alles, denn er fügte an: Für verdeckte Ermittler hatte ich zwar andere Rollen vorgesehen. Aber sollten wir für unsere Übungen eine Leiche brauchen, wissen wir ja schon, wer diesen Part übernehmen wird. Das Gelächter im Hörsaal war ohrenbetäubend.«
»Musstest du den Part übernehmen?«
»Allerdings. Ich glaube, Forseti hatte sich ausschließlich für Übungen entschieden, in denen ich als Leiche mitspielen durfte. Deshalb habe ich das meiste von dem Lehrgang verpasst.«
Gemeinsam kehrten sie zum Landeskriminalamt zurück. Sie hatten Glück, ihr Vorgesetzter war nicht mehr da.
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