Elke Schwab
Mord ohne Grenzen - Elsass-Krimi
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Epilog
Impressum neobooks
Elke Schwab
Mord ohne Grenzen
Elsass-Krimi
Anmerkungen der Autorin:
Der Krimi spielt im Elsass. Diese Region in Frankreich ist zum Teil deutschsprachig geblieben, wobei sich ein interessanter Dialekt gebildet hat, nämlich Elsässisch oder Elsässerdeutsch.
Um die Menschen und die Region authentisch darzustellen, habe ich einige kurze Passagen in der wörtlichen Rede im Dialekt geschrieben. Zum besseren Verständnis habe ich am Schluss des Buches ein Wörterbuch angefügt, das Ihnen die Begriffe erklärt.
Mord
ohne
Grenzen
Elsass-Krimi
Elke Schwab
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© Elke Schwab, 2016
www.elkeschwab.de
Covergestaltung: Elke Schwab
Lektorat Sriptmanufaktur
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugs-weisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Sie wartete. Reglos. Ob er ihre Nähe spürte?
Ihre Atmung beschleunigte sich. Sie schlug ihre Hand vor den Mund. Verzweifelt versuchte sie, leiser zu sein. Dabei überkam sie große Angst zu ersticken. Hastig zog sie ihre Hand wieder weg und atmete tief und gierig ein. Die Luft war kalt und schmerzte in ihren Lungen. Außerdem roch sie eklig.
Sie drückte sich tiefer in die nasse, kalte Nische. Wieder verhielt sie sich ganz still und lauschte. Nichts. War er noch da? Sie stieß den angehaltenen Atem aus.
Sollte sie sich ein Stückchen nach vorn beugen, um zu sehen, ob er noch dort war? Was, wenn er nur darauf wartete? Sie zitterte.
Sie schaute sich um, sah nur Dunkelheit. Das einzige Licht kam von oben. Dort musste er sein. Todesmutig wagte sie sich einige Zentimeter vor.
Da erblickte sie ihn. Er trug eine schwarze Kapuze, die Gestalt breit, die Hände bereit, zuzupacken.
Hastig zog sie sich zurück. Ein Schluchzen entfuhr ihr.
Ganz fest schloss sie ihre Augen. Wenn sie ihn nicht sah, konnte er sie auch nicht sehen. Das Gefühl gab ihr Trost.
Lange verharrte sie so, bis die Neugier sie antrieb, die Augen wieder zu öffnen. Zitternd beugte sie sich nach vorn, um zu sehen, ob er immer noch dort stand.
Aber sie sah nur noch ein helles Rund hoch über ihrem Kopf.
Der Kapuzenmann war verschwunden.
Sabine Radek wähnte sich am Ende der Welt. Ihre Tochter saß im Fond des Wagens und nörgelte, was Sabines Nervosität noch steigerte. Was erwartete sie? Ihre Aufregung wuchs mit jedem Kilometer. Sie hatte eine Erbschaft gemacht, mit der sie niemals gerechnet hätte. Ein Onkel im Elsass, das klang wie der Titel einer Komödie aus dem Ohnsorg-Theater. Nach Lachen war ihr seitdem tatsächlich zumute.
Sabine Radek, die Erbin.
Wollen Sie das Erbe annehmen?
Wie sollte sie diese Frage beantworten, ohne ihr Erbe jemals gesehen zu haben?
Also fuhr sie ins Elsass – zusammen mit ihrer Tochter Annabel, die unbedingt hatte dabei sein wollen.
Die Entfernung betrug von Saarbrücken aus vierzig Kilometer. Dichte schwarze Wolken türmten sich am Himmel. Eine Windböe kam auf und rüttelte heftig an Sabines Kleinwagen. Krampfhaft umklammerte sie das Lenkrad, ihren Blick immer auf die Route National gerichtet. Sie verließ Lothringen und überquerte die unsichtbare Grenze zum Krummen Elsass.
Nur noch zwei Orte. Die würde sie auch noch schaffen.
Endlich das Ortsschild: Potterchen.
Sabine bestaunte die schmale Straße, eingerahmt von dicken Stämmen der Kastanien, deren Blätter sich teilweise wie ein bunter Baldachin über der Allee ausbreiteten. Der andere Teil des Laubs klebte auf der Straße. Vereinzelte Sonnenstrahlen kämpften sich durch die dichten Wolken und blitzten zwischen kleinen Lücken auf. Alles verschwamm in Licht und Schatten. Am Ende der Allee lag das Dorf, in dem ihr Onkel gelebt hatte, ohne jemals mit ihr in Kontakt getreten zu sein.
Wer wusste schon, warum es gut war, erst nach seinem Tod von ihm zu erfahren? Sabine grinste. So hatte sie wenigstens keine negativen Erinnerungen an ihn.
Bis jetzt. Es sei denn, das Haus war die reinste Bruchbude … Dieser Gedanke kam Sabine, als sie das erste Gebäude erblickte. Es war ein Trümmerhaufen, dessen endgültiger Zerfall jede Sekunde bevorstand. Das nächste, ein leer stehendes Bauernhaus, war von einer Größe, die sie umgeworfen hätte, säße sie nicht in ihrem Auto.
Ihre anfängliche Begeisterung bekam erste Dämpfer. Sie fuhr langsam weiter. Doch was sie dann zu sehen bekam, entschädigte sie für alles. Der Kern des Dorfes war traumhaft – als sei die Zeit stehengeblieben. Alte, gut gepflegte Bauernhäuser, teils aus Sandstein, teils aus Fachwerk. Manche waren in Pastellfarben gestrichen, andere prangten in Naturstein. Scheunen, Ställe und Blumenkübel in allen Formen und Größen zierten die schmale Straße. Dorfbewohner saßen auf Bänken vor ihren Häusern. Die Blicke, die Sabine trafen, waren argwöhnisch bis freundlich – es war alles dabei.
„Welches davon wohl unser Haus ist?“, fragte sie nach hinten, in Richtung ihrer Tochter.
Annabels Antwort fiel allerdings anders aus als erwartet. Laut schrie sie: „Pferde.“
Sabine schaute in die Richtung, in die der kleine Kinderfinger zeigte. Pferde grasten auf einer Koppel nahe an Bahngleisen, die das Dorf abgrenzten. Auf der anderen Seite der Schienen lagen Felder, soweit das Auge reichte. Direkt vor ihr auf der rechten Seite verunzierten hässliche breite Rohre die Natur, als sollte dort Kanalisation verlegt werden. Neben diesen Rohren sah der Boden felsig aus. Ein gelbes Schild fiel ihr ins Auge. Sabine beherrschte kein Französisch, weshalb sich ihr der Wortlaut nicht erschloss. Aber anhand der dazu abgebildeten Symbole glaubte sie zu erkennen, dass eine Baustelle angezeigt wurde.
„Ich vermute, wir sind zu weit gefahren.“ Sie ließ ihren Blick nach links wandern. Dort wies ein Schild darauf hin, dass die Rue de la Gare weiterging. „Oder doch nicht.“ Sie bog ab.
Weiter reihte sich ein Bauernhaus an das nächste. Bis sie auf eines traf, dessen Schönheit sie den Wagen abbremsen ließ. Leicht gebogene Fenster mit angepassten Klappläden in einem kräftigen Rotbraun stachen von der pfirsichfarbenen Fassade des Hauses ab. Daneben befand sich ein geschwungenes Scheunentor, ebenfalls in rotbraunen Tönen, flankiert von einem Garagentor in den gleichen Farben. Sabine suchte die Hausnummer. Einundzwanzig. So ein Mist. Ihr Erbe hatte die Nummer zwölf. Oder hatte sich vielleicht jemand einen Scherz erlaubt und die Ziffern vertauscht? Leider musste Sabine diese Hoffnung schnell begraben, denn die Tür ging auf und ein kräftiger Mann trat heraus. Auf seinen fragenden Blick begann sie zögerlich auf Deutsch zu sprechen: „Ich heiße Sabine Radek …“
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