1 ...7 8 9 11 12 13 ...38 Entsetzt, aber dennoch sehr vorsichtig legte er ihn zurück auf die Arbeitsplatte, wartete eine Sekunde, bis er sicher war, das der Stein diesmal liegenbleiben würde und riss dann seine Hände förmlich an sich, wo er sie mit großen Augen angsterfüllt betrachtete.
Doch nichts geschah. Richard beruhigte sich ein wenig, sein Blick fiel zurück auf den Stein und dann konnte er die Whiskyflasche im Regal dahinter erkennen.
Oh Mann, ein verdammter Schluck würde ihm jetzt ganz gewiss gut tun. Schließlich hatte er den Absturz eines Flugzeugs gesehen und ein merkwürdiges Ding lag vor ihm auf dem Tisch. Darauf durfte er sich ja wohl mal einen kräftigen genehmigen.
Richard setzte an, ließ den Alkohol durch seine Kehle fließen, genoss das Brennen.
Als er wieder absetzte, musste er schwer durchatmen und sich abstützen.
Ein ausgiebiger Rülpser ließ sich nicht vermeiden und Richard musste kurz leise auflachen. „Was für eine Scheiße!“ sagte er dann mit dem Blick auf den Kristall.
Einen Moment schien er zu träumen, als vor seinem inneren Auge die Ereignisse der letzten Stunde nochmals abliefen.
Dann aber atmete er noch einmal tief durch, stieß sich von der Arbeitsplatte ab, setzte zu einem zweiten Schluck Whisky an und wollte sich dann sofort daran machen, den Stein vernünftig zu verstecken.
Im nächsten Moment aber rutschte ihm sein Herz erneut ganz tief in die Hose und der Whisky über das Hemd, als er die Lichter eines Autos sah und gleich darauf auch den Motor hören konnte, der eindeutig auf seinen Hof fuhr.
Richard erstarrte in seiner Bewegung. Oh großer Gott, sie hatten ihn gefunden!
Er war noch keine fünf Minuten zuhause und sie schon bei ihm.
Was hatte er sich nur eingebildet? Immerhin waren das geschulte Leute, Profis, und er war nur ein kleiner, armseliger Mensch ohne Klasse.
Natürlich hatten sie ihn bemerkt und während er seinem Hirngespinst nachjagte, waren sie schon hinter ihm her.
Oh Gott, jetzt war alles vorbei. Und er würde Sheila und Debbie sogar noch damit hineinziehen!
Zwei Türen wurden zugeschlagen, das brachte ihn zurück in die Wirklichkeit, wo er komischerweise zuerst bemerkte, dass er sich den Whisky über das Hemd goss.
Mit einem leichten Aufschrei hob er die Flasche wieder an, verharrte nochmals für einen Moment, bevor er ängstlich und unsicher aus dem Schuppen hinaustrat.
Den Wagen, der dort in der Einfahrt stand, kannte er nicht. Es war ein unscheinbarer dunkelblauer Ford.
Es war keine Menschenseele zu sehen, dafür aber war die Haustür jetzt weit geöffnet und beinahe alle Räume hell erleuchtet.
Richard trieb es die Stufen zu seinem Haus hinauf, er betrat den Flur und hörte im ersten Stock Stimmen.
Er stoppte abrupt ab, lauschte, erkannte sehr schnell die Stimme seiner Frau. „Sheila?“
Die Stimmen verstummten, eine Sekunde später trat seine Frau an die Treppe. „Richard? Was zum Teufel machst du denn hier? Ich dachte, du würdest die Nacht wieder draußen verbringen?“ Sheila war nicht sonderlich freundlich, ihr Gesichtsausdruck angespannt und nervös.
„Wollte ich auch, aber...!“ Er stockte, wollte ihr doch noch nichts davon erzählen. „Warum ist hier überall Licht an? Und was ist das für ein Wagen da draußen?“
Sheila sah ihn versteinert an, dann drehte sie sich zur Seite, redete ein paar Worte zu jemand anderem.
„Sheila?“ Richard war nervös.
Seine Frau kam wieder zur Treppe und ging die Stufen hinab. In der Hand hielt sie einen großen Koffer. Ohne ihn anzuschauen ging sie schnell an ihm vorbei nach draußen.
Erst jetzt bemerkte Richard, dass sie vollständig angezogen war.
„Was zum Teufel ist hier los?“ Er war etwas gereizt und humpelte hinter Sheila her.
Doch seine Frau schenkte ihm keine Aufmerksamkeit, ging zum Wagen, öffnete den Kofferraum und warf den Koffer hinein.
In diesem Moment tauchte Richard neben ihr auf. „Sheila, verdammt, was ist hier los?“ Er starrte ihr böse, aber auch irritiert ins Gesicht.
„Was soll schon los sein, Richard?“ Sie schaute ihn ausdruckslos mit fast schon versteinerter Miene an. „Wir verlassen dich. Ist das so schwer zu verstehen?“
„Du machst was ?“ Richard war sofort tief geschockt.
„Ich kann so nicht weiterleben. Debbie kann so nicht weiterleben!“ Sheila ging an ihm vorbei zurück ins Haus.
Richard blieb einen Moment reglos am Wagen stehen, dann konnte er wieder denken. „Aber, Moment...!“ Er drehte sich um, lief ebenfalls zurück ins Haus.
Debbie kam gerade die Treppe hinunter. Sie hatte einen kleinen Koffer in der Hand, ihren großen Affen, ihr Lieblings-Kuscheltier, im Arm.
Als sie ihren Vater sah, stoppte sie abrupt ab, sah ihn mit verweinten, erschrockenen Augen an.
„Geh nur Liebes!“ sagte Sheila hinter ihr und schob sie weiter. „Einfach nur immer weiter!“ Dabei stöhnte sie leicht, weil sie zusätzlich zu einem weiteren großen Koffer noch eine große Tasche geschultert hatte.
Richard sah wie seine Tochter an ihm vorbei nach draußen ging und ließ sie gewähren.
Als aber Sheila vor ihn trat, riss er seinen linken Arm hoch und versperrte ihr den Weg durch die Haustür. „Um Gottes Willen, Sheila, warte!“ Er schaute sie flehend an.
„Worauf, Richard?“ Sie starrte ihn weiterhin ausdruckslos an. „Worauf soll ich warten? Das du dich doch noch änderst? Oder...?“ Sie schaute auf die Whiskyflasche in seiner Hand. „...darauf, dass du dir das letzte bisschen Verstand versäufst?“ Sie bückte sich und huschte unter seinem Arm hindurch nach draußen.
Richard war für einen Moment entsetzt, jedoch nicht durch Sheilas Worte, sondern weil er erkannte, dass er die gottverdammte Whiskyflasche noch immer in der Hand hielt. Beinahe wütend warf er sie in den Vorgarten und folgte seiner Frau.
„Aber, es ist nicht so wie du denkst?“
Sheila hatte die letzte Treppenstufe erreicht, drehte sich plötzlich um. „Woher willst du wissen, was ich denke? Dich interessiert doch schon lange nicht mehr, was wir denken und fühlen. Alles, was dir wichtig ist, ist doch nur noch dein beschissenes Selbstmitleid!“
„Oh Gott, Mädchen, nein. Du verstehst nicht!“ Er hatte sie erreicht, hielt sie am Arm fest.
Wieder drehte sie sich um, atmete tief durch. „Was gibt es bei der Fahne noch zu verstehen?“
„Ja, verdammt, ich habe getrunken. Einen Scheiß großen Schluck. Aber doch nur, weil ich so nervös war, Sheila. Und das wärst du auch, wenn du das gesehen hättest, was ich heute Nacht gesehen habe!“
Sheila atmete einmal tief durch. „Und was bitte schön soll das gewesen sein?“
„Einen Flugzeugabsturz!“
„Einen was ? Oh Mann!“ Sheila war jetzt sehr gereizt.
„Vor noch nicht mal einer halben Stunde ist auf dem Henderson-Plateau ein Jumbo in das Bergmassiv genagelt, jawohl! So wahr ich hier stehe. Es ist wirklich passiert Sheila!“ Richard schaute sie mit großen, Verständnis-suchenden Augen an.
Seine Frau aber musterte ihn nur scharf. „Das ist widerlich!“ sagte sie dann, nahm ihren Koffer wieder auf, ging weiter zum Auto. „Steig bitte ein Debbie!“ Ihre Tochter hatte den kleinen Koffer auf dem Rücksitz deponiert und nahm neben ihm Platz. Sheila schloss die Tür, als sie daran vorbei ging.
„Aber, nein, Schatz, hör mir doch zu!“ Richard gab noch immer nicht auf, lief wieder hinter ihr her.
„Nein, jetzt hör du mit zu!“ Sheila wuchtete den großen Koffer in den Kofferraum und schrie ihn dabei wild an. „Es ist vorbei, Richard. Ich kann nicht mehr. Sieh dich an. Sieh uns an. Du hast deine Familie zerstört. Alles, wofür wir beide gelebt haben, hast du kaputt gemacht. Sie dich doch an. Du bist so armselig geworden. Du siehst aus wie ein Penner, du stinkst wie ein Penner...!“ Sie warf auch ihre Tasche in den Kofferraum und warf ihn dann wuchtig zu. „...und du redest jetzt auch schon wie einer! Ein Flugzeug! Herrgott, Richard, was ist nur aus dir geworden? Wo ist der Mann, den ich so geliebt habe?“ Sie trat zur Fahrertür, öffnete sie.
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