„Ja, ich weiß, muss ja alles geheim bleiben.“ McDenglot sah zu Lydia Smythe hinüber. „Schön, ich hätte gerne Lieutenant Smythe und Chief Walker in meiner Crew.“
„Haben gerade angemustert“, versicherte Sir John. „Sie können sogar Ihre ganze alte Crew anheuern. H.M.S. Thunderer liegt ja auf dem Trockenen und die Besatzung ist keinem anderen Schiff zugeteilt. Ich regle das in der Admiralität.“
„Hm. Es gibt da noch ein weiteres Problem, Sir. Mit der Navigation auf See kennen ich und Lydia uns bestens aus. Aber im Weltraum wird das wohl eine andere Sache sein. Da sind wir nicht gerade Naturtalente, Mylord. Somit brauchen wir einen erstklassigen und verschwiegenen Navigator.“
„Einen, der weiß, wie man aus Schwierigkeiten herauskommt“, sinnierte Sir John.
„Wie bitte?“
„Oh, ich denke gerade an eine junge Pilotin, die sicher Gefallen an dieser Sache findet.“
„Diese Jane, mit der Sie gekommen sind? Ihre Pilotin?“
„Ihre Pilotin und Ihre Navigatorin“, korrigierte Sir John und sie mussten beide lachen. Er wurde wieder ernst. „Captain, ich muss Sie nicht nur auf die Bedeutung Ihrer Mission hinweisen, sondern auch auf die besonderen Umstände. Die Regierung Ihrer Majestät kann Sie nur im Verborgenen unterstützen. Offiziell handeln Sie als Privatmann. Sir Jonathan Henlon von Henlon Industries wird Sie und Ihre Mannschaft als ganz normale Raumcrew einstellen und offiziell ebenfalls keine Kenntnis von Ihren Absichten haben.“
„Ich verstehe durchaus.“ Eugenius McDenglot starrte versonnen in seine halb geleerte Tasse. „Sollte etwas schief gehen, wird England jede Kenntnis leugnen und mich und meine Mannschaft im Nebel stehen lassen, nicht wahr?“
„Wir werden sagen, dass es sich offensichtlich um die Tat eines ehemaligen Marineoffiziers handelt, der von Frustration zu seinem Handeln getrieben wurde.“
„Ja, genau so habe ich mir das vorgestellt“, brummte der Schotte düster.
„Das würde man niemals glauben“, sagte Lydia Smythe grimmig. „Zur Mission der Star-Steamer ist viel zu viel Logistik erforderlich, als dass dies von einem einzelnen Mann bewältigt werden könnte.“
Der Lord-Admiral zuckte bedauernd die Schultern. „Ein Verdacht ist noch lange kein Beweis, Lieutenant, und der Krone bleibt keine Wahl, als sich von Captain McDenglot zu distanzieren, falls er in Schwierigkeiten gerät. Selbst wenn er erfolgreich ist, darf kein Uneingeweihter davon erfahren.“ Er wandte sich McDenglot zu. „Ich kann es Ihnen nicht befehlen, Captain, aber ich bitte Sie eindringlich, den Auftrag zu übernehmen. Sie tun es für Königin und England.“
Eugenius McDenglot seufzte vernehmlich. „Nicht nur für Königin und England, Mylord. Auch in Schottland sind Froschschenkel und Weißwurst nicht sonderlich beliebt.“
„Dann nehmen Sie an?“
„Ja.“
Mit dem Dampf-Schlepper im Asteroiden-Gürtel
Viele Menschen hatten schon einmal vom Asteroidengürtel gehört. Sie wussten, dass man dort einige wichtige Rohstoffe und wertvolle Metalle fand, und diese von dort zur Erde brachte. Dennoch besaßen die meisten eine vollkommen falsche Vorstellung. Sie sahen die Ringe des Saturn vor Augen und dachten, die Asteroiden seien größere und kleinere Objekte, die, dicht an dicht, um einen festen Bezugspunkt kreisten. Dass es schwierig und gefährlich sei, sich zwischen ihnen zu bewegen, weil man ständig dahinrasenden Objekten ausweichen und eine Kollision vermeiden musste. In der Realität bestand das Problem jedoch weniger darin, einem Asteroiden auszuweichen, als vielmehr, das gewünschte Objekt überhaupt ansteuern zu können. Es gab weit über Vierhunderttausend von ihnen und sie waren über einen immensen Raum verteilt.
Im Grunde gab es drei Asteroidengürtel, wenn man sie denn so bezeichnen wollte. Sie wurden als innerer, mittlerer und äußerer Gürtel bezeichnet und bewegten sich hauptsächlich zwischen Mars und Jupiter. Jupiter war der größte Planet des solaren Systems und besaß eine Masse, die rund siebzig Prozent der Gesamtmasse aller anderen Planeten entsprach. Ein Gigant, dessen Anziehungskraft auch die Asteroiden beeinflusste, so dass es zu Bahnstörungen kam. Das bedeutete, dass sich nicht alle Objekte in kreisförmigen oder elliptischen Umläufen befanden.
Die Asteroiden waren nach Größe und Zusammensetzung klassifiziert. Einige waren winzig, andere, wie Ceres, der immerhin fast ein Viertel des Mondes durchmaß, waren von beachtlicher Größe und hatten sogar eigene Trabanten.
Die Entstehungsgeschichte der zahlreichen Objekte war umstritten. Die Vermutung, es handele sich um die Trümmer eines einstigen Großplaneten, schien eher nicht zuzutreffen. Wahrscheinlich waren sie Überbleibsel jener Vorgänge, bei denen das Sonnensystem vor Urzeiten entstanden war und sich die Planeten gebildet hatten. Andere mochten aus den Tiefen des Weltalls stammen und eingefangen worden sein. Manche Asteroiden waren reich an Silikaten, andere an Kohlenstoffen. Einige enthielten Erze oder bestanden aus Eis oder Gestein.
Es gab sicher Forscher und andere Menschen, die sich wünschten, der Mensch wäre aus Neugierde und Wissensdrang in das Sonnensystem vorgestoßen. Niemand wäre in den Anfängen der Raumfahrt auf den Gedanken verfallen, dass sie aus rein kommerziellen Gründen durchgeführt werden könnte.
Nun lockten Rohstoffe und Wertmetalle die Konzerne ins All hinaus, aber es waren die treibenden Brocken aus Eis, welche dieses Unterfangen erst ermöglichten.
Man benötigte Unmengen von Wasser zum Überleben, selbst wenn man viel davon durch Filterung zurückgewinnen konnte. Vor allem brauchte man es zum Betrieb der Dampfmaschinen, welche den Strom erzeugten, andere Maschinen antrieben und die überlebenswichtige Wärme produzierten. Durch Elektrolyse konnte man Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, und Wasser war Grundlage der hydroponischen Gärten, die ebenfalls für Atemluft sorgten. Schiffe überbrückten die Entfernungen zwischen den Planeten mit dem Hiromata-Antrieb, aber für kurze Strecken und zum Manövrieren benutzte man Dampf.
Für die Menschen auf der Erde galten Metalle und Mineralien als die Kostbarkeiten der Asteroiden, für die Menschen die im Raum arbeiteten und lebten, war es hingegen das Eis, welches das überlebenswichtige Wasser lieferte.
So waren immer wieder Prospektorenteams unterwegs, um nach Rohstoffen oder Eis zu suchen. Sie flogen nicht in komfortablen Langstreckenschiffen, sondern unförmigen Konstruktionen, die mit Transportarmen ausgestattet wurden und zum Abschleppen kleinerer Objekte geeignet waren. Aus diesem Grund bezeichnete man diese Raumfahrzeuge als „Schlepper“. Ihr Bau und Unterhalt war teuer, und um die Kosten zu dämpfen, vermieteten die Firmen, denen sie gehörten, sie an private Prospektoren. So sparte man sich die Personalkosten und auch jene Summen, die bei Unfall oder Tod an Firmenangehörige gezahlt werden mussten. Der Weltraum mochte romantische Gefühle wecken, doch es war ein kalter und lebensfeindlicher Ort. Ein Ort, der satte Gewinne und wichtige Ressourcen versprach, und es fanden sich immer genug Menschen, die ihr Glück versuchen wollten.
Pierre und Iwan waren solche unabhängige Prospektoren, die auf eigene Rechnung und eigenes Risiko arbeiteten.
Sie mussten ihren Schlepper mieten und bestritten ihren Lebensunterhalt von dem, was sie auf ihren Touren fanden. Es war ein einsames und eintöniges Leben, denn oft waren sie Monate unterwegs, bis sie einen Asteroiden fanden der die Ausbeute lohnte. Dann nahmen sie diesen in Schlepp oder markierten ihn, damit er von einem Verhüttungsfrachter angeflogen werden konnte. Der Finderlohn war ansehnlich und entschädigte für die lange und oft erfolglose Suche.
Ihr Schlepper gehörte der Interplanetary Corporation, einem Konsortium asiatischer und europäischer Firmen, und trug die offizielle Bezeichnung „ IC–ST 3 “. Diese Kennung war in Schablonenschrift und leuchtenroten Buchstaben auf die Flanken gesprüht worden. Pierre und Iwan nannten ihn hingegen Mick Jagger und hatten diesen Namenszug in strahlendem Blau auf den Bug gemalt.
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