Der junge Pharao war begeistert von diesem Abenteuer und versprach, im nächsten Jahr wieder zu kommen, und Merimes musste ihm sein Wort geben, dannzumal wieder mit ihm auf die Löwenjagd zu gehen, auf der sie noch größere Beute machen wollten.
Zwei Tage später wartete der zweite Katarakt auf die Reisenden, doch der Lotse, den ihnen der Gouverneur von Wawat mitgegeben hatte, führte sie auch sicher durch diese Klippe.
Das eigentliche Ziel von Pharaos Reise lag weit südlich des zweiten Katarakts in Obernubien, im Lande Kusch. Dies war Tejes ursprüngliche Heimat. Und hier, in Chaem-Maat wollte er zu Ehren der Großen Königsgemahlin einen Tempel errichten.
Die Fahrt dauerte noch zwei weitere Tage. Mit Hilfe von Amenhotep, Sohn des Hapu, der die Gegend kannte, fand der Pharao die geeignete Stelle für einen Tempel, auf halbem Weg zwischen Chaem-Maat und der Stadt des Fürsten Imuk. Der, hocherfreut, seinen Sohn Aku wieder zu sehen, tauschte mit dem Pharao kostbare Geschenke aus.
Der Baumeister benutzte den Aufenthalt, an drei aufeinander folgenden Tagen, die Örtlichkeit auszumessen und Pläne zu zeichnen. Doch weitere Vorbereitungen wurden nicht getroffen. Es gab keine geeigneten Baumeister am Ort, denen der Sohn des Hapu eine so große und wichtige Aufgabe hätte übertragen wollen.
„Ich werde das später selber an die Hand nehmen“, meinte er, und der Pharao gab sich damit zufrieden.
„Vergiss aber nicht“, mahnte er den Sohn des Hapu, und vor seinen Augen erschien wieder jene Vision, die ihn beim Tempel von Thutmosis erleuchtet hatte, „eines Tages werde ich meine Residenz nach Theben verlegen. Dann baue ich dort im Fruchtland, südlich von Thutmosis’ Tempel meinen Palast. Dann wird deine große Zeit gekommen sein, mein lieber Huy, wo du auch meinen Tempel für die Ewigkeit bauen kannst. Vorher aber will ich an dieser Stelle der Großen Königsgemahlin ihren Tempel weihen können.“
„Ich flehe die Götter an“, erwiderte Amenhotep, Sohn des Hapu, „dass sie mich nicht sterben lassen, ehe ich alle deine Wünsche erfüllt habe.“
„Ich wünsche, dass Amun-Re und alle Götter dir ein so langes Leben schenken.“
Die Heimfahrt dauerte nicht so lange wie die Fahrt nilaufwärts. In Sehotep Neteru machten sie schon am nächsten Tag noch einmal einen Zwischenhalt, wo ihnen Merimes die inzwischen präparierten Trophäen ihrer Jagd, die Felle der erlegten Löwen mitgab. Auch an der Insel Elephantine legten sie nach erfolgreicher Durchquerung des Katarakts noch einmal an, um den nubischen Lotsen an Land gehen zu lassen und dem Gouverneur noch einmal zu versichern, dass der Tempel zu Ehren der Göttin Satet gebaut werde. Tamit und Ti, die beiden Schwestern, die als Gäste des Gouverneurs die Gesellschaft von Chunes und seinem Vater genossen und auf die Rückkehr der königlichen Barke gewartet hatten, stiegen an Bord. Tamit brachte für ihren zukünftigen Gemahl Gold und Edelsteine, die ihr Vater aus seiner Schatzkammer geholt hatte, als Brautgeschenk mit.
Auch in Karnak wurde noch einmal Halt gemacht, und Amenhotep brachte seinem Vater Amun Opfergaben dar.
Die Fluten des Flusses trugen die königliche Barke und die zwei Boote mit den Gästen des Pharaos und den Dienern unter dem Schutz von Hapi heimwärts. Nur abends, wenn Re hinter den westlichen Felsen verschwunden war, legten sie an, um den Morgen abzuwarten. Doch sobald Re wiedergeboren war und die Felsen im Morgenlicht hell erleuchtete, hoben sie wieder ab.
Als sie Memphis erreichten, verbreitete sich die Nachricht von ihrer Rückkehr wie ein Lauffeuer. Der Lärm der Bevölkerung drang bis in den Palast. Teje, die den Jubel richtig deutete, nahm ihre beiden Kinder und stürmte zur Anlegestelle, hinter ihr die beiden Mütter und der ganze Hofstaat. Nachdem die Landungsbrücke angelegt war, schritt Amenhotep, wieder gekleidet in seinen königlichen Gewändern, ans Land. Teje verneigte sich ehrerbietig vor ihm, der Pharao streckte seine Arme aus und drückte sie liebevoll an seine Brust.
Bald nach der Rückkehr lud Chunes seinen Vorgesetzten und Freund Eje zum Essen in sein Haus, vor allem, um ihm seine Schwägerin vorzustellen.
„Fühlst du dich nicht einsam in deinem Haus?“, fragte er Eje. „Du bist nicht verheiratet, hast nur einen einzigen Diener. Hast du kein Verlangen nach einer Frau in deinem Haushalt?“
Für Eje kam diese Frage überraschend. Seine heimliche Liebe galt nach wie vor Teje. Ans Heiraten hatte er noch nicht gedacht.
„Ich fühle mich ohne Frau ganz wohl in meiner Haut“, log er, obwohl er dabei dachte, wie herrlich es wäre, mit einer Frau wie Teje zusammen leben zu können.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön das Eheleben ist“, schwärmte Chunes. „Seit Tamit bei mir ist, bin ich ein anderer Mensch geworden. Tamit ist nicht nur schön und fröhlich, sie ist auch klug und lieb. Und ihre Schwester gleicht ihr in all ihren Tugenden. Ich wüsste für dich keine bessere Frau und für sie keinen besseren Mann.“
Teje musste zugeben, dass ihm Ti ganz gut gefiel.
„Es ist ja nicht so, dass Ti uns stören würde. Aber du verstehst sicher, dass Tamit und ich...“
„Ja, ja, ich verstehe. Ihr möchtet in eurem jungen Glück nicht stets auf Ti Rücksicht nehmen müssen“, antwortete Eje.
„Es ist auch für sie besser, wenn sie nicht täglich unser Glück vor Augen hat, das ihr selber noch nicht zuteil wird. Du brauchst sie ja nicht gleich zu deiner Frau zu nehmen. Sie könnte dir vorerst einmal den Haushalt machen. Und ich verspreche dir, ich kenne keine bessere Köchin.“
„Gemach, gemach, mein Freund. Du weißt ja noch gar nicht, ob sie auch will“, gemahnte Eje.
„Du brauchst sie ja nicht gleich mitzunehmen. Besuch uns doch öfter. Dann lernt ihr euch besser kennen.“
Eje kam in den folgenden Wochen der Aufforderung seines Freundes häufig nach. Und tatsächlich begann in ihm das Verlangen nach der jungen und schönen Ti aufzukeimen. Doch hütete er sich noch, sie zu sich in sein Haus zu nehmen, würden sie doch dann schon als Eheleute gelten.
Mit gemischten Gefühlen erfuhr Teje eines Tages doch von Eje, dass er die junge Ti in sein Haus genommen hatte. Es gab ihr zwar einen kleinen Stich ins Herz, andererseits war sie froh, dass Eje nun eine Frau hatte. Das gab ihr auch einen gewissen Schutz vor dem Gerede, das bei Ejes Besuchen aufkommen könnte.
Fast zur gleichen Zeit wurden die beiden Schwestern schwanger. Als erste gebar Ti eine Tochter – Mutnedjemet.
Zwei Wochen später erwartete auch Tamit ihre Niederkunft.
Chunes war gerade von der Kaserne zurückgekehrt, als die Wehen begannen. Er ließ die Hebamme kommen, die kurze Zeit später eintraf. Dann, als er Tamit in guter Obhut wusste, eilte er zu Ejes Haus. Ti hatte gerade die kleine Mutnedjemet an ihrer Brust gesäugt und wiegte das Kind noch in ihren Armen, bevor sie es in die Wiege legen wollte. Da trat Chunes herein und verkündete die Nachricht. Hoch erfreut, dass ihre Schwester auch bald das Mutterglück erfahren durfte, begleitete sie mit dem Kind auf dem Arm und mit Eje den Schwager, um bei der Geburt dabei zu sein und helfen zu können.
Auf einem Tischchen hatte die Hebamme eine Geburtshelferkröte aus Keramik hingelegt. Sie stellte Heket, die Göttin der Geburt dar und sollte der Gebärenden beistehen und zu einer leichten Geburt verhelfen.
Chunes und Eje hielten sich in einem Nebenraum auf. Anders als bei der Geburt eines königlichen Kindes, wo viele Zeugen dabei sein mussten, hatten hier die Männer nichts zu suchen.
Als die Abstände zwischen den Wehen immer kürzer wurden und Tamits Stöhnen in lautes Schreien überging, bekam es Chunes mit der Angst zu tun. Er schritt im Zimmer auf und ab. Eje versuchte ihn zu beruhigen. Bei Ti sei das auch so gewesen.
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