Sie kamen im Dorfzentrum an der Verteilstelle, am Pop Inn und an der Waschbärenstation vorbei und verließen das Dorf in nördlicher Richtung. Sie hörten schon den Fluglärm, den die Senkrechtstarter veranstalteten und er war beträchtlich, aber Albin bekam bei sich zu Hause nichts davon mit.
Gerade als sie am Flughafen ankamen, hob eine Maschine ab und stand wie ein riesiges lauerndes Insekt in der Luft, bevor sie zum Horizontalflug ansetzte, dazu konnte der Senkrechtstarter seine Düsen verstellen und der Maschine Vorschub geben. Diese Triebwerksverstellung vollzog sich natürlich nur langsam, bis die Maschine ausreichend Geschwindigkeit erreicht hatte und stabil flog, danach wurden die Düsen waagerecht gestellt. Tola und Albin gingen in das Abfertigungsgebäude und sahen an der Anzeigetafel, dass die gestartete Maschine nach Nieman flog, eine Stadt am Lugasee im Süden des Reiches, die wegen ihrer Seelage oft von Familien mit Kindern angeflogen wurde, weil man im Lugasee herrlich und gefahrlos baden konnte. In der Halle liefen einige Argin in Arbeitssachen herum, sie würden in die Maschine nach Barnadorf steigen, das am Fuße der Kikra-Berrge lag und wo sich das Zentrum der Rohstoffförderung befand. Tola und Albin schauten sich die Abflugzeiten am nächsten Tag an und sahen, dass um 10.45 h eine Maschine nach Enare ging, die würden sie nehmen. Sie müssten also nicht allzu früh aufstehen, könnten in Ruhe einen Gnoogle essen und Albin sich seinen Kaffee brühen. Die beiden verließen die Abfertigungshalle wieder und gingen zu Albin zurück. Als sie ins Dorf kamen, wirkte es wie ausgestorben, ein paar Waschbären stoben durch die Hauptstraße, sonst war nicht viel zu sehen.
„Am frühen Nachmittag legen sich die Argin sicher hin“, dachte Albin. Tola erwähnte aber:
„An diesem Nachmittag wird vor dem Palast ein kleines Volksfest gefeiert, mein Vater gedenkt seines füngfundzwanzigjährigen Thronjubiläums und hat die Dorfbevölkerung eingeladen, natürlich müssen wir auch dorthin.“ Albin verwies protestierend darauf, dass er zuerst noch seine Wanderschuhe ausziehen müsste. Aber Tola entgegnete:
„Stell Dich nicht so an, Dein Aussehen interessierte überhaupt niemanden, wichtig ist nur Dein Erscheinen auf dem Fest.“ Albin nahm seine Flasche und trank einen Schluck Schnaps, bevor er sie an Tola weiterreichte und auch sie einen Schluck Schnaps nahm. Plötzlich ging Albins Handy und Nerma rief an, sie sagte: „Am am nächsten Tag fliegen wir um 10.45 h nach Enare ab und wir treffen uns um 9.30 h bei Dir.“ Albin sagte, dass er verstanden hätte und beendete das Gespräch wieder. Tola und er marschierten strammen Schrittes zum Palast, sie liefen einmal quer durchs Dorf und kamen zwanzig Minuten später dort an. Auf dem Schlossplatz war das gesamte Dorf versammelt, Schießbuden waren aufgebaut, es gab Getränkestände, an denen man die erlesensten Schnäpse trinken konnte, es gab ein Kettenkarussell und sogar eine kleine Achterbahn war aufgebaut. Auf einer Bühne machte eine Band Musik, sie hatte eine Sängerin und wenn Albin allein gewesen wäre, so hätte er sich vor ihr die Ohren zugehalten, so schrecklich fand er ihren Gesang. Tola forderte Albin auf, vor der Bühne stehen zu bleiben und der Musik zuzuhören.
Eine schlimmere Folter hätte sich Tola nicht einfallen lassen können, fand Albin und verzog sein Gesicht, als die Sängerin in einer Passage ihre Vortrages sehr hoch sang und die Tonhöhe kaum halten konnte. Endlich ging Tola weiter, nachdem sie eigentlich noch mit Albin tanzen wollte, das aber zu seinem Glück ließ und stattdessen mit ihm zum Getränkestand ging. Albin bestellte zwei große Schnäpse und als er Tola zuprostete, wurde er mit einem Mal angestoßen, und hinter ihm standen Nerma und Tabor. Albin bestellte gleich noch zwei Schnäpse, sie standen zu viert an der Theke und Nerma fragte:
„Wo werden wir Morgen um diese Zeit wohl sein?“
Nachdem sie ihre Schnäpse getrunken hatten, gingen sie zum Schießstand und jeder musste auf eine Scheibe schießen und das Schwarze treffen. Aber nur Tabor schaffte es, überhaupt die Scheibe zu treffen, alle anderen schossen Fahrkarten. Enttäuscht liefen sie zum Kettenkarussell und drehten mit ihm ein paar Runden. Die einzige Sicherung, die man gegen das Herausstürzen hatte, war eine Kette über dem Schoß, man wurde aber bei der großen Drehgeschwindigkeit in den Sitz gepresst und saß schon allein deshalb relativ sicher. Nachdem das Karussell ungefähr zehn Runden gedreht hatte, wurde es abgebremst, und als es zum Stillstand gekommen war, stiegen alle wieder von ihren Sitzen ab.
Mit einem Mal entstand eine Ruhe auf dem Schlossplatz, und als Albin sich umsah, um den Grund für die plötzliche Stille herauszufinden, sah er, dass König Joda auf der Bühne am Platz das Mikrofon von der Sängerin übernommen hatte und im Begriff war, eine Rede zu halten. Tola fand, dass er gut aussah, wie er da stand und mit ganzer Fassung auf sein Volk blickte. Sie ging mit den anderen dreien näher an die Bühne heran, um ihn besser sehen zu können. Nachdem er seine Untertanen, die sie in Wirklichkeit nicht waren, begrüßt hatte, kam er gleichauf den Anlass des Festes zu sprechen und sagte:
„Mit diesem Tag bin ich seit fünfundzwanzig Jahren König der Argin“, und es brach in der versammelten Menge ein Jubel los, dem der König nur durch eine bestimmende Geste Einhalt gebieten konnte. Er setzte seine Rede mit einem Überblick über seine Zeit als König fort und hob hervor, dass es in seiner Regierungszeit Höhen und Tiefen gegeben hatte.
„Ein absolutes Tief war natürlich der schreckliche Tod der Königin gewesen, den sicher noch Viele im Gedächtnis haben.“ Aber zum Glück würden die positiven Seiten überwiegen:
„Ich habe alles in allem glückliche Jahre hinter mir und möchte betonen, wie schön ich mein Leben mit meiner Tochter gefunden habe, die in den nächsten ein bis zwei Jahren Königin werden soll.“ Wieder tobte die Menge, dieses Mal gab es frenetischen Beifall, viele waren außer sich, keine Frage, König Joda wurde von allen gemocht und Tola erst recht. Tola blickte verlegen zur Seite und winkte ihren Bewunderern zu, als König Joda zum Schluss seiner Rede kam.
„Ich bin nun doch in die Jahre gekommen“, was man ihm wie allen Argin nicht ansah, „und ich denke ans Aufhören. Ich kann mir für den Rest meines Lebens vorstellen, viel zu wandern und vielleicht zu angeln, wozu ich während der letzten Jahre überhaupt nicht gekommen bin. Auf jeden Fall will ich viel reisen, und vielleicht lässt sich ja die eine oder andere Reise mit meiner Tochter durchführen.“ Noch einmal erschallten Beifallsstürme, und Tola winkte den Umstehenden zu. König Joda dankte für die Aufmerksamkeit und wünschte allen noch ein schönes Fest, er überließ der Sängerin wieder das Mikrofon, und die legte gleich wieder los und kreischte für die Ohren Albins ein fürchterliches Zeugs daher, die anderen waren aber angetan von ihrer Musik und wippten mit. Die vier tranken noch einen Schnaps und gingen anschließend zu Tabor, wo sie zwei frisch gepackte Rucksäcke und zwei Paar geputzte Wanderschuhe vorfanden. Tola und Albin mussten zugeben, noch nicht gepackt zu haben und hielten sich nicht allzu lange bei Nerma und Tabor auf, sie liefen zu Albin und kurze Zeit später verabschiedete sich Tola von Albin bis zum nächsten Morgen. Albin ging daran und packte ein paar Sachen für die nächsten vier Tage zusammen, da es warm in Enare war, brauchte er nicht so viel. Das, was er packte, waren im Wesentlichen Unterhosen und Strümpfe, er hatte sich an der Verteilstelle zwei Togen geholt, Tabors hatte er ihm längst zurückgegeben.
Eine Toga würde er immer durchwaschen und die andere tragen, während die Gewaschene trocknete. Er nahm ein Schweizer Messer, Waschzeug, Handtücher und sein E-Book mit, seine Wanderschuhe hatte er ausgezogen und neben den Rucksack gestellt. Er merkte auch nicht die kleinste Druckstelle an den Füßen, rief aber vorsichtshalber Tola noch an, damit sie Blasenpflaster mitnähme. Albin trank noch einen Saft und ging früh schlafen, es war nicht so, dass er sehr erschöpft war, aber er wollte ausreichend geschlafen haben, wenn sie ihren Wandertag begännen. Er machte sich frisch, zog die Gardinen zu und legte sich auf sein Bett, zunächst wieder auf den Rücken, um nachzudenken, er drehte sich aber danach auf die Seite und schlief gleich ein. Obwohl es nicht dunkel war, hatte er mit dem Einschlafen keine Schwierigkeiten, viele Menschen ließen bei sich ja die Rollos herunter, um ihr Schlafzimmer entsprechend zu verdunkeln. Am nächsten Morgen stand Albin um 8.00 h auf, was eine absolut vertretbare Zeit war, er duschte und zog sich an. Er ging nach draußen zum Gnoogle-Fach und holte sich die vier Nahrungswürfel, die er dort vorfand, drei steckte er in seinen Rucksack und einen nahm er zum Frühstück. Danach begann die Kaffeezubereitungszeremonie:
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