„Du kannst mich ja begleiten und wir werden uns gemeinsam nach seinem Befinden erkundigen“, ergänzte sie. Albin erzählte, dass er auf dem Rückweg von der Verteilstelle bei Tabor vorbeigegangen wäre und drei Schnäpse mit ihm getrunken hätte, er hätte sie nicht gespürt und keinerlei Anzeichen von Betrunkenheit davongetragen.
„Also bist Du jetzt ein Argin“, sagte Tola und bat Albin um einen Schnaps, er könnte ja gleich noch einen Schnaps mit ihr trinken, foderte Tola ihn auf und Albin überlegte, ob das nicht zu viel wäre, ging aber ins Haus und holte die Schnapsflasche und zwei Gläser.
Er schüttete zuerst Tola und danach sich einen Schnaps ein und stieß mit ihr an. Wieder nippte er zunächst an dem starken Getränk, Tola hatte ihren Schnaps längst getrunken, als er den Rest aus seinem Glas hinunterkippte. Obwohl er mittlerweile fünf Schnäpse intus hatte, spürte er keinerlei Wirkung, er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, dass er jetzt zum Schnapstrinker geworden war, aber wenn der Schnaps nicht auf die herkömmliche Weise seine Wirkung tat, sähe er darin eigentlich kein Problem. Er beließ es aber bei seinem fünften Schnaps und lief mit Tola zu ihrem Vater. Sie kamen wieder an der Palastwache vorbei, und als sie sich anschickte, militärisch zu grüßen, befahl Tola ihnen, zu rühren und sie nahmen wieder ihre Normalhaltung ein. König Joda kam den beiden schon entgegen und fühlte sich sichtlich wohler als in den Tagen davor mit quälenden Magenschmerzen. Er bergüßte Tola und Albin und bat sie in den Salon, ließ Getränke bringen und erzählte, wie ihn der Arzt untersucht und „Heliobacter Pylori“ diagnostiziert hatte. Er hätte ihm daraufhin Tabletten verabreicht, und gleich wäre es ihm besser gegangen. Albin sagte, dass ihn früher auch schon einmal dieses Bakterium geplagt hätte und ihm ebenfalls mit Tabletten sofort geholfen worden wäre. Tola erzählte ihrem, Vater:
„In drei Tagen wollen wir an den Sulara fliegen und dort wandern, Albin und ich werden von Nerma und Tabor begleitet.“ Joda entgegnete:
„Früher, als Deine Mutter noch gelebt hatte, sind wir auch an den Sulara geflogen und haben Wanderungen in der Weingegend unternommen.“ Sie hätten richtig weite Strecken zurückgelegt und er hätte Tola immer auf seinem Rücken getragen. Tolas Mutter wäre damals bei einem schrecklichen Unfall im Sulara ertrunken, als sie alle mit der Fähre über den Fluss gesetzt hätten und sie von Bord ins Wasser gefallen wäre. Da der Fluss an der Stelle sehr reißend war und sie niemand bemerkte, sie eine schlechte Schwimmerin war und niemand sie rettete, ertrank sie, ihre Leiche wurde erst Stunden später flussabwärts angetrieben.
„Die Trauer über den Tod der Königin war im Arginreich sehr groß, sie wurde wegen ihrer weitherzigen Art von allen gemocht, von manchen sogar vergöttert“, fuhr er fort. Auch Joda war am Boden zerstört und kam lange Zeit über den Tod seiner Frau nicht hinweg. Tola war damals noch zu klein, sie hatte das alles gar nicht richtig einordnen können, was da an Schrecklichem passiert war.
„Wir waren in Enare gewesen“, sagte Joda, „da wo Du Deine Wanderung unternehmen willst, wir waren auf der Fähre gewesen, und ich weiß bis heute nicht wie es passieren konnte, dass Deine Mutter von der Fähre in den Fluss fallen konnte!
Dass sie keine gute Schwimmerin gewesen war, war ihr großes Manko, das sich bei Tola so schnell nicht einstellen könnte, denn ich habe dafür gesorgt, dass seine Tochter früh schwimmen konnte.“
Joda hatte sich nie wieder mit einer Frau zusammengetan, er glaubte lange Zeit, seiner so sehr von ihm geliebten und auf so tragische Weise umgekommenen Frau das nicht antun zu dürfen.
Tola sagte, dass sie froh wäre, ihren Vater wieder so guter Dinge zu sehen, sie freute sich für ihn, dass er seine Magenprobleme im Griff hätte und wünschte ihm, dass das so bliebe.
Sie forderte Albin auf, mit ihr zu gehen und sie verließen den Königspalast wieder, der lange Jahre ihre Heimat gewesen war und in den sie, wenn sie Königin wäre, wieder einzöge.
Tola und Albin liefen nach Hause zurück und kamen bei Tabor vorbei, sie fragten von der Straße aus:
„Hast Du schon Deine Wandersachen zusammengelegt?“ und Tabor, der mit Nerma draußen bei sich saß, antwortete, dass er das schnell erledigt und noch Zeit genug dazu hätte. Sie gesellten sich aber nicht zu ihnen, sondern liefen zu Albin weiter. Albin sagte:
„Ich freue mich schon auf meine Bilder, die am nächsten Morgen geliefert werden“, er fragte Tola, ob er von ihr einen Hammer und Stahlnägel bekommen könnte und Tola antwortete:
„Ich glaube, dass ich so etwas in meinem Werkzeugbestand habe, ich werde Dir die Sachen Morgen mitbringen.“ Daraufhin gab sie Albin einen Kuss und verabschiedete sich von ihm bis zum nächsten Tag, sie wollte beim Bilderaufhängen helfen. Albin ging ins Bett, er war müde geworden und hatte in der letzten Zeit so viel nicht geschlafen, er hatte Nachholbedarf. Er stand am nächsten Morgen vollkommen ausgeschlafen und entspannt auf und zog die Gardinen zurück, die Sonne schien in sein Schlafzimmer, und es versprach, wie immer seit er im Arginreich war, ein schöner Tag zu werden. Er duschte, zog sich an und ging nach unten, holte sich einen Gnoogle aus dem Fach an der Tür, schüttete sich einen Saft ein und setzte sich in seinem Vorgarten an den Tisch, wo er in aller Ruhe frühstückte. Es machte ihm überhaupt nichts aus, sich mit einem Gnoogle zu bescheiden und kein Brötchen zu haben, er hatte sich schon an die Nahrungswürfel gewöhnt und vermisste auch zu den anderen normalen Mahlzeitterminen nichts. Die Gnoogles enthielten alles, was der Körper brauchte, man brauchte darüber hinaus keine weitere Nahrung, sicher fehlte das Gemütliche und Kommunikative einer herkömmlichen Mahlzeit, aber das stellte sich bei anderen Gelegenheiten ein. Den Argin taten die Gnoogles ganz offensichtlich gut, sie fühlten sich gut und klagten über keinerlei Krankheitserscheinungen, sie sahen durchweg gut aus und hatten eine gesunde Gesichtsfarbe, ihr Haar war voll und sie waren von großem Körperwuchs.
Aber das, was bei den Argin am meisten ins Auge stach, war die Tatsache, dass sie äußerlich nicht alterten und ein Lebensalter erreichten, von dem andere nur träumen konnten, die Menschen ohnehin. Tola hätte bei den Menschen gut als Model durchgehen können, ihr Körperwuchs hatte ein Ebenmaß, wie es eben nur Models hatten, und auch Tabor war geradezu ein Schönling, die beiden wussten, dass sie gut aussahen wie auch Nerma, aber sie sahen darin nichts Besonderes, weil alle Argin so gut aussahen. Während Albin so bei seinem Frühstück sinnierte, erschien plötzlich Tola:
„Guten Morgen Albin“, rief sie fröhlich. Albin sagte ihr wie schön sie doch wäre und gab ihr einen Kuss. Zu der äußeren Schönheit kam bei den Argin die Intelligenz, diese Paarung traf bei ihnen durchweg zu. Albin ging ins Haus und holte Tola einen Saft, er fragte sie vorher:
„Oder willst Du lieber einen Schnaps?“, aber Tola bevorzugte einen Saft. Albin musste daran denken, was es für ein Unding gewesen wäre, wenn er in Kregelbach zum Frühstück einen Schnaps getrunken hätte, aber der Schnaps spielte bei den Argin ja eine ganz andere Rolle. Mit einem Mal hielt ein Elektrokarren vor Albins Haus, er kam von der Verteilstelle und der Lieferant brachte die bestellten Bilder, er ließ sich die Übergabe bestätigen und fragte:
„Wohin soll ich die Bilder bringen?“ Die Bilder waren alle in einer blauen Folie verschweißt und man konnte ihre unterschiedliche Größe erkennen, das kleinste Bild, der Strand von Degas, verlor sich beinahe neben den größeren Bildern, von denen der Renoir alle überragte.
Albin sagte dem Mitarbeiter der Verteilstelle:
„Ich helfe Dir, die Bilder ins Wohnzimmer zu tragen, sie sind ja nicht schwer.“ Bei dem großen Renoir sollten sie vielleicht gemeinsam anpacken, damit er nicht beschädigt würde. Im Nu standen die Bilder in Albins Haus, und er bedankte sich bei dem Lieferanten, er bot ihm etwas zu trinken an, und der Lieferant trank einen Schnaps auf ex und fuhr wieder ab. Albin stand mit Tola vor den acht Gemälden, die alle von der Verteilstelle in einen neutralen Rahmen gefasst worden waren, und sie entfernten die blaue Folie. Albin stellte das große Bild vor die leere Wohnzimmerwand und postierte die anderen locker im Raum, vor die Couch, vor den Tisch und vor die anderen Wände, den kleinen Degas stellte er auf den Couchtisch vor eine Blumenvase. Tola hatte den Hammer und die Stahlnägel mitgebracht und Albin begann, den Renoir an die leere Wand zu bringen. Er richtete ihn zunächst aus und Tola musste sagen, ob er gut hing, er bewegte das Gemälde so lange, bis sie ihr Okay gab. Danach markierte Albin die Position mit einem Bleistift und schlug mit beherzten Schlägen die Stahlnägel in die Wand. Ein versetzter Schlag und der Nagel wäre abgebrochen, Albin konzentrierte sich beim Schlagen.
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