Ich sank hilflos kichernd zu Boden und wischte mir die Augen. Bettina kam angesprungen und versuchte mir aufzuhelfen. Brandes war plötzlich auch da. „Hat er Sie geschlagen?“ Das hättest du wohl gerne...
„Was? Aber nein, ich musste nur so furchtbar lachen... Gott, ist der blöde! Soll ich ihn bei der Chefin verpetzen? Ach, was soll´s!“ Ich konnte mein Kichern schon wieder nicht mehr unterdrücken.
„Wenn du in Zukunft immer einen Lachkrampf kriegst, wenn du ihn siehst, haben wir doch schon viel erreicht...“
Brandes sah verständnislos drein, aber das war mir egal. „Göttlich“, keuchte ich und kopierte schnell fertig, während Bettina mir zuflüsterte: „Hast du gesehen, er hat jetzt eine andere Tasche, so ein Plastikding – der Räucherhering scheint gewirkt zu haben.“
Das brachte mich nur noch mehr zum Lachen.
Vielleicht war es ganz gut, dass ich am Freitag keine Freistunden hatte, sonst hätte ich wahrscheinlich wieder bei Holzners Anblick hysterische Anfälle bekommen. So absolvierte ich meine Stunden einigermaßen mit Stil, erklärte zum hundertsten Mal, dass ich nicht beim Friseur gewesen war, gab der ganzen Bande ordentlich etwas auf und verzog mich dann ins Wochenende.
Schon wieder zweieinhalb freie Tage – und ich hatte nichts zu korrigieren! War das nun gut oder würde mich das wieder zur zum Nachgrübeln anregen, Nachgrübeln darüber, womit ich eigentlich so unzufrieden war? Nun, zuerst kümmerte ich mich mal um die Wohnung und kaufte fürs Wochenende ein. Die Stunden für die kommende Woche sollten auch noch vorbereitet werden, einige Arbeitsblätter könnte ich noch basteln – und Brandes immer eine Kopie ins Fach legen, er würde es noch bereuen, dass er sie kontrollieren wollte. In Papier ersticken sollte er!
Befriedigt packte ich meine Tasche für Montag und kochte mir dann eine Tütensuppe. So gut kochte ich nun auch nicht, wie ich es Holzner gegenüber behauptet hatte. Nähen konnte ich aber wirklich, allerdings hatte ich meine Nähmaschine vor zwei Jahren Bettina geliehen, die sie dringender brauchte.
Feierabend!
Ich setzte mich auf den Boden und schaltete den Fernseher ein. Oh, gut, ein klassischer Freitagskrimi. Die übliche Haushälterin hatte den üblichen Toten in der üblichen Villa gefunden und alle – den triefäugigen Oberinspektor eingeschlossen – wiederholten jede Aussage ad infinitum . Nur so konnte der poplige Fall eine Dreiviertelstunde dauern. Bestimmt war´s der dubiose Geschäftspartner, der hatte das beste Alibi... Jacques Breuer, wie immer.
Mittendrin läutete es an der Tür. Nein, nicht im Krimi, in echt. Ich erschrak richtig: Hatte es bei mir schon jemals geläutet – abgesehen von den Zeugen Jehovas? Wer konnte das sein? Ich linste durch den Spion und riss dann die Tür auf.
„Neil! So eine Überraschung! Komm doch rein!“
„Hab ich dich beim Fernsehen gestört? Tut mir Leid.“
Er setzte sich schon bereitwillig, um mitzugucken. „Willst du was trinken?“
„Hast du ein Bier?“
„Ja... noch nicht mal abgelaufen. Hier!“
Ich reichte ihm Flasche und Glas. Er schenkte sich ein und trank durstig, ohne den Blick vom Bildschirm zu lassen. Hatte man ihm den Fernseher gepfändet? „Was liegt denn an? Du bist doch sicher nicht zum Fernsehen gekommen, oder?“
Er lächelte mich liebevoll an. „Karen, du änderst dich nie. Alles muss einen Zweck haben, ja?“
„Naja... Bist du zufällig in der Gegend und mein Klingelschild hat hier geschrien?“
„Nicht ganz. Ich wollte dich mal wieder sehen. Wie geht´s dir so?“
< xml:lang="EN-GB">„Danke, gut! Thank God it’s Friday, you know ? “
Er lachte. „Stimmt, du bist ja jetzt berufstätig. An welcher Schule eigentlich?“
„Leo. Und wie geht´s dir so?“
Das interessierte mich wirklich. Als wir uns getrennt hatten, waren wir beide fast fertig gewesen, und das war sieben Jahre her.
„Hm... ich promoviere, bei Stahlmann.“
„Immer noch? Das hattest du doch vor sieben Jahren schon vor?“
„Ich bin bald fertig, nach dem nächsten Semester bestimmt.“
„Wie alt bist du jetzt? Einunddreißig?“
„Zweiunddreißig. Noch nicht vergreist! Sei nicht so streng mit mir!“ Er sah mir tief in die Augen. Was sollte das werden? Eine aufgewärmte Affäre? Hatte seine Freundin heute etwas Besseres vor?
„Sag mal, willst du mich hier anbaggern?“ Ich lachte spöttisch, um zu zeigen, dass ich das nicht wirklich glaubte.
Er grinste kurz. „Vielleicht?“
„Wie geht´s deiner Freundin – Hella, nicht?“
„Hella ist schon lange passé. Zurzeit bin ich solo...“
Wieder ein tiefer Blick aus seinen braunen Augen. Sooo treuherzig! Wie bei Fabian aus der Kollegstufe. Ich musste lachen.
„Was ist?“
„Du erinnerst mich an einen meiner Schüler. Der guckt auch so Mitleid heischend, wenn er nichts gelernt hat...“
Neil rückte beleidigt ein Stückchen zur Seite, dann überlegte er es sich wieder anders und legte mir einen Arm um die Schulter. Der wollte tatsächlich was von mir! Das musste ich mir näher angucken! „Also – und nun reaktivierst du die abgelegten Damen?“
„Aber nein! Wir haben uns doch immer gut verstanden, oder? Ich wollte dich einfach gerne mal wieder sehen...“
Noch ein treuer Blick, der immer näher kam. Ach, warum eigentlich nicht? Vielleicht war es ja das, wonach ich mich sehnte. Als er mich küsste, erwiderte ich seinen Kuss nachdenklich. Ja, schon recht nett, wirklich. Der nächste Kuss fiel schon etwas intensiver aus. Er sah mich forschend an. Ich gab den Blick entsprechend zurück.
„Komm, der Boden ist so hart!“
Er zog mich hoch und nahm mich fest in die Arme, bevor er mich noch einmal küsste. Seine Hände auf meinem Rücken – nein, das war schon eher mein Hintern – waren immer noch vertraut. Ich ließ meine Hände ebenfalls ein bisschen wandern und spürte sofort die Wirkung. Zweiunddreißig, ja, aber noch nicht tot... Gar nicht tot.
Dumm war er nicht, obwohl er noch nie hier war, wusste er, wo das Schlafzimmer war, und dirigierte mich sacht dorthin. Mittlerweile war die Stimmung schon etwas hitziger geworden; sobald wir aufs Bett gefallen waren, wühlten wir uns gegenseitig hastig aus unseren Klamotten und sahen uns schwer atmend an, bevor Neil sich über mich beugte. Er küsste kurz meine Brüste und kam dann zur Sache, nachdem er noch schnell ein Kondom aus seiner Jacke gefischt hatte - offenbar allzeit bereit!
Als er in mich eindrang, keuchte ich erfreut auf. Schon ganz schön lange her... Dann schlang ich meine Beine um seinen Rücken wie früher und ließ mich auf den Rhythmus ein, der sich allmählich steigerte. Natürlich kam er vor mir – nichts hatte sich geändert. Doch, er machte noch ein bisschen weiter, bis ich ebenfalls zum Orgasmus kam. Hatte diese Hella ihm das beigebracht? Ich sollte mich direkt bei ihr bedanken, überlegte ich vage. Neil lag nun neben mir und starrte an die Decke. Schon ein gutes Gefühl, hinterher, überlegte ich. Aber das war es nicht gewesen, wonach ich mich sehnte. Ich bräuchte jemanden, der mich hinterher im Arm hielt – aber nicht Neil... „Schöne Wohnung“, murmelte er nachdenklich.
Oha! Wollte er hier einziehen? Kam ja gar nicht in Frage!
„Danke“, antwortete ich misstrauisch.
„Hast du auch ein Arbeitszimmer?“
„Sicher. Gegenüber.“
Er sprang aus dem Bett und lief hinüber. Ich sah ihm nach. Immer noch eine gute Figur, vielleicht etwas fester um die Hüften als früher. Dafür auch breiter in den Schultern... Er konnte sich noch sehen lassen.
„Superrechner“, stellte er lakonisch fest, fiel wieder ins Bett und schlang den Arm um meine Schulter.
„Den brauch ich selbst“, war meine ungnädige Antwort. Neil lieh sich gerne etwas aus, und man sah es meistens ewig nicht wieder – wenn überhaupt.
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