Elisa Scheer - Eine böse Überraschung

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Damit hätten sie nicht gerechnet: Henriette und einer ihrer Brüder schauen zu, wie ihr heruntergewohntes Elternhaus abgerissen wird. Sehr interessant – vor allem, als sich im Kellerboden Teile eines menschlichen Skeletts finden!
Wer war das zu Lebzeiten und warum wurde er getötet und vergraben? Was hat die WG damit zu tun, die sich Anfang der Siebziger in dem damit völlig überforderten Häuschen etabliert hatte? Und was möglicherweise Lars Maybach, der das Grundstück gekauft hat, um es zeitgemäßer zu bebauen? Allerdings war der zur Zeit des Mordes noch nicht einmal geboren.
Felix Marquart und sein Team tauchen tief in die Vergangenheit ein und müssen dabei feststellen, dass viele der Beteiligten entweder tot sind oder sich nur noch vage erinnern können. Und dann wird jemand von den damaligen WG-Bewohnern ermordet… Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich und auch Henni und Lars kommen sich beim Nachdenken über das uralte Mysterium langsam näher…

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Elisa Scheer

Eine böse Überraschung

Kriminalroman

Alles frei erfunden!

Imprint

Eine böse Überraschung. Kriminalroman

Elisa Scheer

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2017 Elisa Scheer/R. John (85540 Haar)

www.elisa-scheer.de

ISBN 978-3-7450-1568-3

1

Als ihr Handy brummte, warf Henriette einen eher desinteressierten Blick auf das Display. Ach?

„Willi! Was gibt´s, dass du mich in der Arbeit anrufst?“

„Weißt du, was morgen Nachmittag passiert?“

„Was denn?“

„Der Abbruch beginnt! Ich dachte, wir wollten zusehen?“

„Au ja! Wann genau?“

„Um zwei, glaube ich.“

„Super! Ich hab noch was abzufeiern, ich bin um zwei dort. Was ist mit Ulli und Luggi?“

„Der Ulli ist in München und der Luggi auf einem Kongress in Villingen. Irgendwas über Hautkrankheiten, er hat´s wahnsinnig wichtig gehabt. Wir sollen Fotos machen.“

„Heißt das, mich rufst du als letzte an? Willi, ich bin enttäuscht vor dir!“

Willi lachte nur. „Wieso, bei dir weiß ich doch eh, dass du danach fieberst zu sehen, wie sie die Hütte einreißen. Du könntest Prosecco und zwei Gläser mitbringen.“

„Und du zwei Klappstühle. So schnell wird es wohl nicht gehen, schließlich müssen die das doch sortenrein machen, oder?“

„Na, beim Sortieren müssen wir dann ja nicht mehr zusehen. Mehr beim Zerstörungswerk.“

Henni musste auch lachen. „Sind wir Rabenkinder, dass wir begeistert zusehen, wie unser Elternhaus dem Erdboden gleichgemacht wird?“

„Komm, jetzt mach keinen auf pietätvoll. Die Hütte ist doch der letzte Graus. Erinnerst du dich an diese Heizung?“

„Welche Heizung? Sag bloß, man konnte das Haus tatsächlich heizen? Ich habe nie wieder so gefroren wie damals.“

„Ja, und immerzu kalt duschen.“

„Und dann das Bad aufwischen, weil wir es nie zu einem Duschvorhang gebracht haben.“

„Mit der Hand abspülen, wegen der alten Leitungen.“

„Porzellansicherungen aus dem vorvorigen Jahrhundert, die dauernd rausgeflogen sind. Wenn wir damals schon so viel mit dem Rechner gemacht hätten, wären wir wahrscheinlich wahnsinnig geworden!“

„Waren nicht auch die Wände oben leicht feucht? Womit hatten sie diese Hütte damals wohl isoliert?“

„Gar nicht, vermute ich mal.“

„Nein“, überlegte Willi, „irgendwelchen Mist müssen die sogar damals in die Wände gestopft haben. Wann wurde die Bruchbude gebaut, 38, oder?“

„Stimmt. Hat Papa nicht immer was von Friedensware gesagt?“

„Papa hatte von Geschichte keinen Schimmer. 38 war der Krieg schon längst geplant, da haben sie garantiert nur noch zweitklassiges Zeug freigegeben und den Rest für kriegswichtige Projekte reserviert.“

Willi liebte historische Dokumentationen, wie sie auf bestimmten Sendern praktisch rund um die Uhr liefen – und da neunzig Prozent dieser Dokumentationen aus dem Bereich „Geheimnisse des Dritten Reiches“ stammten, wusste er mittlerweile nahezu alles über die Finanzen der Nazis, ihre Wirtschaft, ihre Geheimwaffen, den Berghof, Hitlers Frauen (oder eher nicht?), Nazibauten und das Kriegsende in Farbe. Henni hatte, wenn sie beim Zappen auf so etwas stieß, immer das Gefühl, genau diese Doku schon einmal oder gar mehrfach gesehen zu haben. Sie zog BBC-Serien vor und war bei einem Streaming-Portal abonniert. Nur keinen Kram anhäufen!

„Pass auf, Willi“, sagte sie nach einem Blick auf ihr Handgelenk, „ich muss hier mal weiter machen. Also morgen um zwei?“

11:25, 4329 Schritte, Puls normal, Blutdruck niedrig – so ein Fitnessarmband war eine praktische Sache, fand sie. Solange man nicht alle fünf Minuten alle Daten abrief und dann besorgt in sich hineinhorchte.

Sie würde jetzt mit diesem Entwurf in die Fertigung hinuntergehen und mal schauen, was der Chef dazu sagte!

Den Lärm in der Fertigung liebte sie, zeigte er doch, dass der Laden brummte, nicht nur ganz wörtlich genommen.

Der Fertigungschef war in seinem erhöhten Glasverschlag und hatte Zeit, als Henni die Treppe aus Eisengitter hinaufgestiegen war.

„Ja, das sieht gut aus… sind Sie sicher?“ Er deutete auf eine Berechnung am Rand.

„Ich habe es mehrfach überprüft, wir würden tatsächlich zwanzig Prozent Material einsparen – und Aussehen und Stabilität blieben gleich. Die Stabilität wäre sogar etwas besser, allerdings nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich.“

„Trotzdem sehr gut! Was sagen die anderen in der Entwicklung?“

„Wir haben die Idee gemeinsam entwickelt und an der Umsetzung gearbeitet. Wenn Sie uns die Genehmigung geben, stellen wir einige Probestücke her.“ Sie reichte ihm das Genehmigungsformular und der Fertigungschef unterschrieb.

„Schön wäre es“, regte er während des Schreibens an, „wenn Varianten im Design möglich wären. Sie wissen ja – unsere Kunden setzen sich gerne von der Konkurrenz ab.“

„Das dürfte gar kein Problem sein“, antwortete Henni und nahm ihm das Klemmbrett mit dem Formular wieder ab.

Die Leusch KG produzierte Bedienelemente für die Automobilindustrie – genau genommen lieferten sie allerdings zunächst an die Zulieferer im Bereich der Autoelektrik, die die Leusch-Knöpfe und Griffe mit der nötigen Verkabelung versahen. Immerhin, solange die Automobilindustrie boomte… und wenn eines Tages doch alle auf das Fahrrad umsteigen sollten, überlegte Henni auf dem Weg zurück in ihr Büro, gab es andere Geräte, die ebenfalls Bedienfelder brauchten, die elegant designt und materialsparend konzipiert waren.

„Und, was hat er gesagt?“, rief Anja, die gerade um ihr Zeichenbrett herumlugte.

„Grünes Licht – wir können Probestücke fertigen lassen.“

Allgemeiner Jubel. „Wusste ich´s doch“, verkündete Oliver, „wir sind einfach die Besten!“

Nach einem Gläschen Prosecco für jeden gingen sie gemeinsam daran, die Anweisungen für die Fertigung zu formulieren. Henni als Teamleiterin verteilte die Jobs und bis zum Abend hatten sie alles weitergeleitet. Kurz vor Arbeitsschluss kam der nächste Auftrag herein; Henni las ihn sich mit gerunzelter Stirn durch und warf das Blatt dann auf ihren Schreibtisch. „Leute, morgen ist auch noch ein Tag. Aber morgen muss ich mittags weg, sie reißen mein Elternhaus ab und das will ich sehen.“

„Ach, Henni“, seufzte Oliver, „du hast ja schon ein Gemüt wie ein Fleischerhund, was?“

Henni grinste breit. „Klar doch! Ich sag dir, ohne Sentimentalitäten ist das Leben viel leichter. Das Haus ist übrigens scheußlich, runtergewohnt und architektonisch eine Katastrophe. So ein Nazi-Siedlungsding.“

„Äh…“ machte Sandra und Henni lachte: „Das Wort zum Feierabend!“

2

Henni radelte nach Hause; da die Leusch KG in der MiniCity firmierte, hatte sie sich vor acht Jahren, als sie hier angefangen hatte, eine kleine Wohnung in Zolling gekauft, knapp eine Viertelstunde zu Fuß oder fünf Minuten mit dem Rad. Schließlich war sie zu Recht davon ausgegangen, dass nahezu alle Betriebe, die an einer Ingenieurin im Bereich Entwicklung Interesse haben konnten, in der MiniCity saßen. Da lag diese Wohnung unglaublich günstig.

Und schön war sie auch. Eher klein, aber unglaublich geschickt geschnitten, mit einer Luxusdusche, einer perfekten Küchenzeile und einer Regalsäule in der Mitte. Manchmal kam sie sich vor wie in einer Kabine auf der Enterprise. Neben der Tür zu dem winzigen Balkon stand die breite schwarze Lederliege, die tagsüber als Lümmelcouch und nachts, nach dem Ausrollen von Schlafauflage und Bettzeug, als unglaublich bequemes Bett diente.

Sie schloss die beiden Schlösser der Wohnungstür auf, tippte dann ihren Code ein und stieß die Tür auf. Eigentlich war das leicht paranoid, es gab hier gar nichts zu holen, aber diese Sicherungstechnik war – wie die Fensterschlösser (die im siebten Stock auch nicht so nötig waren) – schon drin gewesen.

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