1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Bettina und Holger gingen mit Katja und mir noch ins Salads & More , und mit vereinten Kräften überzeugten wir Katja davon, dass sie Holzners dumme Sprüche nicht ernst nehmen dürfe. „Holzner kann einen guten Lehrer nicht einmal erkennen, wenn er ihn in die Nase beißt. Er ist doch selbst total unfähig, und es wird immer ärger“, argumentierte ich.
„Und was den Draht zu den Schülern betrifft – ich höre nur Beschwerden über ihn“, ergänzte Holger und warf Katja einen beschützenden Blick zu. Na, vielleicht wurde das noch ganz nend?
Bettina erzählte, wie Holzner ihr kürzlich erklärt hatte, sie sei für ihre Fächer als Frau nicht geeignet, und da musste Katja dann doch endlich lachen. „Außerdem hat Holzner gar nichts zu sagen, die Chefin hasst ihn nämlich wie die Pest. Wenn er über dich meckert, kann das deine Beurteilung nur verbessern!“, versprach Holger.
„Übrigens kann Brandes ihn anscheinend auch nicht besonders leiden“, ergänzte ich.
„Ich weiß, warum“, warf Bettina ein, „Brandes hat doch die 11 a in Französisch - die hatte Holzner letztes Jahr, und er hat ihnen anscheinend überhaupt nichts beigebracht. Ich hab mal gehört, wie die sich gestritten haben...“
„Brandes streitet? Ich denke, der ist immer so obercool?“, wunderte ich mich.
„Ja, er war auch mehr eisig und verächtlich, Holzner hat rumgebrüllt, bis Brandes gesagt hat, dieses niveaulose Geplärre hört er sich nicht länger an.“ Ich grinste vor mich hin. Nicht schlecht, das war Holzner zu gönnen.
„Wir sollten ihm tatsächlich was antun, nur was?“
Katja lachte. „Machen wir eine Stoffsammlung, wie bei der Erörterung!“
Holger sah sie verliebt an, Bettina und ich versuchten mühsam, ernst zu bleiben: Süß waren die beiden!
„Abonnieren wir ihm irgendein Pornoheft – an die Schuladresse!“
„Lassen wir seine Schulaufgaben verschwinden!“
„Holger, du spinnst, das geht zu weit.“
„Werfen wir ihm irgendetwas Stinkendes in sein Fach.“
„Zucker in den Tank.“
„Ich könnte auch in seinen Tank pinkeln.“
„Genau – und alle Schüler hängen aus dem Fenster und schauen zu, ja?“
„Okay“, gab Holger zu, „das ist wohl doch keine so gute Idee.“
„Anonyme Zettel mit Terminänderungen in seinem Fach.“
„Schade, dass die Schulaufgabenpläne schon fertig sind“, überlegte ich, „wir könnten die Termine sonst so verteilen, dass er nie einen freien Tag für ein Ex findet. Dann bekäme er auch Ärger...“
„Oder wir reden alle nicht mehr mit ihm, schauen ihn nur noch angeekelt an...“
„Oder wir machen uns in Hörweite über Männer lustig, du weißt schon, Männer und Technik, das Kind im Manne...“, schlug Bettina vor. „Von allem etwas... Lässt er nicht immer diese hässliche kackbraune Tasche herumstehen? Ich denke da an ein Stückchen Hering...“, überlegte ich versonnen und lächelte glücklich vor mich hin.
„Wir sind gemein“, schwächelte Katja plötzlich.
„Wir haben nicht angefangen! Wir verteidigen nur uns und die Schüler – das ist die totale Notwehr! Aber ich kann es verstehen, wenn du dich lieber raushältst. Nur schweigen musst du können!“
„Klar, ich kann ihn doch auch nicht leiden“, versuchte Katja Holger zu besänftigen und er lächelte sie versöhnt an.
Bettina und ich verzogen uns, sie musste Emma abholen und ich hatte noch einiges zu arbeiten, morgen wollte ich die 9 a mit einem netten kleinen Ex in Italienisch überraschen. Hoffentlich war Katja überhaupt noch Single – nicht, dass Holger hier vergeblich Gefühle investierte, der Arme.
Endlich wieder Freitag! Um eins war ich rechtschaffen müde, nach immerhin sechs Stunden Unterricht, aber ich hatte es doch geschafft, während der großen Pause unauffällig ein kleines Stückchen geräucherten Hering in Holzners offene Angebertasche fallen zu lassen, während ich angeblich in den Zeitschriftenstapeln auf dem Fensterbrett hinter seinem Platz etwas suchte. Danach entsorgte ich schleunigst das verräterische Stückchen Alufolie und schrubbte mir die fischigen Finger. Noch war der Hering frisch gewesen; ich grinste vergnügt, als ich mir vorstellte, wie er erst am Montag duften würde, falls der alte Faulpelz das ganze Wochenende hindurch seine Tasche nicht öffnete. Ich drehte versonnen die kurze Strähne auf dem Hinterkopf um den Finger, als ich meinen Mantel angezogen hatte. Heute Abend mit Lockenkopf...
In der großen Halle arbeiteten die Schüler der Oberstufe schon wie die Besessenen, schleppten Boxen herum und schlossen die Beleuchtung an, während die kleineren von der Deko-Gruppe die Kulissen malten. Ich trat zu einem der DJs für heute Abend. „Und denkt dran, die Musik nicht zu cool – je mehr man mitgrölen kann, desto besser ist die Stimmung!“
Fabian nickte. „Und was stellen Sie sich so vor, Frau Korff?“
Ich überlegte. „ We Will Rock You - Völlig Losgelöst – Skandal im Sperrbezirk , solche Sachen eben. Nicht nur, aber das zieht immer. Um Mitternacht Marmor, Stein und Eisen bricht und um eins Country Road, Take Me Home .“
Er lachte. „Gut, das haben wir alles irgendwo. Sie kommen doch auch? Wer macht noch Aufsicht?“
„Frau Reichard, Herr Dr. Brandes, Herr März. Müsste reichen, oder?“
„Klar. Wer ist Frau Reichard?“
„Die Referendarin, die große Blonde. Hast du sicher schon mal gesehen.“
„In der Kollegstufe kriegen wir die doch nie zu sehen. Ich werde heute Abend aufpassen. Hübsch?“
„Sehr, du alter Angeber.“
Ich winkte ihm vergnügt zu, bevor ich den Ausgang zum Parkplatz ansteuerte. Fabian war ein netter Kerl aus meinem Geschichtsgrundkurs, aber so unwiderstehlich war er nun auch nicht. Für eine Referendarin, die bestimmt sieben Jahre älter war, reichten der Lausbubencharme und die großen braunen Augen sicher nicht aus. Die wirkten ja schon nicht, wenn er sich vor der Ausfrage drücken wollte!
Als ich alle Einkäufe verstaut und die Wohnung notdürftig geputzt hatte, legte ich mir meinen Men in Black – Anzug heraus, dazu Sonnenbrille und Hut, und schritt dann mit der Nagelschere vor dem Badezimmerspiegel zur Tat. Zuerst flocht ich mir die Haare zu zwei dicken Zöpfen, um sie hinterher aufheben zu können, dann säbelte ich beide Zöpfe brutal ab. Seltsam sah ich aus – und schief war es auch! Ich band die Zöpfe auch am oberen Ende zu und räumte sie beiseite, nachdem ich sie etwas wehmütig betrachtet hatte – es hatte fast zehn Jahre gedauert, bis sie so lange geworden waren...
Dann wusch ich mir entschlossen die Haare. Als ich sie frottiert hatte und wieder in den Spiegel sah, kringelten sie sich sehr viel versprechend, aber sie waren immer noch ein bisschen zu lang und reichlich ungleichmäßig. Ich stutzte hier und da etwas nach und verstreute überall dünne feuchte Strähnchen im Bad, bis ich zufrieden war. Sollte ich mir einen Scheitel ziehen? Oder alles vom Wirbel auf dem Kopf nach außen kämmen und mir einen Pony schneiden? Ja, das könnte gut aussehen, fand ich und schnitt wieder tapfer drauf los.
Das Schönste daran war, fand ich, dass ich die Haare an der Luft trocknen lassen konnte, wenn ich wollte – und dass ich mit dem Haarewaschen nun in fünf Minuten fertig war. Warum hatte ich das nicht schon viel früher gemacht? Sobald ich die verstreuten Haare aufgesaugt und das Bad wieder sauber gemacht hatte, begutachtete ich mich sehr zufrieden im Spiegel, auch von hinten, sobald ich den Handspiegel auf dem Nachttisch gefunden hatte. Ziemlich gerade, ja – und durch die Locken sah man Unregelmäßigkeiten hoffentlich ohnehin nicht.
Die Augenbrauen könnte ich mir auch noch dünner zupfen, beschloss ich und griff sofort zur Pinzette.
Hinterher gönnte ich mir noch eine belebende Maske und fand mich schließlich richtig schön. Naja, schön – aber ich sah nicht schlecht aus, jünger, nicht mehr so spießig, weniger lehrerinnenhaft. Ich kicherte vor mich hin. Zum Teufel, ich war doch Lehrerin! Wollte ich wie eine Schülerin aussehen? Viertel nach fünf... um acht musste ich in der Schule sein. Und ob ich schön war, war völlig egal, es war wahrscheinlich stockdunkel, abgesehen von den Mädchenklos, die ich gelegentlich zu filzen hatte.
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