„Verdammt, das wäre fast schiefgegangen“, kam Basaris Stimme über den Helmfunk. Er hatte die Ereignisse über sein eigenes Display und die Helmkameras seiner Kameraden mitverfolgen können. „Gunny, wie konnte das passieren?“
„Wir konnten ja nicht durch das verdammte Schott hindurchsehen“, knurrte June. „Da muss man halt mit Überraschungen rechnen.“
„Wäre wohl nicht geschehen, wenn deine Tarnung nicht defekt wäre“, kam es von Bear. „Ich habe noch versucht, dich zu warnen, aber es ging alles zu schnell. Habe es ja erst bemerkt, als das Licht von drüben nicht durch dich hindurchging.“
Die Tarnungen waren noch aktiv. June konnte keines ihrer Körperteile mit den Augen sehen und aktivierte die Systemanalyse. Prompt leuchtete die Anzeige für die optische Tarnung in Orange auf. „Verdammt.“
„Schalte ab und spar die Energie, Galley“, kam es von Basari. „Ich sehe das Bild der Helmkamera von Bear. Ein Teil deines prachtvollen Rückens ist deutlich sichtbar. Du musst einen Schaden an der Vorderseite des Kampfanzuges haben. Check das.“
Besagter Schaden war rasch gefunden und ebenso ein Verdacht, wie er entstanden war.
„Als dir dieses Ding vorhin auf die Brust gesprungen ist, da muss es wohl seine Verdauungssäfte abgegeben haben und die haben die Oberfläche deines Kampfanzuges getroffen“, vermutete Bear nachdenklich. „In dem Bereich sind die Kamerazellen und die photosensitive Oberfläche zerstört, auch wenn der Panzer selbst intakt geblieben ist. Dadurch konnte das Bild der Rückenkameras nicht auf deine Brust projiziert werden und wegen der zerstörten Brustkameras fehlte natürlich das Tarnbild auf dem Rückenteil. Verdammtes Pech, von so etwas habe ich noch nie gehört. Angeblich sollen die Anzüge doch ziemlich unempfindlich gegen alle möglichen Säuren und Laugen sein.“
„Wir sind auch noch nie Kreaturen begegnet, die in der absoluten Kälte des Weltraums nicht einfrieren und am Leben bleiben“, kam es von Basari über den Helmfunk. „Okay, ihr beiden, jetzt haben wir ein ziemliches Problem.“
„Tut mir leid, Sarge“, meinte Bear bedauernd, „aber mit unseren Mitteln lässt sich der Anzug nicht reparieren.“
June Galley seufzte. „Basari meint auch nicht meinen Anzug und dessen Tarnung, sondern die beiden Leichen der Negaruyen.“
„Verdammt, ja, daran habe ich gar nicht gedacht“, gab Bear schuldbewusst zu. „Wir müssen sie loswerden. Schön, hier gibt es ja jede Menge Räume. Wir können sie in einem davon verstecken.
„Können wir nicht“, widersprach June. „Im Gegenteil, Bear, wir müssen dafür sorgen, dass die Negaruyen sie finden, sonst durchstöbern sie vielleicht das ganze Schiff nach ihnen und stoßen doch noch auf uns.“
„Sehe ich ein.“ Bear versuchte, sich im Nacken zu kratzen, da er für einen Moment nicht an den geschlossenen Helm gedacht hatte. Verlegen zog er die Hand zurück. „Dann müssen wir aber dafür sorgen, dass die Negaruyen keinen Verdacht schöpfen, wenn sie ihre toten Kameraden finden. He, wie wäre es mit den Kadavern der Kreaturen?“
„Ausgezeichnete Idee, Bear“, kam es wieder über den Helmfunk. „Galley, ihr müsst die Negaruyen zu den Zecken bringen. Umgekehrt geht nicht, da es die Negaruyen sicher misstrauisch macht, wenn alle Leichen hier herumliegen, aber das Blut der Zecken an einer ganz anderen Stelle zu finden ist. Ihr müsst die Toten so drapieren, dass man glaubt, sie hätten sich gegenseitig umgebracht.“
„Positiv, Sergeant-Major“, bestätigte June Galley förmlich. „Nur gut, dass wir nicht geschossen haben. Na schön, Bear, pack mal mit an.“
Sie beeilten sich, die beiden toten Gardisten dorthin zu tragen, wo die Überreste der toten Kreaturen lagen und richteten alles so gut als möglich her, damit ein Suchtrupp der Negaruyen davon ausgehen würde, dass ihre Kameraden von den Fremdwesen überfallen und getötet worden waren. June nahm eines der Raketengewehre und gab ein paar Schüsse auf die Kadaver und die Wände ab, damit eine Gegenwehr der Gardisten plausibler erschien.
„Okay, Bear, mehr können wir nicht ausrichten“, meinte June schließlich. „Ich hoffe, die Negaruyen schlucken es. Machen wir, dass wir wieder zu Basari kommen.“
„War verdammtes Pech“, sagte der Corporal leise. „Wären die beiden Typen nicht so überraschend aufgetaucht und wäre deine Tarnung intakt gewesen, dann hätte unser Plan geklappt.“
„Das Leben ist nun einmal kein Wunschkonzert“, lachte June auf. Sie schlug Bear freundschaftlich gegen die Schulterpanzerung. „Und mache dir keine Sorgen. Unser Plan hat durchaus geklappt. Unsere Drohne ist nämlich auf der anderen Seite des Schotts.“
Kapitel 3 Ein perfekter Plan
Zentrale der Sillara-Gerrun
Die Zentrale der Sillara-Gerrun lag vorne im Äquator der Bugkugel. Ihr Raum war großzügig bemessen und folgte mit seiner leichten Krümmung jener der Außenwand der 400-Meter-Kugel. Von außen gesehen wirkte die Hülle eines Hantelschiffs nahezu nahtlos und schimmerte in seidigem Grün. Nur die mächtigen Triebwerksöffnungen an Bug und Heck sowie die entlang des Mittelteils verlaufenden Verbindungsgänge hoben sich davon ab. Man konnte keine Sichtluken oder sonstigen Öffnungen erkennen, obwohl es diese natürlich gab. So bestand die Außenwand der Zentrale aus einer einzigen riesigen Panoramascheibe, die allerdings nur von innen transparent war.
Desara-dal-Kellon, Primär-Kommandantin der Streitkräfte der verborgenen Welt, war nochmals an Bord der Sillara-Gerrun gekommen, um sich vom erfolgreichen Abschluss der Vorbereitungen zu überzeugen. Während sie auf die Meldung der Verantwortlichen wartete, legte sie die Hände auf dem Rücken ineinander und genoss den großzügigen Ausblick in den Weltraum, der sich vor ihr ausbreitete.
Desara war, selbst für menschliche Begriffe, eine sehr attraktive Frau, wenn man einmal darüber hinweg sah, dass sie, wie alle Negaruyen, an Stelle einer Nase zwei schmale senkrechte Atemschlitze besaß und ihre hellblauen Augen silberne Pupillen aufwiesen. Ihre Attraktivität und ihr hoher Rang machten es ihr leicht, sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtspartner zu finden, die sich stets erhofften, mit der Gunst der Befehlshaberin in der Hierarchie der verborgenen Welt aufzusteigen. Desara genoss solche Intimität durchaus, band sich jedoch niemals in einer festen Beziehung, denn ihre Liebe galt ausschließlich der Flotte und ihrer Heimatwelt. So wirkte sie auf ihre Untergebenen oftmals kalt und unnahbar, obgleich sie durchaus leidenschaftlich sein konnte. Vor allem im Bezug auf jene, welche eine Gefahr für die verborgene Welt darstellten. Sie hasste die insektoiden Norsun und sie war entschlossen, auch die Menschen mit all ihrer Kraft zu bekämpfen. Ein Bund dieser beiden Völker konnte den Jahrhunderte alten Krieg zwischen den Insektoiden und den Negaruyen endgültig zu Gunsten der Norsun entscheiden. Desara wusste nur zu gut, dass dies die Auslöschung ihres Volks bedeuten würde.
Seit Jahren beobachteten die Negaruyen die Ausbreitung der Menschheit im Weltraum und die Ähnlichkeit zwischen ihren Rassen hatte es ermöglicht, einige wagemutige Negaruyen genetisch so zu manipulieren, dass sie unter Menschen nicht auffielen. Diese Patrioten, von den Negaruyen als Infiltratoren bezeichnet, vermittelten ihnen regelmäßig wertvolle Erkenntnisse über die Kultur und Technik des Feindes. Für Desara gab es keinen Zweifel daran, dass die Sky-Navy und Sky-Cavalry des menschlichen Direktorats zu den gefährlichsten Gegnern gehörten, denen sie sich bisher gegenübergesehen hatten. Es lag an der großen, auch charakterlichen Ähnlichkeit, die Negaruyen und Menschen verband. Eine sehr ähnliche Denkweise, Schläue und Entschlossenheit, wie die Primär-Kommandantin es immer wieder empfand.
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