Die drei Menschen kannten Aufnahmen aus modernen Hantelschiffen und hatten rasch bemerkt, dass sich die Bauweise der alten und neuen Schiffe sehr ähnelte, sich die ästhetischen Ansprüche hingegen geändert hatten. Die Wände, Decken und Böden moderner Hanteln waren glatt, in der Sillara-Gerrun zogen sich hingegen unverkleidete Rohre und Leitungen an Decken und Wänden entlang. Die Helligkeit der Notbeleuchtung wurde üblicherweise stark reduziert, entsprach aber selbst dabei noch dem gewohnten Spektrum. An Bord des Wracks hatte sich das Notlicht hingegen zu einem trüben gelb-roten Schimmer gewandelt, der viele Bereiche in Dunkelheit beließ. Diese punktuellen Bereiche erstreckten sich durch die gesamte Sektion.
June Galley gefiel das überhaupt nicht. „Achte mir bloß auf die Zecken, Bear. Durch diesen merkwürdigen Frostschutz, den sie haben, ist ihre Körpertemperatur mit der Umgebungstemperatur identisch. Wir können die Biester nicht anhand ihrer Wärmesignatur erkennen und unsere Scanner erfassen sie erst, wenn sie in Bewegung sind.“
„Brauchst mich nicht daran zu erinnern“, erwiderte der Corporal. „Keine Sorge, ich decke dir den Hintern.“
Die beiden Sky-Troopers traten in den Gang hinaus und folgten ihm in Richtung der Negaruyen-Sektion. June konzentrierte sich auf alles, was sich vor ihr befand, während Bear sich immer wieder umwandte, um ihren Rücken zu sichern. In den vergangenen Tagen waren sie vereinzelt auf die fremdartigen Wesen oder auf die Überreste ihrer Mahlzeiten und Verdauung gestoßen.
„Bear, ich mache Licht“, sagte Galley unvermittelt. „Mir ist die Sache nicht ganz geheuer.“
Die starken Scheinwerfer an Stirn und Seiten ihres Helms flammten auf. Bear folgte prompt ihrem Beispiel. Nun folgten hell erleuchtete und scharf umrissene Bereiche den Blickrichtungen ihrer Köpfe.
„Glaubst du, sie sind hier? Hast du etwas gesehen?“
June wusste, dass er sich auf die Kreaturen bezog. „Nur so ein Gefühl, Bear.“
Das Gewicht der Karabiner und das sanfte grüne Leuchten der Ladestandsanzeige vermittelten ihnen ein begrenztes Gefühl an Sicherheit. Den Wesen war es bereits gelungen, einige Menschen zu töten. Allerdings waren es zivile Angestellte des Direktorats gewesen, die nur leichte Raumanzüge, keine Kampfanzüge getragen hatten. Bei den bisherigen Begegnungen mit Troopern waren diese stets die Sieger geblieben.
June Galleys Gefühl trog sie nicht.
Die drei Kreaturen hatten sich zwischen den Rohren und Leitungen verborgen gehalten und nicht gerührt. Die Scanner der Helme erfassten sie erst, als sich die Wesen bereits im Sprung befanden.
„Zecken!“, rief Bear warnend und riss instinktiv seinen Karabiner herum.
June tat es ihm gleich, doch dann zögerte sie, den Abzug zu betätigen. Sie befanden sich nun relativ nahe der Negaruyen-Sektion. Wenn diese eine Patrouille ausschickten und diese die Anzeichen von Karabinerfeuer entdeckte …
Es waren nur Augenblicke und dann war es auch schon zu spät.
Das erste Wesen war fast so groß wie ein Mensch, die beiden anderen deutlich kleiner und vielleicht dessen Nachkommenschaft. Die Kreatur prallte mit voller Wucht gegen Junes Brust und warf sie nach hinten. „Nicht schießen!“, rief sie während des Sturzes. „Mach sie platt, Bear!“
Der Corporal begriff, ließ seine Waffe in das Gurtsystem fallen und griff mit reiner Muskelkraft an.
June war von der Körperkraft des Angreifers überrascht, die ihrer fast gleichwertig schien. Dadurch war ihr Gegner jedoch im Vorteil, da er über immerhin acht Beine verfügte, denen sie nur zwei Arme und zwei Beine entgegensetzen konnte. Die Hände an den beiden vordersten Beinen der Kreatur glitten über ihren Helm. Das Wesen schien instinktiv zu begreifen, dass der Schwachpunkt des Kampfanzuges im Übergang zwischen Helm und Körperpanzer lag. Zugleich stieß der T-förmige Kopf immer wieder mit dem stachelartigen Rüssel gegen die Helmscheibe.
June glaubte nicht, dass der Angreifer in der Lage war, den Anzug ernsthaft zu beschädigen, aber sie hatte einen Job zu erledigen und wollte keine Zeit verschwenden. Sie aktivierte die bionische Verstärkung und tötete das Wesen mit zwei kraftvollen Hieben.
Bear hatte auf die Kraftverstärkung verzichtet, die beiden kleineren Angreifer gepackt und mit aller Gewalt gegen eine der Wände geschleudert. Nun lagen sie am Boden und aus ihren aufgeplatzten Leibern sickerte silbrige Körperflüssigkeit.
„Gut, dass du nicht geschossen hast“, lobte June.
Das Schulterzucken des Corporals war unter dem Körperpanzer kaum zu erkennen. „War mir schon klar, dass du den Negaruyen keine 1-Millimeter-Einschläge hinterlassen willst.“
Sie klopfte ihm anerkennend gegen die Schulter und deutete dann vor sich. „Erledigen wir unseren Job. Noch rund zweihundert Meter bis zum Schott. Kurz davor gehen wir auf Tarnung.“
„Positiv“, bestätigte Bear.
Der Gang verlief in einer sehr sanften Kurve, da er der Krümmung der Außenhülle folgte. Als der Bereich des trennenden Schotts sichtbar wurde, war von der Stelle mit den toten Aliens nichts mehr zu sehen.
„Unmittelbar am Schott ist ein Notlicht“, stellte June fest. „Falls sich ein paar Schlitznasen bei ihm aufhalten, werden die sofort bemerken, dass sich was tut. Verdammter Dung, dass wir die Scanner nicht einsetzen können.“
„Können wir schon“, erwiderte Bear grinsend. „Sie liefern nur keine brauchbaren Ergebnisse.“
„Jetzt wirst du aber kleinlich“, erwiderte sie. Knapp ein Dutzend Meter vor dem geschlossenen Schott hob sie die Hand und sie blieben stehen. „Okay, Bear. Licht aus, Tarnung ein. Ich mache die Drohne bereit und öffne das Schott, und du gibst mir Deckung.“
„Positiv.“ Die Stimme des Corporals klang nun ein wenig angespannt. Die Negaruyen waren weitaus gefährlichere Gegner als die zeckenartigen Kreaturen. „Bin bereit.“
Die Scheinwerfer erloschen. Ein kurzes Flimmern lag in der Luft, als die Kampfanzüge in den getarnten Modus gingen. June Galley zog die Scout-Drohne aus ihrer Halterung am Gurtsystem und vergewisserte sich, dass diese voll aufgeladen und bereit war. Dann legte sie die freie Hand an den manuellen Öffnungsmechanismus des Schotts.
Noch während sie ihn betätigte und sich ein erster schmaler Spalt bildete, übertrugen die Außenmikrofone plötzlich ein dumpfes Brummen und der elektrische Öffner ließ die beiden Schotthälften mit unerwarteter Schnelligkeit auseinandergleiten. Helles Licht traf sie.
June Galley und Holger „Bear“ Bremer machten dieselbe unerfreuliche Entdeckung.
„Kontakt!“, rief June prompt, als sie sich zwei völlig verblüfften Negaruyen gegenübersah.
„Negative Tarnung!“, kam gleichzeitig der Warnruf von Bear.
Der Gesichtsausdruck der Fremden zeigte June, dass sie keineswegs so unsichtbar war, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Sie handelte instinktiv.
Mit einer Bewegung aus dem Handgelenk schleuderte sie die Drohne über die Köpfe der beiden Gardisten hinweg, packte beide am Brustteil der Anzüge und zerrte sie mit einem kraftvollen Ruck auf ihre Seite des Schotts. „Das Schott!“
Noch während die beiden Negaruyen zu Boden stürzten, sprang Bear bereits an die Schottsteuerung, stoppte den Öffnungsvorgang und betätigte die Taste, die es wieder schloss.
Einem der Negaruyen war der Raketenkarabiner entglitten und die Waffe schlitterte, einige Meter entfernt, über den Boden. Der andere hielt die seine hingegen fest umklammert und kaum berührte er den Boden, warf er sich auch schon herum, um sie auf Galley zu richten.
June trat zu und der heftige Tritt zerschmetterte den Brustkorb des Humanoiden, der auf den Rücken sackte und qualvoll zu atmen versuchte, während er starb.
Das Schott fiel zu und Bear übernahm den zweiten Negaruyen, der den Fehler beging, sein Gewehr aufheben zu wollen. Er hätte besser nach seiner Energiepistole gegriffen, denn der kräftige Corporal packte den Gardisten im Nacken und am Waffengurt und schmetterte ihn, wie zuvor die Kreaturen, gegen die Wand. Knochen brachen und auch dieser Gegner stürzte tot zu Boden, als Bear seinen Griff löste.
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